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Wir freuen uns sehr, Shahryar Nashats erste institutionelle Einzelausstellung in der Deutschschweiz zu präsentieren. Der Westschweizer gilt als einer der interessantesten Exponenten der jüngeren Künstlergeneration. In der Kunst Halle zeigt Shahryar Nashat seine neusten Werke, in denen er sich verschiedenster Medien bedient. Zugleich versteht sich «Remains to be seen» als einheitliches Projekt, das sich mit den Prozessen der künstlerischen Produktion sowie des Ausstellens auseinandersetzt. Als thematischen Schwerpunkt rückt der Künstler den männlichen Körper ins Zentrum und versucht die Beziehung zwischen Skulptur, Raum, Materialität und Funktionalität zu hinterfragen. In seinen Skulpturen, Fotografien und Filmen widmet er sich sowohl der Repräsentation und Museifizierung des Körpers in der Kunstgeschichte als auch der Rolle des Modells im Atelier. Damit hinterfragt Nashat sowohl das tradierte Männerbild als auch die Funktion des Museums als Ort der Fetischisierung von Objekten und Ideen.

Im ersten Ausstellungsraum ist man als Besucher mit verschiedenen Elementen konfrontiert, die alle den Status von Resten (‚Remains’) miteinander teilen. Durch den Akt des Schneidens, Entfernens und Suggerierens macht Nashat einen Prozess der Dekonstruktion sichtbar und plädiert gleichzeitig für das, was verborgen bleibt, für das, was fehlt. Weiter beziehen sich diese Werke auf den Vorgang der Installation, sowie auf die Konventionen des Museumsdisplays. Eine Vitrine und Steinsockel werden zu Skulpturen verarbeitet und ausgestellt. Damit verlieren sie ihre Funktionalität als museographische Werkzeuge und werden zu Kunstwerken erhoben. Schon hier wird deutlich, dass Nashat sein besonderes Interesse dem Objekt widmet, was sich beispielsweise in der Verwendung von wertvollen Materialien wie Marmor oder polierter Bronze zeigt. Gleichzeitig stellt der Künstler aber den Fetisch auch in Frage, indem er wie in der Videoarbeit Modern Body Comedy (2006) Anspannung einer zwischenmenschlichen Beziehung und Dramatisierung humorvoll auflöst.

Teile mittelalterlicher Rüstungen, die sowohl Schutz als auch Militarisierung des Körpers symbolisieren, verraten durch ihre materielle Beschaffenheit schnell ihr künstliches Wesen und Wirken. Nashat entlarvt sie als Theaterrequisiten, die von Metallstangen wortwörtlich penetriert werden. Ihre Zerstückelung funktioniert als Metapher für die Konstruktion von Identität und die leeren Hülsen konfrontieren den Betrachter mit der physischen Abwesenheit eines realen Menschen. Gleichzeitig versteckt der Künstler nicht, dass sein Werk reich an Sensualität und erotischer Spannung ist. So kann der Kneeling Cyan Giant (2009) im zweiten Raum nicht nur formal an die Beine der Fotografien und die Rüstung erinnern, sondern auch an ein überdimensioniertes männliches Geschlechtsteil. Als Skulptur suggeriert dieser in seiner Zerstückelung jedoch Versagen. Dem Giganten gegenüber befindet sich eine Fotografie, die den Teil einer Bronzeskulptur zeigt. Das abgebildete Motiv ist der ‚Spinario’ (Dornauszieher) aus der Antike. Thematisiert wird hier nochmals das Spiel mit den männlichen Beinen sowie die Materialität in Form einer fotographischen Reproduktion von Bronze. Das Bild ist eingekesselt zwischen Marmor-Reproduktionen von Sockeln, auf denen in Museen Skulpturen ausgestellt und die damit zu einem Kanon der Schönheit idealisiert werden. Sie treiben Nashats Spiel der Infragestellung des institutionellen Kontexts und des Status’ des Objekts noch weiter. Hier wird auch das Unfertige gezeigt, nämlich der unpolierte Schnitt im Marmor. So wird nicht nur der bildhauerische Prozess sichtbar, sondern in letzter Analyse auch die Verantwortung des Künstlers in seiner Rolle als „Schöpfer“ von Bildern, die metaphorische Inhalte transportieren.

Im letzten Ausstellungsraum sorgt Nashats neuster Film One More Time With James (2009), speziell für die Kunst Halle in der Kosmetikabteilung eines New Yorker Warenhauses produziert, für einen stimmungsvollen Abschluss. Hier widmen sich zwei Männer dem Testen verschiedener Parfüms. Sie werden vom Regisseur wie Objekte behandelt, genau wie die farbigen Flakons, die das Ambiente dominieren. Die Videoarbeit beendet die Ausstellung mit viel Sinnlichkeit, aber auch mit einem Augenzwinkern in Bezug auf die Kommerzialisierung des Körpers sowie die Eitelkeit unserer Epoche. Nashat thematisiert damit in «Remains to be seen» nicht nur Probleme der zeitgenössischen Skulptur und der Musealisierung, sondern rüttelt auch am Machismus, der unsere Gesellschaft heutzutage immer noch prägt.

Shahryar Nashat (*1975, Genf) erhielt seine Ausbildung an der Ecole Supérieure des Beaux-Art in Genf und an der Rijksakademie van beeldende kunsten in Amsterdam. Mit seinen Arbeiten war er an verschiedenen Einzel- und Gruppenausstellungen vertreten, darunter in folgenden Institutionen: Centre Pompidou, Paris (2008/2006), Galleria S.A.L.E.S., Rom (2008), Centre pour l'Image Contemporaine, Genf (2003/2002), MUSAC, Leon (2008/2006), Museum der Moderne, Salzburg (2005), Elisabeth Kaufmann, Zürich (2006/2004/2001), Centro per l’Arte Pecci, Prato (2003), De Appel, Amsterdam (2006/2002), Frankfurter Kunstverein (2004), Kunstmuseum St. Gallen (2007/2005), Württembergischer Kunstverein, Stuttgart (2005). 2005 repräsentierte er die Schweiz an der 51. Biennale in Venedig. Seine letztjährige Ausstellung «Das Beispiel» im attitudes, espace d'arts contemporains in Genf wurde gerade mit dem ersten Swiss Exhibition Award vom Bundesamt für Kultur und der Julius Bär Stiftung ausgezeichnet.

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Shahryar Nashat