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Der kalifornische Künstler Robert Irwin begann seine Laufbahn in den späten 1950er-Jahren mit Malerei. Bald jedoch empfand er die Begrenztheit auf den durch den Rahmen vorgegebenen Raum (wie in der klassischen Tafelmalerei gängig) als zu eng und hinterfragte diesen. Schließlich führte diese kritische Befragung den Künstler zu einer neuen und damals innovativen Haltung. Für diese spielte zum einen die Umgebung, in der Kunst präsentiert wird, eine maßgebliche Rolle. Zum anderen wurde zunehmend die Wahrnehmung – sowohl in der Konzeption als auch in der Rezeption – zu einem zentralen Faktor der Arbeit, die sich in Richtung ortsbezogener Installation entwickelte. Konsequenterweise gab er 1970 sein Atelier auf und realisierte fortan Arbeiten, die unmittelbar für die jeweilige Umgebung entwickelt wurden, diese Orte in der künstlerischen Umsetzung reflektierten und in ihrer Wahrnehmung veränderten. Somit kann Irwin als einer der Wegbereiter ortspezifischer Kunst betrachtet werden.

Als Mittel der Manipulation der Wahrnehmung dienten dem Künstler vorwiegend Licht und Raum – so wird er als einer der wichtigsten Protagonisten der Light and Space Art gehandelt, die ihre Wurzeln in Kalifornien der 1960er-Jahre hat. Diese lose Gruppierung von KünstlerInnen war interessiert an den sich wechselseitig bedingenden Wahrnehmungen von Licht und Raum und experimentierte dazu mit transparenten und lichtbrechenden Materialien wie Glas, Neonlicht und Plexiglas. Irwin verwendet zudem bevorzugt semitransparente Textilien, die Licht absorbieren und zugleich durchlassen und damit eine raumverändernde Wirkung erzeugen können. Beispielhaft kann hier Untitled (1970) angeführt werden, eine aus Plexiglas gefertigte Säule, die Irwin ursprünglich in seinem Atelier installierte. Dieses transparente und zugleich reflektierende und das Licht brechende architektonische Element ist zugleich an- und abwesend, sichtbar wie unsichtbar – und genau dieses Paradoxon stellt unsere Wahrnehmungsgewohnheiten präzise und prinzipiell in Frage. Irwins Arbeiten sind nicht so sehr immaterieller Natur als vielmehr eben diese phänomenologische Immaterialität in die Umgebung reflektierende oder absorbierende Oberflächen.

Mit der Eröffnung der Ausstellung von Robert Irwin Anfang Juli beginnt nicht nur eine der seltenen Einzelausstellungen des Künstlers in Europa; die BesucherInnen der Secession werden einer ganz neuen ortsspezifischen Installation begegnen, die der Künstler explizit zu diesem Anlass entwickelt und realisiert hat. Der Hauptraum der Secession wird oft als einer der ersten „White Cubes“ der Ausstellungsgeschichte bezeichnet. Der symmetrische Grundriss mit zwei Seitenschiffen und Apsis bezieht sich zudem auf die typischen Formen der Kirchenarchitektur. Das Licht in dem fensterlosen Raum fällt diffus von oben durch das Mattglas des doppelten Glasdachs, dessen Rasterstruktur die Raumwirkung wesentlich prägt. Robert Irwin hat nun eine Installation entworfen, die die charakteristischen Eigenschaften dieses Raums aufgreift und erweitert. Drei Volumen aus den mit Stoff bespannten Rahmen, die der Künstler als Material besonders schätzt, werden in den Ausstellungsraum eingebracht. Das von oben einfallende Tageslicht unterstreicht die plastische Erscheinung der Stoffstrukturen, die den Saal auf neue Weise rhythmisieren und dadurch eine Verschiebung in der Wahrnehmung des Raums bewirken. Die Hintertür zum Garten hinter der Secession wird durch eine Glasscheibe ersetzt, so dass der Außenraum zumindest optisch zu einem Teil des Innenraums wird. Robert Irwin, geboren 1928 in Long Beach, Kalifornien, lebt und arbeitet in San Diego, Kalifornien.

Eingeladen vom Vorstand der Secession Kuratiert von Jeanette Pacher

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ROBERT IRWIN
Double Blind

Künstler:
Robert Irwin

Kurator(en):
Jeanette Pacher