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Monika Sprüth und Philomene Magers freuen sich, die Ausstellung Portraits! des amerikanischen Künstlers Richard Artschwager in Berlin präsentieren zu können. Die im Februar und März diesen Jahres in der Londoner Galerie gezeigte Auswahl von Arbeiten konzentriert sich neben der Skulptur Exclamation Point (Orange) (2010) auf eine jüngere Serie von Portraits, die auch letzte Werke des Künstlers einschließt.

Richard Artschwager gilt als einer der bedeutendsten Künstler des zwanzigsten Jahrhunderts, dessen Werk bis heute jüngere Generationen von Künstlerinnen und Künstlern stark beeinflusst. Artschwager thematisierte in seinen Werken die Gewohnheiten der Wahrnehmung sowie die ästhetischen, materiellen und räumlichen Erfahrungen von Kunst und Alltag und stellt diese zur Diskussion. Über einen Zeitraum von vierzig Jahren ist ein verspieltes und facettenreiches Œuvre entstanden, das sich forschend den Medien Skulptur, Malerei und Zeichnung widmet, um das Verhältnis zwischen Kunst und Objekten, und der sie umgebenden Umwelt, besser zu verstehen.

Artschwagers Arbeit, die sich unbefangen und provokativ zwischen verschiedensten Medien bewegt, verbindet die visuelle Welt der Bilder, die man zwar erfassen aber nicht physisch greifen kann, mit der fühlbaren Welt der Objekte. Diese dynamische Beziehung zwischen bildnerischer Darstellung und skulpturaler Praxis ist in seiner Malerei evident, welche in dieser Ausstellung im Mittelpunkt steht. Während seine Skulpturen durch die Farbigkeit und die malerischen Elemente ebenso bestimmt werden wie durch Form und Material, basiert Artschwagers Malerei formal und inhaltlich auf den Elementen von Textur und Oberfläche. Er arbeitete hierfür mit traditionellen künstlerischen Materialien wie Kohle, Acryl, Pastellkreide und Farbe auf Celotex, einem starren, aus Fasern gepressten Plattenmaterial, das gewöhnlich als Baustoff eingesetzt wird. Dabei nutzte er nicht die glatte Seite der Platten, sondern entschied sich bewusst für die strukturierte Rückseite um den rauen Untergrund als aktiven Teil der Komposition mit einzubinden, da er die Bildoberfläche belebt und wesentlichen Einfluss auf Ausdruck, Bedeutung und Metaphorik der jeweiligen Arbeit hat. Die massiven Holz- und Spiegelrahmen, in denen die Portraits eingefasst sind, verstärken zudem die dreidimensionale Wirkung.

Selten malte Artschwager nach der Natur, meist rekonstruierte er die Motive aus der Erinnerung, oder arbeitete mit Fotografien und Abbildungen aus Zeitungen, die er auf Leinwandgröße brachte, wie etwa in Generation IV (2003). Die vergrößerte Fotografie und die stark strukturierte Oberfläche lassen das Motiv körnig und verschwommen erscheinen, so dass die Charaktere nahezu verschwinden, jedoch zugleich eine starke skulpturale Wirkung aufweisen. Die in Portraits wie Was me (2008) und Sixty + (2008) eingesetzte Grisaille gibt den Arbeiten eine photorealistische Ästhetik, die eine weniger subjektive, sondern vielmehr objekthafte Annäherung an das Gemälde und die dargestellte Figur vorschlägt. In anderen Bildern setzt Artschwager leuchtende Farben ein, wie beispielsweise in Mr. Bridge (2009), wo der satte lila Hintergrund eine surrealen, traumähnlichen Raum erzeugt. Ganz ähnlich Group Portrait (2012), ein gestelltes Arrangement statischer Charaktere, in welchem Pink und Gelb überwiegen.

Artschwager nutzt die Form des Portraits um die Conditio Humana zu untersuchen und zu verstehen. Lässt sich das Thema der Häuslichkeit in seinem gesamten Werk wiederfinden, angefangen bei den frühen Objekten die häusliche Gegenstände wie Tische, Stühle, Lesepulte und Spiegel aufgreifen, so stehen die in der Ausstellung gezeigten Portraits für eine Blickverschiebung: von der Inneneinrichtung des Wohnraums, hin zur Innerlichkeit des Menschen. Die in den Kompositionen eingesetzten, teils irritierenden Perspektiven und Größenverhältnisse erzeugen eine Dissonanz. So scheint die Figur in Self Portrait with Green Background (2009) von dem intensiven grünen Hintergrund, einer Farbe die für Erneuerung stehen kann, geradezu aufgeladen, wenn auch das leer und grau wirkende Gesicht dem Bild eine melancholische Note hinzu fügt. Die Unschärfe des Bildes wirkt wie eine Maske, welche Distanz wahrt und der Grisaillemalerei eine Ambiguität verleiht.

Neben den Portraits wird mit Exclamation Point (Orange), einem Ausrufezeichen aus Plastikborsten, montiert auf einem Kern aus Mahagoni, eine neuere Skulptur zu sehen sein. Dieses Werk ist durch Titel und Form ein verspieltes Beispiel für Artschwagers semiotisches Experimentieren im Bereich der Kunst. Aus ästhetischer Sicht galt Artschwager das Ausrufezeichen als sein liebstes Satzzeichen: "I would call this the "prince of punctuation". Spiralling free but gravity-aware. Hopping on one foot like Mother Brown. Can operate with respect to itself or anybody/thing around".¹

Richard Artschwager wurde 1923 in Washington D.C. geboren und ist 2013 in Albany, USA verstorben. Er studierte zunächst Chemie, Biologie und Mathematik an der Cornell University und nahm später privaten Kunstunterricht bei Amedée Ozenfant. In den frühen 1950er Jahren beschäftigte er sich mit dem Bau von Schränken und produzierte sondergefertigte einfache Möbelstücke. Nachdem gegen Ende des Jahrzehnts ein Brand seine Werkstatt weitestgehend zerstörte, begann er aus dem übriggebliebenen Material Skulpturen zu fertigen. Später kamen Malereien, Zeichnungen und ortsbezogene Installationen hinzu, sowie auf Fotografien basierende Arbeiten. Seine erste Einzelausstellung hatte er 1959 in der Art Directions Gallery in New York. Artschwagers Werke wurden in zahlreichen wichtigen Ausstellungen gezeigt, darunter im Centre Pompidou, Paris (1984), Deutsche Guggenheim, New York (1966), dem Kunstmuseum Winterthur in der Schweiz (2003) und dem Whitney Museum of American Art, New York (2012). Sein Werk ist weltweit in den Sammlungen bedeutender Museen vertreten, darunter der Tate in London, dem Museum of Modern Art, New York, dem Art Institute of Chicago, dem Museum Ludwig in Köln und der Fondation Cartier in Paris.

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Richard Artschwager
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