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Das Kunstmuseum Wolfsburg zeigt seine Sammlung immer wieder in neuen Konstellationen. Dieses Alternativmodell zur Dauerpräsentation ermöglicht es dem Besucher, Werke der Sammlung stets in neuen, überraschenden Zusammenhängen und Korrespondenzen zu anderen Arbeiten zu entdecken. In der diesjährigen Sommerausstellung lädt das Kunstmuseum Wolfsburg zu einer Sammlungspräsentation, die erstmals seit der Jubiläumsausstellung im Jahre 2009 wieder in der rund 2000 Quadratmeter großen Halle stattfindet.

Diesmal werden diejenigen Leitmotive miteinander verschränkt, die für den Aufbau der Sammlung maßgeblich waren. Hier sind jene Themenkreise angesprochen, die für die künstlerische Auseinandersetzung mit Fragen unserer hoch technisierten Gesellschaft relevant sind: Natur, Technik, Kommunikation und Massenkultur im Wechselspiel mit Geist und Körper. Im Zentrum dieser Motive steht also immer der Mensch – in der Auseinandersetzung mit sich selbst wie mit seiner Umgebung und seine Suche nach Orientierung in der Welt. Letztlich ist es die Frage nach der Conditio Humana, die die genannten Themenkreise miteinander verbindet.

Um dem Anspruch dieses Museums gerecht zu werden, ein Forum für die Auseinandersetzung mit der Gegenwart und deren Beziehung zur Geschichte zu sein, wurden die thematischen Prämissen für den Aufbau der Sammlung so flexibel gehalten, dass aktuellen Fragestellungen gegenüber eine große Offenheit gewahrt bleibt. Seit 2006 ist es vor allem die Frage nach der Moderne im 21. Jahrhundert, die in den Fokus des Ausstellungsprogramms, aber auch der Sammlung gerückt ist. Dabei spielte und spielt die Reflexion der Wahrnehmung eine zentrale Rolle. Ein methodisches Leitbild dieser Schwerpunktsetzung ist das dialogische Prinzip.

Für den Besuch in der Ausstellung bedeutet dies, dass die Werke der Sammlung stets verschieden miteinander in Beziehung gesetzt werden, so dass immer wieder neue inhaltliche Verbindungen zwischen ihnen aufscheinen. So erwarten die Besucher u.a. frühe Arbeiten von Gilbert & George, in Bezug gesetzt zu den Film Stills (1977-1980) von Cindy Sherman: Beide Werkgruppen eint die Auseinandersetzung mit der eigenen Person; in der existenziellen Selbstbefragung wie im variantenreichen Rollenspiel. Die Porträts von Elizabeth Peyton richten hingegen den Blick auf das idealisierte Gegenüber, während Thomas Schüttes Große Geister einen surreal anmutenden Dialog mit seinen United Enemies führen.

Die abstrakte Struktur der ausgreifenden Bodeninstallation Uncarved Blocks (1976) von Carl Andre korrespondiert mit der Form eines alltäglichen Gebrauchsobjektes, dem ersten Chair (1963) Richard Artschwagers wie auch mit den Perspektivfotografien von Jan Dibbets und Fotografien von Andreas Gursky. Das Bedürfnis nach Orientierung im Raum teilen diese Werke mit den Arbeiten Stanley Brouwns, der die Welt mit seinen eigenen Körpermaßen vermißt.

Der menschliche Körper steht auch im Mittelpunkt der Arbeiten von Bruce Nauman: In Ten Heads Circle (1990) zeigt sich die Beziehungsunfähigkeit unserer Gesellschaft im Zeitalter der High Tech- Kommunikation, die auch Thema der Videoinstallation Create Problems (1999) von Christian Jankowski ist. Die anonyme Struktur der modernen Städte, welche die Matrix für dieses Geschehen bilden, spiegelt sich in den Fassadenbildern von Sarah Morris und Eberhard Havekost. Eine Plattform für die Auseinandersetzung mit dem Bildverständnis der Moderne bieten die Gemälde Helmut Federles sowie die Gegenüberstellung der auf Aluminium gemalten Großformate Gary Humes mit den Neuerwerbungen der Stoffbilder Sergej Jensens.

Die Beschleunigung der Konsum- und Kommunikationsgesellschaft wird in den Videoarbeiten von Daniel Pflumm zum Thema: Der rasende Stillstand offenbart sich in den hintereinander geschnittenen Pausen der CNN-Interviews, die durch die Satellitentechnik bedingt sind. In Hussein Chalayans Place to Passage (2003) verspricht uns hingegen die fliegende Kapsel den ultimativen Transfer von einem Kontinent zum anderen. Aber auch auf die Frage, was Künstler machen, wenn sie keine Kunst machen, findet sich in dieser Ausstellung eine Antwort: Seit langem ist die Biennale-Arbeit (1995) des Schweizer Künstler-Duos Peter Fischli und David Weiss wieder zu sehen, in der sich der Besucher ganz entspannt der fesselnden Banalität des Alltags überlassen kann.

In die Präsentation wird auch die neueste Erwerbung einbezogen, die durch den Freundeskreis des Kunstmuseums ermöglicht wurde: In Julius Popps bit.fall (2001-2006) ist es die Informationsflut des Alltags, die den Besucher einholt und nicht wieder loslässt. In dieser auch technologisch versierten Arbeit wird herabfallendes Wasser derart gesteuert, dass die Tropfen sich zu Schriftbildern zusammensetzen und so für Sekundenbruchteile einzelne Worte aus den Tagesnachrichten in der Luft stehen, die sich aber sofort wieder im freien Fall auflösen und durch neue ersetzt werden.

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Sammlung Kunstmuseum Wolfsburg
Ausgewählte Werke von Carl Andre bis Sergej Jensen
Kurator: Markus Brüderlin

Künstler: Franz Ackermann, Carl Andre, Richard Artschwager, Stanley Brouwn, Hussein Chalayan, Tony Cragg, Jan Dibbets, Helmut Federle, Fischli / Weiss, Gilbert & George, Andreas Gursky, Eberhard Havekost, Gary Hill, Gary Hume, Christian Jankowski, Sergej Jensen, Anselm Kiefer, Maix Mayer, Mario Merz, Sarah Morris, Bruce Nauman, Elizabeth Peyton, Daniel Pflumm, Julius Popp, Neo Rauch, Thomas Schütte, Cindy Sherman, Beat Streuli, Philip Taaffe, Luc Tuymans, James Welling