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Ryan Gander. The 500 Million Year Collaboration
19.10.2019 - 08.12.2019

Der Titel, den Ryan Gander für seine Ausstellung wählt, behauptet eine unvorstellbare zeitliche Dimension. Eine Zusammenarbeit über 500 Millionen Jahre? Zwischen Mensch und Erde? Handelt es sich um einen Blick in die Vergangenheit oder in die Zukunft? «Stein auf Stein auf gefallenen Stein» liess Lawrence Weiner 1983 auf das Gebäude der Kunsthalle schreiben. Die hundert geschichtsträchtigen Jahre der Kunsthalle Bern scheinen in Anbetracht solcher Dimensionen ein Nichts.

Ryan Gander scheut es selten, in seiner künstlerischen Praxis universelle Themen aufzugreifen. Viele der in The 500 Million Year Collaboration gezeigten Arbeiten drehen sich um Vorstellungen von Zeit und die Wahrnehmung des Selbst. Es handelt sich um die bisher umfassendste institutionelle Ausstellung des Künstlers, in der vor allem neue oder noch kaum gezeigte Arbeiten miteinander in Bezug gebracht werden. Zu sehen sind etwa Skulpturen seiner Serie Potent motif of ambition (Dramaturgical framework for structure and stability), die er 2018 begonnen hat. Bei ihren Protagonist*innen handelt es sich um lebensgrosse skelettartige Figuren aus Metall, die verschiedene Posen einnehmen. Obgleich sie aufgrund ihrer technoiden Erscheinung wie Roboter wirken, scheint ihr Ursprung eher das Strichmännchen zu sein. Sie erstaunen, denn sie bringen Gefühle zum Ausdruck, ohne über Gesichter und Mimik zu verfügen, alleine durch ihre unterschiedlichen Haltungen. Ebenfalls Teil der Ausstellung ist eine Reihe Tuschezeichnungen mit dem Titel Embrace your mistakes… your mistakes are the markers of your time (2019). Gander hat auf jedem Bild versucht, mit Kalligraphie-Tinte den flüchtigen Moment festzuhalten, in welchem die Flamme einer Kerze erlischt. Mit der traditionellen Tuschetechnik, die Präzision verlangt, lässt sich dieser Bruchteil von Zeit, in der Mitte zwischen Flamme und Rauch, kaum festhalten. Diesem Atemzug des schier Unmöglichen stellte sich Gander unbeirrt, denn es ist doch meist nicht das Fehlerlose, das zu fesselnden Ergebnissen führt.

Gander macht es einem Publikum, das Künstler und Werke auf eine klar benennbare künstlerische Identität kondensieren möchte, nicht leicht. Sein Schaffen lässt sich auf keinen Stil festlegen, seine Arbeiten sind oft nicht identifizierbar, denn Gander hat nicht nur eine Praxis, sondern mehrere. Als Künstler sucht er für seinen Ideenreichtum die jeweils notwendige Form und visuelle Sprache. Im Laufe der Jahre ist dabei ein höchst komplexes System entstanden, in welchem sich seine Arbeiten immer wieder in neue Zusammenhänge verschieben lassen.

Für Gander handelt es sich bei dem, was er selbst «Culturefield» nennt, um eine imaginäre, traumartige Parallelwelt, eine Art Spielfeld, auf dem beispielhafte Vorstellungsbilder erprobt und vorgeschlagen werden. In der Berner Ausstellung drehen sich viele der Arbeiten um die Ökonomie der Aufmerksamkeit, die sich an ständig verändernde Technologien anpasst. Entgegen der heutzutage vielfach formulierten Klage, die Aufmerksamkeits- und Konzentrationsspanne hätte sich durch das Internet und die neuen Medien verkürzt, beanspruchen Ganders Arbeiten stille Betrachtung. Seine Werke lassen oft Informationen missen, es sind Wirklichkeitsbehauptungen und manchmal Widersprüche in sich. Sie sind von Stille charakterisiert, auch wenn sie manchmal sprechen.

Die Kunsthalle Bern dankt der freundlichen Unterstützung der Kultur Stadt Bern sowie der Stanley Thomas Johnson Stiftung. Die Ausstellung wird unterstützt durch den No Leftovers-Fonds.