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Eröffnung am Freitag, 11. April 2008 um 18 Uhr

Mit der großen Retrospektive der amerikanischen Künstlerin Sharon Lockhart setzt der Kunstverein in Hamburg seine Reihe fort, in umfangreichen Einzelpräsentationen das Werk von herausragenden Künstlerinnen und Künstlern vorzustellen, die überwiegend in den Medien Film und Fotografie arbeiten. Hierzu zählten in den letzten Jahren unter anderen Yael Bartana, Willie Doherty, Andrea Fraser, Mark Lewis und Paul McCarthy. Auch zur Ausstellung von Sharon Lockhart wird ein umfangreicher Oeuvrekatalog erscheinen.

Den Filmen und Fotografien der 1964 in Norwood, Massachusetts geborenen und heute in Los Angeles lebenden Sharon Lockhart gehen in der Regel zeit- und arbeitsintensive Recherchen voraus. Ihre frühen Arbeiten lassen durch Verweise auf Filmklassiker und filmstillhafte Fotografien Referenzen an ihr direktes Umfeld Hollywood erkennen. Zu einer ihrer bekanntesten Aufnahmen dieser Zeit, die auch in der Hamburger Ausstellung zu sehen ist, zählt „Audition“ (1994), eine Serie von Farbfotografien in denen Jungen und Mädchen eine Szene aus Francois Truffauts „L’argent de poche“ (Taschengeld) von 1975 nachstellen.

Die wie Standaufnahmen eines Films wirkenden Fotografien erzeugen einen irritierenden Widerspruch zwischen dem Alter der Darsteller und den von ihnen nachgespielten Szenen, der für das Werk Sharon Lockharts charakteristisch ist, denn es sind häufig Kinder oder Jugendliche, die im Übergangsstadium zum Erwachsensein porträtiert werden. Dabei interessiert die Künstlerin, wie sich kulturelle Repräsentation nicht nur in unterschiedlichen Lebensphasen, sondern auch in verschiedenen geografischen Regionen und Zusammenhängen manifestiert. So verbrachte sie zur Realisierung einiger ihrer Projekte jeweils mehrere Monate in Japan und Brasilien. Für ihren Film „Goshogaoka“ (1997) konzipierte sie ein exakt durchchoreografiertes Basketballtraining mit japanischen Mädchen in einem Vorort von Tokio. Wie bei allen ihren Filmen entstanden auch hier Fotografien, die als eigenständige Serien einen besonderen Charakter besitzen, der zwischen flüchtigem Prozess und bildhafter statischer Komposition oszilliert.

Die Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von bildender Kunst und Film, von künstlich inszenierter und vermeintlich authentisch realistischer Widergabe von Wirklichkeit zählt zu den Konstanten im Werk von Sharon Lockhart. Vor diesem Hintergrund wird ihre Motivwahl von Skulpturen Duane Hansons verständlich, mit denen sie sich in mehreren fotografischen Arbeiten auseinandersetzt, die sie nicht zuletzt aufgrund ihrer Simulation von Realität interessieren. Darüber hinaus insistiert die Künstlerin in Bezug auf den jeweils spezifischen Kontext der Rezeption ihrer Arbeit, indem sie ihre Filme fast ausschließlich in Kinos präsentiert. Erst in den letzten Jahren ist sie dazu übergegangen, für einige ihrer bewegten Bilder Präsentationsformen im Ausstellungskontext zu entwickeln, die für die Diskrepanz zwischen den beiden Orten Kino und Museum sensibilisieren. So zeigt sie, wenn „Pine Flat“ (2005) in Ausstellungen zu sehen ist, täglich wechselnd zwei der zwölf Kapitel. Um den gesamten Film zu sehen, müssen die Besucher also sechs Mal in der Woche in die Ausstellung gehen, bzw. ein Mal ins Kino, in dem der gesamte Film lediglich mit einer kurzen Pause gezeigt wird.

Sharon Lockhart setzt bewusst dramatische Effekte ein, die in einem Spannungsverhältnis zur rationalen, konzeptuellen Ausrichtung der Arbeit stehen. Die Atmosphären und Situationen in ihren Filmen und Fotografien werden gleichzeitig durch analytische Distanz sowie durch subjektive Einfühlsamkeit bestimmt.

Ihre Arbeiten wurden bereits in großen Einzelausstellungen in Museen wie dem Walker Art Center in Minneapolis, dem Museum of Contemporary Art in Chicago, dem Museum Boijmans van Beuningen in Rotterdam und der Kunsthalle in Zürich vorgestellt und waren auf international renommierten Festivals in New York, Berlin, Wien und Rio de Janeiro zu sehen. Der Kunstverein in Hamburg stellt die bis dato umfangreichste Präsentation ihres fotografischen Werks vor und zeigt ihre beiden Filme „NO“ (2003) und „Pine Flat“ (2005) in seinen Ausstellungsräumen.

In Kooperation mit dem Metropolis Kino zeigt der Kunstverein in Hamburg folgende Filme von Sharon Lockhart:

Samstag, 12. April 2008, 19 Uhr Pine Flat (USA 2005, 138 Min.) mit einer Einführung von Sharon Lockhart (in englischer Sprache)

Dienstag, 22. April 2008, 19 Uhr Teatro Amazonas (USA 1999, 40 Min.)

Mittwoch, 07. Mai 2008, 19 Uhr Nô (USA 2003, 32 Minuten)

Dienstag, 13. Mai 2008, 19 Uhr Goshogaoka (USA 1997, 63 Min.)

Es erscheint ein Katalog im DuMont Verlag mit Texten unter anderem von Diedrich Diederichsen und Yilmaz Dziewior sowie einem kompletten Oeuvreverzeichnis.

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Sharon Lockhart