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Das Reisen und das Erleben fremder Länder ist für viele Künstler eine wichtige Erfahrung, die sie im Medium des Bildes reflektieren, und die nicht selten auch ihre Kunst tiefgreifend und nachhaltig verändert. Man denke etwa - um einige historische Beispiele zu nennen - an Dürer, Van Gogh, Macke oder Klee. Heute, im Zeitalter des weltumspannenden Tourismus und globaler Kommunikation, scheint die Erfahrung des Reisens und des Fremden zwar viel an Authentizität und Unmittelbarkeit verloren zu haben, dennoch bildet sie noch immer eine wesentliche Konstante menschlicher und künstlerischer Erfahrung. Wie sich diese in der künstlerischen Praxis niederschlägt, zeigt die Ausstellung am Beispiel von zwei Künstlern: dem Heidenheimer Maler und Graphiker Hans Schweiger und seiner Tochter, der Berliner Konzeptkünstlerin Michaela Schweiger.

Obwohl verwandt, könnte der Umgang beider Künstler mit der Erfahrung des Reisens kaum unterschiedlicher sein. Hans Schweiger verarbeitet seine Reisen in die Länder des Mittelmeerraumes im traditionellen Medium des gemalten Bildes, wobei er sich in Haltung und Stil an der klassischen Moderne orientiert. Michaela Schweiger reist dagegen im Internet und chatet (spricht) mit Fremden über ihr Heimatland. Verschiedenartig dokumentiert - als Chats im Computer, als verfilmte Dialoge auf Video und als gemalte Weltkarte - entwirft sie so ein elektronisch gewonnenes und medial vermitteltes Bild der Welt, das in spannendem Kontrast zur subjektiv erlebten und individuell gemalten Bilderwelt ihres Vater steht.

Fra Mauro, ein Mönch, der nahezu sein ganzes Leben hinter Klostermauern verbracht hat, verfolgte das Ziel eine Karte der Welt, seine mappa mundi, zu entwerfen. Es sind Kaufleute, Missionare und Abenteurer, die ihn nach ihren Reisen in seiner stillen Zelle aufsuchen, um ihn mit Informationen zu beliefern.

Ich setze das Bild des Mönches, der im 16 Jahrhundert lebte, mit der Situation zu Hause am Computer zu sitzen und mit der Welt Kontakt aufzunehmen, gleich. Ich selbst trete an die Stelle des Mönches. Durch Gespräche in chats und virtuellen Städten versuche ich Informationen aus der ganzen Welt zu erhalten.

Für die Installation wird ein Raum im Raum erstellt. Auf dessen Wände, Decke und Fußboden ist ein Globus projiziert . Von diesem, die Weltvorstellung prägenden Umriss ausgehend, werden alle "bereisten" Länder farbig angelegt. Aus den Informationen die ich aus den Gesprächen in der digitalen Welt erhalte wird ein analoges Weltbild in Form von Zeichnungen entwickelt. Die noch nicht erkundeten Gebiete bleiben "weiße Flecken". In der "Zelle" befindet sich ein Computer auf dem sich ein Archiv der Gespräche befindet, sowie ein Videomonitor auf dem einige exemplarisch bearbeitete chats zu sehen sind.

Das Archiv beinhaltet das gesamte Gesprächsmaterial. Dies ist nach unterschiedlichen Kriterien geordnet. Die Art der Ordnung ist gleichzeitig eine statistische Darstellung .

In den Videos werden Dialoge aus der virtuellen Welt in die analoge Welt versetzt. Durch diese Visualisierung und Personalisierung wird eine Kontextverschiebung erzeugt, die Fragen nach Herkunft, Geschlecht, Alter und Identität hervorruft.

UNTERWEGS 2000 (video: the passenger) Um eine Wohnzimmereinrichtung wird eine Strassenlandschaft installiert. Die Strasse scheint einem Fernsehbild zu entspringen. Es entsteht ein Fiction-szenario, beruhend auf der Vorstellung, die über Kabel ins Haus gekommen Bilder könnten den Fernseher verlassen.

Zimmerpflanzen werden Teil der Modelllandschaft. Sie besitzen ihre reale Größe und erfahren gleichzeitig eine modellhafte Maßstabsverkleinerung. Die Möbel sind Sitzgelegenheit, aber auch Elemente der verkleinerten Landschaft. Die medialen, gebauten und realen Elemente gehen eine Symbiose ein. Um das Sofa herum sind drei unterschiedliche Videos plaziert.

Ein Video zeigt einen Loop aus dem Film "easy-rider". Die Kameraperspektive dieses Ausschnittes ist die eines Fahrers, der aus einer Kurve in eine Gerade fährt. Die Strasse des medialen Bildes bewegt sich scheinbar zu der gebauten, starren Strasse hin.

In dem zweiten - dem Sofa zugewandten - Video wird der Film " the passenger" (Beruf: Reporter) von Michelangelo Antonioni von fünf Personen aus unterschiedlichen Kontinenten erzählt. Aus fünf Beschreibungen der unterschiedlichen Personen wurde eine lineare Erzählung zusammengeschnitten. Bedingt durch die fünf Sprecher wird das Geschehen von unterschiedlichen Gesichtspunkten aus berichtet.Antonionis Film "the passenger" basiert in erster Linie auf den Bildern des Filmes. Der Hauptdarsteller unternimmt in diesem Film den Versuch seine Identität - und damit seinen Standpunkt - zu wechseln.

Die Bilderflut des dritten Videos ist das Ergebnis eines Selbstversuches, 24 Stunden lang vor dem Fernseher zu sitzen, um auf allen mir verfügbaren Kanälen nach Bildern anderer Länder zu suchen. Der Anfang der Recherche war am 27. Juni um 20 Uhr zu Beginn der Tagesschau. Die Suche endete am 28. Juni um 20 Uhr mit der Tagesschau.

Pressetext

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Schweiger & Schweiger
Hans Schweiger, Michaela Schweiger