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PARALLALPROGRAMM

Freitag, 18. Januar 2019, 17–20 Uhr

Auftaktveranstaltung der SEX Diskussionen
Mit Vorträgen von Eva Laquièze-Waniek und Elisabeth von Samsonow und einer Performance von Liad Hussein Kantorowicz

DIE VERANSTALTUNGSREIHE

SEX DISKUSSIONEN ist eine Veranstaltungsreihe, die von der Ausstellung SEX ihren Ausgang nimmt und sich in vielen Kapiteln über das gesamte Jahr im TAXISPALAIS entfalten wird. Die Fragen betreffen:

SEX & ONTOLOGIE: Sex ist nicht nur der ersehnte Ort einer Intimität, welche dem Subjekt das versprochene Hochgefühl bereitstellt, sondern die vertikal gebaute Achse, um die sich alles dreht: das Ich und das Nicht-Ich. Sex ist also nicht am Sein, sondern im Sein, wenn nicht das Sein selbst, das es ganz, nämlich im Widerspruch, ausspricht. Der dem Sex innewohnende Widerspruch zwischen Wissen (als Sublimierung?) und Sex markiert zugleich ihre Ähnlichkeitsbeziehung. Worin besteht die Eigentümlichkeit des Sprechens/Wissens, wenn es sich auf eine andere Eigentümlichkeit, die des Sex, bezieht? In unserem pharmapornographischen Jahrhundert erscheint Sex als das zentrale Dispositiv der Macht. Wie ist im Spiel der molekularen Dynamiken ein Joker einzusetzen? Welcher Komplott von postnatürlichen Kontaminationen erlaubt, eine subversive Lustpraxis zu erobern?

SEX & ÖKONOMIE: Die Frage nach der Energie führt direkt in die Ökonomie des Sex. Wer hat wieviel Energie und wofür wird sie verwendet? Ist unsere Welt post-orgastisch oder sogar anti-orgastisch? Der Rest an Natur am Sex wäre doch sein Eingebettetsein in ein „transpersonales“ Fluidum, welches sich in Entladungswünschen äußert. Bedeutet der Umstand, dass Sex Arbeit sein kann, die Paradoxie des Sex läuft nicht nur über das Ich-Du-Problem und die Spaltung zwischen Subjekt und Objekt, sondern bringt auch ein Drittes hervor? Ein Drittes, das Singular, Dual und Plural in Beziehung zueinander setzt? Wie verhalten sich die revolutionären Gesten der Autonomisierung als politische kollektive Praxis/Praxis der Kollektivierung zum Sex? Welchen Widerspruch gibt uns Sexarbeit auf zu denken? Wie verhalten sich sexuelle Ökonomien zur Figur des Kolonialismus?

ORGASMUS & AFFEKT: Zwischen Distanz und Distanzlosigkeit oder Verschmelzung verknüpft Sex alle Möglichkeiten sinnlicher Erfahrung. Der Vorrang des Auges, das optische Paradigma, wird eingeebnet durch Geruchssinn, Tastsinn, Geschmack und den Hörsinn – die Sekundärsinne triumphieren. Am Nullpunkt des „organlosen Körpers“ scheint sich das orgasmusfähige Ganze zu regenerieren. Ist die Orgasmusfähigkeit an sich ein Faktor, der das dazu fähige Wesen lustvoll im Sein hält? Wie ist die Beziehung zwischen Affekt und Orgasmus zu denken – bedingen sie einander, sind sie einander ähnlich oder funktionieren sie anders? Welche Entladungsmechanismen kennzeichnen sie und welche Entladungen gehören zur Gruppe der Orgasmen?

Konzipiert von Elisabeth von Samsonow und Nina Tabassomi in Zusammenarbeit mit Andreas Oberprantacher und Kordula Schnegg von der Universität Innsbruck.

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DER AUFTAKT
Freitag, 18. Januar, 17–20 Uhr

Vortrag der Philosophin EVA LAQUIÈZE-WANIEK
Das Sexuale: Zwischen Lust, Verlust und Sublimierung (in deutscher Sprache)
Ausgehend von der Frage, ob das Geschlecht dem Subjekt oder das Subjekt dem Geschlecht gehört, soll die Aufmerksamkeit (mit Lacan und Freud) auf die strukturellen Voraussetzungen der Sexuierung gerichtet werden. Dies soll dazu beitragen, die Verbindungen von Lust und Verlust des Subjekts im Verhältnis zum Anderen und zur Gesellschaft sichtbar zu machen, nicht zuletzt um damit die Möglichkeiten der Sublimierung ins Auge fassen zu können.

Vortrag der Philosophin und Künstlerin ELISABETH VON SAMSONOW_
Das Ende der Spaltung? Sex als Erkenntnisform (in deutscher Sprache)
In einem kulturhistorischen Rundumschlag wird der Frage nachgegangen, inwiefern Sex zur spirituellen Erkenntnisquelle geraten kann. Ausgehend von dem in den 1970er Jahren gegründeten Hexenkonvent von Zsuzsanna Budapest und ihrer Erforschung von Sex unter dem Vorzeichen der Göttlichkeit des weiblichen Körpers wird eruiert, welche Form der radikalen Aufhebung von Trennung, Entfremdung und Passivisierung wir von dieser Aktion in die Gegenwart transportieren können.

Performance der Aktivistin und Performance-Künstlerin LIAD HUSSEIN KANTOROWICZ__Pussy (in englischer Sprache)
Diese Performance handelt nicht nur von der Muschi. Aber es geht die ganze Zeit um die Muschi.
Können wir unsere Muschis einsetzen, um uns der gegenwärtigen Weltordnung zu widersetzen? Wir schreiben 2019 und die Muschi ist immer noch ein Hauptaustragungsort der Diskriminierungen gegen Frauen. Die Performance fragt: Sollten wir unsere Muschis ins Zentrum stellen und von dort den Widerstand organisieren? Oder sollten wir sie im Widerstand lieber de-zentralisieren – in der Hoffnung, dass dies unsere Festschreibung aufs Frauensein zu untergraben vermag? Inspiriert von Carolee Schneemanns „Interior Scroll“ und thailändischen Ping Pong Shows collagiert die Inszenierung Lecture Peformance-Texte mit einem sehr nackten Körper, mit Choreographie, Lippenstift, Live Musik, Drag und natürlich – Muschi. Während der Performance wird Liad Hussein Kantorowicz zwei neue Songs zum ersten Mal in Österreich vorstellen, die sie mit ihrem musikalischen Partner Hanno Stecher aka Kalpour realisiert hat.

Die nächsten Veranstaltungen

Freitag, 25. Januar, 17 Uhr: Künstler_ingespräch und Vortrag Ashley Hans Scheirl und Em Schwarzwald

Dienstag, 12. Februar, 18.30 Uhr: Vortrag Marie-Luise Angerer

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AUSSTELLUNG

SEX
05.10.2018 - 27.01.2019
Eröffnung: Do, 04.10.2018 19:00 Uhr

Sarah Decristoforo, Fabiana Faleiros, Alex Martinis Roe, Elisabeth von Samsonow, Ashley Hans Scheirl

Sex fällt mit unserem Sein zusammen. Der sexuelle Akt gilt als intim und lässt zugleich das Öffentliche im persönlichen Raum kulminieren: als singuläre Ausformulierung und Aktualisierung von Politik, als Kommunikation, als Austragungsort von Lust und Fantasie, Reproduktion und Gewalt.

Wie Sex ist auch Kunst paradoxal verfasst, agiert in Widersprüchen, Zwischenräumen und Gegensätzen. Beide sind sie Kompliz_innen des Wissens und gleichzeitig Produzent_innen eines sinnlichen Überschusses, der sich den Kategorien des Wissens widersetzt.

Erlaubt uns eine Allianz aus Kunst und Sex, eingeübte Infrastrukturen von Erregung, Entzug, Lust und ihrer Entladung umzustricken? Können wir mit Kunst eine zukünftige Grammatik des Sex fantasieren, in der die ausagierte Aggression der Lust nicht der Konsolidierung von Gewaltverhältnissen dient?

Die zum Großteil eigens für die Ausstellung entstandenen Arbeiten von Sarah Decristoforo, Fabiana Faleiros, Alex Martinis Roe, Elisabeth von Samsonow und Ashley Hans Scheirl bringen in Zeichnung, Skulptur, Video, Sound und Installation nicht-normative Experimente von Sex hervor.

Welche Verbildlichungen, Verkörperungen, Apparaturen, Settings, Texte und Tutorials vermögen eine sexuelle Ökonomie zu antizipieren, die von exzessivem Tausch und radikaler Solidarität geprägt ist? Wie können wir die Drehbücher unserer sexuellen Identitäten wirksam lektorieren? Welche Rolle spielen dabei Prothesen und Hormone, Zitate und Yoga, Verschwendung und Verausgabung, die Klitoris und digitale Interfaces?

Kuratiert von Nina Tabassomi