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Break the silence – dem Motto der Welt-AIDS-Konferenz folgend haben afrikanische Künstler das Schweigen durchbrochen und sich mit der Krankheit auseinandergesetzt, die 28 Millionen Menschen in Afrika mit dem HI-Virus infiziert hat. Aber nicht die Krankheit ist das größte Problem des Kontinents, sondern ihre Begleitumstände in Gestalt von Armut, Arbeitslosigkeit und Gewalt. Die künstlerische Umsetzung dieses Themas ist faszinierend und verstörend zugleich. Jeder Künstler findet seine eigene Formensprache und Ausdrucksweise, während er sich diesem gesellschaftlichen Tabu nähert.

Einer der bekanntesten unter ihnen ist Chéri Samba. Aus der Tradition der Schildermaler kommend, erinnern seine humorvollen und naiven, von Comicstrips inspirierten Gemälde an Plakate aus dem Reich der Werbung - vielleicht weil er sich als Werber in eigener Sache sieht. „Ich appelliere an das Gewissen der Menschen, Künstler müssen die Menschen zum Nachdenken anregen“. Durch seine Verhaltensratschläge macht Chéri Samba seine Bilder zu einem Ort der Auseinandersetzung zwischen Privatheit und Öffentlichkeit und fordert sein Publikum auf, das Desinteresse bezüglich AIDS aufzugeben und sich der Wirklichkeit zu stellen.

Sehr viel mythischer und bedrohlicher wirken die Gemälde Lemming Munyoros. Der aus Simbabwe stammende Künstler gibt Sprichworten und Wortspielen in seinen Werken Gestalt. AIDS wird in Afrika gerne durch Tiere symbolisiert. Löwen, Affen und vor allem Schlangen, bedrohlich, gefährlich und angriffslustig in Szene gesetzt – greifen den Menschen an. Wie in bösen Träumen, aus denen es kein Erwachen gibt, bemächtigen sich die Dämonen des menschlichen Körpers. Unentrinnbar ist der Mensch von dieser Krankheit gefangen – ein Entkommen ist nicht möglich. Eine plakative, dynamische Formensprache und kräftige, leuchtende Farben, die kontrastreich nebeneinander gesetzt werden, zeichnen seine Bilder aus.

Ungleich verhaltener, aber nicht weniger eindrucksvoll dagegen sind die Fotos der Südafrikanerin Sue Williamson. Ein biografisches Interesse an AIDS-Kranken und das Nachdenken über ihre Stellung in der afrikanischen Gesellschaft sind Leitmotiv der Serie „From the Inside“. das Persönliche ist politisch - damit greift Sue Williamson einen gesellschaftlichen Anspruch der 1970er Jahre auf, der in den Frauen- und Studentenbewegungen Europas erstmals formuliert wurde. Im neuen Jahrtausend, im Zeitalter von AIDS, ist der Ruf nach Veränderung auch in Afrika gültig. Williamsons stärkste Waffe ist das biografische Element. Wie ein Diptychon wirken Portrait und öffentlicher Raum. Politische Aussagen, in Form von Graffitis erheben die Fotos über das Private des Abgebildeten hinaus. Das Werk der südafrikanischen Künstlerin wirkt weder einschüchternd noch bedrohlich. Vielmehr macht es neugierig und weckt menschliches Interesse. Noch sind die Personen auf den Fotos lebendig, noch sind die Graffitis sichtbar. Das Verschwinden jedoch ist absehbar.

Dem Tod, der Zerstörung, dem Chaos stehen die Installationen Pascale Marthine Tayous nahe. Holzrahmen nehmen Kreuze auf, die aus Abfallprodukten der zivilisierten Gesellschaft bestehen. Das Symbol des Kreuzes, als Markierung, Scheideweg, Entscheidung, aber auch als religiöses Symbol des Leidens und des Todes, lösen beim Betrachter unweigerlich Faszination und Erschrecken aus, ziehen ihn magisch an und verführen zur genauen Beobachtung. Woher kommen die Dinge, was sind das für Gegenstände, warum hat sie der Künstler in dieser Form zusammengestellt? Wie ein Kreuzweg persönlichen Leidens wirken die drei Installationen; Verunsicherung stellt sich ein und wird damit zur persönlichen Auseinandersetzung mit AIDS. Das Unbehagen, das Tayous Installationen auslösen, ist das Unbehagen, das AIDS auslöst. „Fight against AIDS“ nennt der Künstler seine Assemblage und lässt durchblicken, dass er nicht an einen Sieg über die Krankheit glaubt.

Zephania Tshumas Holzskulpturen eröffnen dem Künstler in ihrer deutlichen Aussagestruktur die Möglichkeit, den Zusammenhang von Sexualität und AIDS deutlich und humorvoll darzustellen. Ohne zu moralisieren warnt Tshuma vor den Folgen unkontrollierter Sexualität und weist auf die Verantwortung des Mannes im Zeitalter von AIDS hin. Tshuma spricht die Sprache des Volkes. Weil er in dörflicher Umgebung als einflussreicher Mann lebte, haben seine Skulpturen in der Lebenssituation der Landbevölkerung ihren Ursprung.

Fünf Künstler – ein Thema; fünf verschiedene Wege sich dem Thema „AIDS und Sexualität in der zeitgenössischen Kunst Afrikas“ zu nähern. Fünf Versuche das Thema exemplarisch zu bewältigen stehen für alle afrikanischen Künstler, die das Schweigen brechen und mit Mut, Selbstbewusstsein und Humor die Auseinandersetzung mit der Krankheit provozieren. Fünf Künstler stehen stellvertretend für 20 Kollegen, die sich in dieser Ausstellung auf unterschiedlichste Weise mit AIDS und Sexualität in Afrika auseinandersetzen.

Gastkurator der Ausstellung ist der Tropenmediziner Dr. Kay Schaefer. Neben seinen medizinischen Erfahrungen auf dem Gebiet HIV/AIDS in Afrika ist er ein profunder Kenner der zeitgenössischen afrikanischen Kunst.

Pressetext

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Sexualität und Tod – AIDS in der zeitgenössischen afrikanischen Kunst
Gastkurator: Kay Schaefer

mit Arbeiten von Rotimi Fani-Kayode, Hentie van der Merwe, Lemming Munyoro, Chéri Samba, Pascale Marthine Tayou, Zephania Tshuma, Sue Williamson ...