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Das britische Militär beschäftigt noch heute Maler, die Schlachtengemälde in Öl auf Leinwand ausführen. Wahrscheinlich soll damit den flüchtigen Nachrichtenbildern etwas Dauerhaftes entgegengesetzt werden. Das Ereignis – zuletzt der Krieg gegen den Irak – soll gewürdigt werden mit einem Bild, dem eine geistige Auseinandersetzung vorausgeht und das ein nicht alltägliches handwerkliches Können erfordert.

Handwerkliches Können und geistige Auseinandersetzung erfordert auch die Herstellung von Animationen, die in Computerspielen Verwendung finden. Der Kriegsschauplatz Vietnam ist schon längst Bildwelt des Computerspiels geworden. Die Ikonografie der Darstellung wurde von den vielen hundert Vietnam-Kriegsfilmen geprägt. Im Falle des Irak haben Dienststellen der US-Armee Datensätze an die Spiele-Industrie geliefert. Offensichtlich ist heute das Computerspiel das Leitmedium, von dem die kollektive Vorstellung geprägt wird. Die Landschaften mit ihren Wüsten und Palmen, ihren Betonpisten und Strommasten, auch mit den Hussein-Statuen prägen sich heute einem Kind ein wie einmal die Bergdörfer, deren Bausätze Zubehör der Spielzeug-Eisenbahn waren. Die unübersichtlichen irakischen Städte mit ihren Gässchen voller Beton-Bungalows, von deren Dachterrassen die Heckenschützen feuern, werden die Fernsehbilder von diesem Krieg in der Erinnerung überdauern. Wenn die Spieler von heute sterben, in fünfzig, sechzig Jahren, werden sie nicht, wie Citizen Kane, an einen Schlitten denken, sondern an eine verschleierte Frau, die in einer solchen Spiel-Stadt vorbeigekommen ist.

Die Armee beliefert die Spiele-Industrie – die Armee macht auch von den Ausarbeitungen der Spiele-Industrie Gebrauch. Das Institute for Creative Technology in Kalifornien hat eine besondere Methode zur Therapie traumatisierter Irak-Soldaten entwickelt. Der Patient bekommt einen Helm aufgesetzt, in dem ihm in 3D eine Szene aus dem Irak vorgespielt wird. Er hört dazu Geräusche und riecht Gerüche, etwa den von verbranntem Haar. Der Patient soll in das, was er im Krieg erlebte, tief eintauchen – Immersion. Er soll das Trauma verarbeiten und sich der Ur-Szene, von der es verursacht wurde, bewusst werden. Statt sie zu verdrängen.

Auch wenn sie mit digitalen Kameras aufgenommen werden, das Fernsehen und die Zeitungen zeigen noch immer Reproduktionen des Realen. Vielleicht nur noch, weil ein Computerbild oder eine Computer-Animation nicht an einem Tag herzustellen ist. Computer-Animationen sind eine neue Bildsorte. Vor ein paar Jahren sah man ihnen noch an, dass sie mit groben Mitteln der fotografisch-filmischen Aufnahme nachstrebten. Inzwischen haben sie das einstige Vorbild hinter sich gelassen. Wenn ihnen ein paar Details fehlen, so gilt das nicht länger als Mangel. Man sieht in ihnen eine idealtypische Darstellung des Realen. Sie kommen aus dem Rechner und dieser ist so sehr zum Standard geworden wie vor hundert Jahren die industrielle Maschine. Eine Computeranimation wirft heute einer gefilmten Aufnahme vor, überflüssige Einzelheiten aufzuweisen, so wie ein Industrieprodukt ein Vorwurf an die Unregelmäßigkeit eines handwerklichen Gegenstand ist. Dass man bei diesen Rechner-Bildern den Bildausschnitt und Kamera-Standpunkt wechseln kann, dass die Darstellung eines Soldaten oder Kämpfers schießen kann und erschossen werden kann, das wird den Verlust des nachweislichen Bezugs aufs Tatsächliche wohl aufwiegen. Insofern sind die Computer-Bilder vom Kriegsschauplatz Irak die zeitgemäße Darstellung. Auf den ersten Blick sieht das aus wie ein Kinderspiel. Wenn wir sehen, wie diese Bilder dazu taugen, den Schrecken des Krieges zu erinnern, wird aus dem Spiel großer Ernst. Offensichtlich passt sich die Seelenmechanik der traumatisierten Soldaten den Regeln dieser ernsten Spiele an.

In den Kriegen des 20. Jahrhunderts entwickelten sich die Medien mit den Waffen. Kriegstechniken wie drahtlose Nachrichtenübertragung und Luftfotografie im 1. Weltkrieg, Stereo-Ton, Ultra-Kurzwelle und elektronische Kamera im 2. Weltkrieg wurden später im Zivilleben konstitutive Elemente der Unterhaltungs-Industrie. Der Vietnam-Krieg war in den Medien gegenwärtig wie kein Krieg zuvor. Dabei war die Aufnahmetechnik nicht neu – 16mm-Film und Direktton – neu war die Übermittlung der Bilder über Satellit, mit der es möglich wurde, Bildberichte ein paar Stunden oder sogar nur Minuten nach der Aufnahme in den USA und anderswo im Fernsehen auszustrahlen. Im Krieg der Alliierten gegen den Irak, 1992, fiel die Kriegsführung mit der Berichterstattung oft zusammen: im zivilen Fernsehen wurden Bilder gezeigt, die kurz zuvor auf den militärischen Kontroll-Monitoren zusehen gewesen waren. Bilder der Aufklärung aus der Luft oder solche, die von einer Kamera im Projektil aufgenommen waren, das sich ins Ziel stürzte. Dass operative Bilder zu Nachrichtenbildern werden, ist heute geläufig; so im Fall des bombardierten Tanklastzuges bei Kunduz, am 4.9.2009. Das Aufkommen neuer Bildsorten wurde während der letzten zwei Jahrzehnte von Film und bildender Kunst oft aufgegriffen. Das wurde in Ausstellungsprojekten mit vorwiegend aktuellen Werken internationaler Künstler wie M_ARS. Kunst und Krieg der Neuen Galerie Graz (2003)und Attack! Kunst und Krieg in den Zeiten der Medien der Kunsthalle Wien (2003) dokumentiert.

Wir nehmen uns mit unserer Ausstellung vor, die Konversion von Kriegsbildern zu Unterhaltungsbildern zu untersuchen und damit die Militarisierung der Imagination. Anders als bei den genannten Überblicksausstellungen geht es uns nicht so sehr darum, wie der Krieg in der zeitgenössischen Kunst repräsentiert wird, sondern darum, welche Bilder der Krieg erzeugt, und wie diese vom Kunstsystem aufgegriffen werden – oder was dem entgegengestellt wird. Mit welchen Bildsorten werden, über welche künstlerischen Verfahren, Kriegserfahrungen evoziert bzw. darstellbar gemacht?

Wir wollen Werke miteinander in Bezug setzen, die ihrerseits bei der Thematisierung von Krieg und Gewalt die Frage des Bildes medienreflexiv mitthematisieren. Ob wir es auch im Kunstbereich mit einem Abschwung des Realbildes und einem Aufschwung des Animationsbildes zu tun haben, das gilt es herauszufinden. Im Zuge unserer Recherchen sind wir jedenfalls auf eine Vielzahl von überaus interessanten und bedenkenswerten Arbeiten gestoßen. Entsprechend der jeweiligen raum- und landesspezifischen Umstände wollen wir aus diesem Pool von Positionen verschiedene Varianten der Ausstellung zusammenstellen. Wir denken auch daran, die Ausstellung mit diskursiven Rahmenprogrammen zu begleiten. (Panel „Kunst – Krieg – Medien“, Filmreihe).

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SERIOUS GAMES - Krieg – Medien – Kunst
Kuratoren: Antje Ehmann, Harun Farocki

Künstler: Peggy Ahwesh, Oliver van den Berg, Wafaa Bilal, Adam Broomberg & Oliver Chanarin, Alice Creischer & Andreas Siekmann, Gregory Cumins, Antje Ehmann, Kota Ezawa, Ingo Günther, Richard Hamilton, Harun Farocki, Jean-Luc Godard, William E. Jones, Lamia Joreige, Basim Magdy, Walid Ra´ad / The Atlas Group, Martha Rosler, Allan Sekula, Wael Shawky, John Smith, Hito Steyerl, Fazal Sheikh.