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Shanghai Surprise zeigt einen weitreichenden Überblick über aktuelle Fotografie und Videokunst von 13 Künstlern, die in Shanghai und in der benachbarten Stadt Hangzhou arbeiten. Es ist seit zehn Jahren in München die größte und umfassendste Ausstellung zeitgenössischer chinesischer Fotografie und Videokunst. Es werden Arbeiten von einigen der besten Künstler Chinas gezeigt, beispielsweise Hu Jieming, der im Hamburger Bahnhof ausgestellt hat und gerade einige Monate als Stipendiat in der Münchner Villa Waldberta war; Yang Zhenzhong, Xu Zhen und Zhou Tiehai, dessen Arbeiten auf der Biennale in Venedig 2001 und 2003 gezeigt wurden, sowie Yang Fudong, der junge und gefeierte Filmemacher, der kürzlich für den Hugo Boss Preis nominiert wurde.

Neben diese etablierten Positionen reihen sich die Arbeiten von einigen jungen Künstlern, die noch nicht ein so breites Publikum erreicht haben. Viele dieser Newcomer sind kaum in Europa gezeigt worden und wurden durch Empfehlung anderer Künstler in Shanghai ‚entdeckt’. Das trifft auch auf Jin Jiangbo und Tang Maohong zu, die eine ortsspezifische Installation einerseits und eine Wandarbeit andererseits realisieren werden, ebenso wie Zhang Qing, der im Februar nach München kommen wird um seine Performance “Taxi Samba” zu zeigen.

Zudem werden in “Shanghai Surprise“ drei Künstler aus dem Westen präsentiert, die erst kürzlich in und über Shanghai gearbeitet haben: der bekannte Magnum-Fotograf Martin Parr, der zur Zeit in einer Retrospektive gezeigt wird; der Münchner Fotograf Peter Neusser, der kürzlich in einer Einzelausstellung im Münchner Stadtmuseum zu sehen war, und das Londoner Medien-Kollektiv D-FUSE, deren Performances und Installationen international zu sehen waren, so bei den Rotterdam, Seoul und Shanghai Film Festivals.

Video und Fotografie sind in China momentan die Medien der Stunde. Nirgendwo ist das offensichtlicher als in Shanghai, wo die jüngeren Künstler die schnellen Produktionsmöglichkeiten für Digitalkameras und Videobänder begrüßt haben um mit dem kulturellen Aufbruch, der sich im letzten Jahrzehnt in ihrem Land und ihrer Stadt entwickelt hat Schritt zu halten. Obwohl dieses Phänomen weniger als 10 Jahre alt ist, wird es weit verbreitet und ihm wird auf internationalen Biennalen und kürzlich gezeigten großen Ausstellungen wie “China Now” im Museum of Modern Art, “Between Past and Future: New Photography and Video from China” im Asia Society and International Center for Photography in New York, und jetzt “Shanghai Surprise” hier in der lothringer dreizehn, Beachtung geschenkt.

“Shanghai Surprise” ist Teil des Engagements der lothringer dreizehn für den internationalen Austausch und Dialog. Die Ausstellung kam zustande über intensive Kontakte mit Einzelpersonen und ist nicht als ein beiläufiges Projekt zu verstehen. Sie ist der erste Schritt einer neuen Partnerschaft zwischen Ost und West, die wir in der Zukunft durch den Austausch mit anderen zeitgenössischen Ausstellungsorten wie dem Shanghai Art Museum und dem Shanghai Duolun Museum, die bereits ihr Interesse signalisiert haben, hoffen vorantreiben zu können. Außerdem bildet „Shanghai Surprise“ den ersten Teil einer breiter angelegten Erkundung der zeitgenössischen Kunst Asiens und wird im Sommer nächsten Jahres durch die Ausstellung „Autonom ist noch nicht einmal der Mond: Kunstinitiativen aus Japan“ ergänzt werden.

Konzept Shanghai ist zusammen mit dem Stadtteil Pudong eine Stadt mit 18 Millionen Einwohnern, deren Lebensstandard und Lebensstil sich schnell an den Standard in den Industrieländern angleichen. Ein Spaziergang entlang der Straße ‚The Bund’ im Bankenviertel oder eine Shopping Tour auf der belebten Nanjing Road demonstriert, wie weit entfernt Shanghai von der verbreiteten Armut und dem Leid in anderen Teilen Chinas ist. Darüber hinaus ist das Ausmaß der Infrastruktur und Architektur dieser Stadt überwältigend – es ist nicht einfach nur groß, es ist monumental – und die Geschwindigkeit mit der sie sich ändert ist rasant. Die Stadtlandschaft befindet sich in einer gewaltigen Umbruchsituation mit der höchsten Immobilien- Wachstumsrate in China.

Von ihrer Struktur her ist Shanghai eine Stadt der Extreme und des bizarren Nebeneinanders, die sich momentan um die Pole Alt und Neu, Reich und Arm, Kommunismus und Kapitalismus drehen. Glänzende, moderne Wolkenkratzer aus Glas und Marmor überragen einfachste linong Wohnblocks. Fahrräder und Holzkarren schlängeln sich geschickt an den Taxis und modernen Autos auf den überfüllten Schnellstrassen der Stadt vorbei. Ausländische Geschäftsleute und junge Menschen mit Handys teilen sich die Gehwege mit bettelarmen Schuhputzern und Kleinsthändlern, die in ihren Buden leben und ihre Wäsche in die Bäume hängen. Überall ist der Drang nach Konsum, nach Erfolg, nach Fortschritt offensichtlich, auch wenn dies das Auslöschen vieler Aspekte lokaler oder traditioneller Kulturen bedeutet. Die Idee, dass Geschichte gemacht und bei Bedarf wieder neu gemacht werden kann wie ein Bild oder eine Bühne, spielt eine wichtige Rolle darin, wie die Stadt aussieht und handelt.

So kommt es, dass sich die Künstler, die in Shanghai leben und arbeiten, sich an vorderster Front radikaler sozialer Umwälzungen ebenso wiederfinden, wie am Scheideweg kultureller Verschmelzung. Mit einer Ausnahme repräsentieren alle chinesischen Künstler dieser Ausstellung die Generation der 25- bis 35-Jährigen, die nur wenig oder gar keine Erfahrung mit der Kulturrevolution gemacht haben und deren Lebensstil langsam dem ihrer westlichen Nachbarn ähnelt. Mediengewandt sind sie in der Lage sich schnell und einfach zwischen visuellen Methoden hin- und her zu bewegen und setzen einen großen Akzent auf die Bildfindung, insbesondere durch Fotografie und Video. Ob durch Musik hinterlegt, zusammengesetzt, collagiert, inszeniert, oder dokumentarisch, die Bilder, die sie schaffen sind von höchster Vorstellungskraft und von starker Bildgewalt. Vor allem stellen sie essentielle gesellschaftliche und politische Fragen, Fragen zu Tradition und Wechsel, zu künstlerischer und persönlicher Identität, zu Geschichte, Gegenwart und Zeit.

In dieser Ausstellung werden auch westliche Künstler gezeigt – die Fotografen Martin Parr und Peter Neusser und das Medien-Kollektiv D-FUSE – die zuletzt in und über Shanghai gearbeitet haben. Ebenso wie ihre fernöstlichen Kollegen befasst mit der Bildfindung, lassen ihre Fotografien und Videos eine Faszination und Begeisterung in Bezug auf die Vielschichtigkeit Shanghais und deren soziale Netzwerke erkennen und zeigen die Stadt oft vom Standpunkt eines Abenteurers, Forschers oder Touristen aus. Sie stellen uns die Stadt und ihre Menschen vor und liefern wertvolle Informationen über Bevölkerung, Struktur, Gewohnheiten und Handel durch Bilder von allem möglichen, von Lebensmittel-Produkten bis zu den Stadtautobahnen. Tatsächlich ist die Einbeziehung einer westlichen Perspektive nicht nur beabsichtigt, sondern auch zwingend, will man die visuelle Sprache und sozialen Prozesse genau dieses Ortes zu diesem bestimmten Zeitpunkt in der Geschichte und seine eigene Rolle darin verstehen. Wie einen Fremden das erste Mal zu treffen oder einem alten Bekannten wieder zu begegnen, ist die Erfahrung voller unerwarteter und überraschender Momente.

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