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Ausgangspunkt der Ausstellung von Rolf Graf im Kunstraum Engländerbau ist die Kassettendecke der Kirche St. Martin in Zillis in Graubünden. Diese Decke aus den 12. Jahrhundert stellt ein Ordnungsmodell der Welt von damals vor. Christus in der Mitte, Bilderthemen aus dem Neuen Testament darum herum, dann alttestamentarische Darstellungen, und zum Rand hin Meeresbestien und Engel als die Grenze der Vorstellung von der Welt. Es war ein Modell, das Tragfähigkeit hatte und dem Betrachter, der den Mächten ausgeliefert war, Sicherheit und Orientierung vermittelte.

Die Ausstellung „von oben und von unten“ ist eine raumgreifende Installation. Mittels Diaprojektionen und einer Bearbeitung des Bodens wird der Zwischenraum zwischen Boden und Decke neu definiert: als Erlebnisraum und Ort, an dem man sich heute befindet - immer noch zwischen oben und unten, gebunden wie eh und je an die eigenen Vorstellungswelten.

Die Melancholie des Augenblicks Auf der Schnittfläche eines Baumstumpfs hat jemand feinsäuberlich in der Manier eines Polsterers eine bequeme Sitzfläche angebracht. Auf einem Klapphocker sitzt ein Mann am Strassenrand, neben sich drei Paar Stiefel, zu einem kleinen Turm aufgestellt, sozusagen als minimale Verkaufspräsentation. Ein Parkplatz, in der Mitte einige restliche Weihnachtsbäume im Kreis strahlenförmig angeordnet. Beispiele von Gestaltung, um nicht der Beliebigkeit anheim zu fallen, um den Lebensumständen eine Ordnung zu geben, um Haltung zu wahren gegenüber den alltäglich sich aufdrängenden Widrigkeiten. Mit der Kamera nimmt der in Berlin lebende Rolf Graf beiläufig derartige Situationen auf und fügt sie in sein stetig wachsendes Archiv der zahllosen Beispiele von Alltagsbewältigung. Sich die „Erde untertan machen“ gerät angesichts solcher Beispiele oft zu Momenten der Melancholie.

Es ist der Zwischenraum zwischen der Aufgabe und ihrer Lösung, zwischen der Zumutung und ihrer Bewältigung, zwischen Anspruch und Wirklichkeit, dem Rolf Graf in seinen Arbeiten immer wieder nachgeht. So präsentierte er im Kunstraum Kreuzlingen 2002 zwei Seitenwände eines alten Schuppens aus Holzbrettern, über Eck miteinander verbunden, inwendig mit Styrodur, einem modernen himmelblauen Isoliermaterial, verkleidet. Beide Materialien dienen demselben Zweck: der Isolierung. Der Blick kann sich nicht entscheiden. Es fällt schwer die Kombination beider Materialien zu akzeptieren, obwohl sie doch heutzutage alltäglich ist.

Ein Aspekt in der Kunst von Rolf Graf, ist der bewusste Umgang mit seiner Herkunft aus Heiden im Appenzell. Der Umgang mit den benutzten Materialien ist von Bodenständigkeit geprägt. Alles wirkt direkt und unverhohlen. Die Kunstwerke sind von ihrem Erscheinungsbild unprätentiös. Die Verstörung, die von ihnen ausgeht, ist das Wundern des Betrachters vor ihnen.

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Rolf Graf
von oben und von unten