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Sex 20.07.2019 - 11.08.2019

Eröffnung
Freitag, 19. Juli 2019, 19 Uhr

Die Geschlechlichkeit und geschlechtliche Orientierung sind die Grundlage paarungsbezogenen Verhaltens. Frauen wie Männer stellen sich dar und zur Schau. Die Selfie-Kultur hat dieses Verhalten in die digitale Welt eingeführt. Längst ist aber nicht nur der potentielle Partner gemeint. Der Sexualtrieb hat große Macht über die Menschen. Hormone steuern Gefühle und Abhängigkeiteten. Gebote und Sitten im Umgang damit, Prüderie als Versuch der Kontrolle legen sich oberflächlich über die unkontrollierbaren Abgründe menschlichen Tuns. Die Benachteiligung und Unterdrückung der Frau ist in fast allen Kulturen die Regel. Feministische Bewegungen kämpfen für Parität der Geschlechter. Gegenwärtig hat die digital verbrei-tete Formel #metoo erneut dem Dilemma Ausdruck verliehen. Macht fordert Unterwerfung ein, nicht nur in Einzelfällen. Der verletzende sexuelle Umgang mit Kindern ist heute nicht we-niger geworden. Die Ausstellung zeigt Auseinandersetzungen mit Facetten des Themas.

Im Vortrag von Inge Bell geht es um das große Geschäft mit der Ware Frau. Sie sagt, Prostitution und Frauenhandel seien Männersache. Sexismus, Belästigung, Pornografie, Prostitution, Unterdrückung, Missbrauch, Angst und Gewalt mache Sexu-alität kaputt. Was zwischen Männern und Frauen an positiver Sexualität sein könnte, würde dadurch zerstört, Beziehungen dadurch unmöglich. Sie wünscht sich einen Weg hin zu einem partnerschaftlichen Miteinander.

Man blickt von oben auf Sandra Beckers Video-Installation. Es entsteht die Situation eines Kinderzimmers: Männliche und weibliche Spielfiguren erinnern an die erfahrenen sexistischen Rollenprägungen: Muskulöse Männerkörper und schlanke Frauenkörper. Visuelle Statements der Medienkünstlerin in den Bereichen Video, Fotografie und anderen Medien entstehen aus konkreten Lebenssituationen und Auseinandersetzungen.

Franziska Rutishausers Leuchtkasten-Installation zeigt eine Fotografie in den Farben der rosa Mädchenwelt im kubischen Metallkasten auf langen Beinen. Die Barbie-Puppe des Modelltyps „Schwangerschaft“ hat gerade einen männlichen Nachkommen geboren. Mit hochgereckten Armen und stahlblauen Augen repräsentiert das Spielzeug die Idealvorstel-lung geschlechtlicher Rollenzuweisung. Hinter dem Spielzeug steigt der Atompilz von „Fat boy“ über Hiroshima auf. Die Funk-Meldung des Abwurfs war: It ́s a boy!

Die Arbeit „Anime Doll“ von Sibylle Hoessler zeigt Visualisierungen des Phänomens der Gefühls-Beziehungen zu Algorythmen in Plastikhüllen. Die Unfähigkeit, in der eigenen narzisstischen Blase etwas anderes als kontrollierbaren Service zu ertragen, führt zu einem Markt, der Puppen und KIs für die keimfreie körperliche Befriedigung aller Art von Gefühlen und Vorstellungen anbietet. Die Fotokünstlerin konzipert Werkgruppen, ausgehend von Beobachtungen im Alltag.

Die Fotografie im digitalen Bilderrahmen von Gerd Pilz zeigt zwei goldgelb leuchtende Mobil-telefone in blauweissem Umfeld. Diese Geräte sind zeitgenössische Instrumente zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse wie Aufmerksamkeit, Zugehörigkeit und Zuneigung. Auch sexuelle Bedürfnisse werden über das Mobiltelefon bedient. Hier sind es die Geräte selbst, die in ihrer Positionierung und Aktivität an den sexuellen Akt erinnern.

Die verfremdete, durch grelle Farben und harte Kontraste bestimmte inszenierte Fotografie von Simone Kornfeld deutet auf dunkle Machenschaften, auf menschliche Gebrechlichkeit und Wehrlosigkeit. Eine verhüllte, stark geschminkte Person telefoniert, vor ihr steht ein leerer Rollstuhl und dazwischen ist der Unterleib eines nackten weiblichen Säugling-Puppenkörpers wahrnehmbar.

Im Video „Pas de deux“ von Andrea Sunder-Plassmann stehen eine weibliche und eine männ-liche Figur nackt und gleichwertig nebeneinander, den Betrachtern zugewandt. Die beiden dampfenden Körper sind von Unterkante Nase bis kurz über der Scham vor dunklem Hintergrund zu sehen. Es scheint, als würden die Körper wechselseitig ihre Dämpfe ausstoßen und einziehen. Im Unterschied zu „Breathing“ von Ulay und Marina Abramovic, erfolgt hier das Atmen symbolisch über die Körperdämpfe.

Ute Deutz` Arbeiten „Kitchen Tails“ in Form von Küchenhandtüchern mit aufgedruckten schwarz-weissen weiblichen Akten beziehen sich auf die gesellschaftliche Rollenzuweisung. Aufgestickte anzügliche Sprüche in Farbe wie „If you play my instrument I will be the conductor“ bilden dazu den Kontrapunkt, indem die Frau sich als sexuell Bestimmende äussert. Die Objekte und Installati-onen der Konzeptkünstlerin verfolgen über Jahre sozialpolitische Themen.

Die Malerei von Peter Schlangenbader lebt durch gestische Pinselstriche und Vermischen bunter Farben auf der Leinwand. Eine über das Bild etwas hinausragende Figur zeigt zwei kugelige Brüste auf der Höhe der beiden aus dem Bild hinaus gebreiteten Arme und direkt darunter einen bunten Penis mit Hode, der bis fast zu den Knöcheln hängt. Wenn man sich an Vitruvs Lehre des wohl geformten Körpers (homo bene figuratus) erinnert und an Leonardo da Vincis Visualisierung davon, so ist hier ein Gegenbild geschaffen, welches nicht minder selbstbewusst dem Menschen jegliche Idealform und eindeutige geschlechtliche Definition abspricht.

Michael Augustinski erweitert Ovids Liebeskunst um den Begriff pórnē (altgriechisch Hure). Das expressive Werk zeigt eine weibliche Hauptfigur, die dem Betrachter offen ihre Scham präsentiert. Der Blick der rauchenden Repräsentantin käuflicher Liebe schweift in die Weite. In der Unbekleidetheit seiner Figuren zeigt der Maler und Grafiker die existentielle, dünnhäutige Seite menschlichen Strebens.

Die kolorierte Radierung „Der Hausfreund“ von Inge H. Schmidt zeigt zwei angedeutete Figuren in einem dunklen Raum. Die vordere Figur, kniend auf die Hände aufgestützt, erinnert an Pier Paolo Pasolinis „120 Tage von Sodom“ und die hintere scheint wie über der vorderen zu schweben, als ob sie ein Geist und Sexualität hier mit Bösem und Gefährlichem verbunden wäre. Die Malerin, Zeichnerin und Grafikerin erschafft abstrahiert figürliche Bilder, die oft Grenzsetzung und -über-schreitung in Sex, Eros und Sinnlichkeit thematisieren.

Die leicht abstrahiert expressiv gegenständliche Malerei auf Papier von Klaus Kossak zeigt eine jugendliche menschliche Figur mit Bubikopf und sinnierend gesenkten großen Augen, zurückge-beugt aufgestützt an einer Balustrade. Die rechte Hand mit weissen Fingernägeln streicht über den prallen entblößten roten Bauch und schiebt den Pullover nach oben. Ob der Junge oder das Mädchen aus dem Hafen sich anbietet oder schwanger ist?

Die Fotografien von Jürgen Baumann sind Abbildungen der Münder von singenden Chormitglie-dern der Regensburger Domspatzen, die jahrelang schwiegen oder nicht erhört wurden, wenn sie über den Missbrauch sprachen. Der Fotograf fügt in seinen Tableau-Kompositionen unterschied-liche Ansichten zusammen, um das Motiv in Facetten zu analysieren.

Als Bild ist eine teils bemalte und teils mit applizierten Gegenständen bestückte Platte im Sinn einer Tischoberfläche von Karla Woisnitza an die Wand gehängt. Ein gemalter Teller und ihm versetzt gegenüber eine braunrote rechte Hand mit 4 Fingern sind zu sehen. Der Ringfinger liegt quer auf dem Teller als einzige Speise. Mit dem Titel „Einladung zum Essen“ wird mit schwarzem Humor auf den Seelen-Kannibalismus zwischen den Geschlechtern hingewiesen.

Mit sinnlichem Vergnügen wird „Susanna im Bade“ in ihrem Tun von H.H. Zwanzig beobachtet und dichterisch sowie fotografisch festgehalten. Sarkastisch endet die Schilderung von Telefonsex (Einer Rief AN) und nüchtern liegt der Blick auf dem einzelgängerischen Exemplar der Spezies Mensch (AN DIE FRAUEN). Die hier ausgestellten Gedichte des konzeptuellen Künstlers sind wie seine Bilder schlicht und ironisch mehrschichtig.

Durch das Rakeln von dick aufgetragenen Farben vereinigen sich diese zu flächigen Mischtönen. Darauf vollzieht die malende Hand von Larissa Nod mit schmalen Pinseln und Pinselstielen Linien aus weisser Farbe und ausgekratzen Spuren. Konturen wie z. Bsp. von zwei Figuren oder auch von einem Penis zwischen Scheidewänden vermitteln den sexuellen Akt intuitiv. Die Malerin verfolgt ihren ganz eigenen Weg radikal expressiver Malerei.

Der Holzschnitt von Ute Faber erinnert in sinnlichen Farben an Körperlichkeit. Ohne gegenständlich zu sein, kann dieses lange rot-gelbe Landschaftsformat an einen liegenden Körper erinnern. Die Malerin, Skulpteurin und Drucktechnikerin bedient sich fantasievoll abstrakt expressiver Farbflä-chengestaltung, Collage, Assemblage und figurativer Grafik.

In großem Bogen angelegt zieht eine weich verlaufende dunkelgraue Fläche den Blick in die Tiefe des Bildes von Susanne Knaack, währenddem hellere Grautöne darüber und kleinteilig gekräu-selte gespritzte Formen nach vorne treten. Die Farben Schwarz und Weiss fliessen durch Bewe-gungen der Leinwand ineinander, vermischen sich kontrastvoll oder in verlaufenden Grautönen. Das Porträtformat verweist auf die sinnlichen menschlichen Empfindungsverläufe einer inneren Landschaft.

Jens Reulecke realisierte die Installation eines Schreins, der aus einer Kleid ähnlichen Konstruktion und transparenten, mit Rosenmotiven bedruckten Folien besteht. Über dessen Spitze ist das Por-traitfoto einer jungen Frau montiert, die verführerisch aus undefinierter Dunkelheit herausschaut. Was hier anklingt, ist die Ambivalenz zwischen Offenheit und verbergen, Verführung und verführt werden. Verteilt im Raum sind Collagen aus bedruckten Folien und bemalten Fotografien, die einen spärlich bekleideten Mann zeigen, der im Kampf mit sich selbst zu sein scheint. Denn sich zu verlieren, führt zur Erfahrung des Selbstverlustes als zerstörerischer Zug der Erotik. Zitate aus Baudelaires Werk „Les Fleurs du Mal / Die Blumen des Bösen“ ergänzen die Szene, sind Untersuchungen erotischer Abgründe und sexueller Energien.