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WIR HABEN WIEDER GEÖFFNET:
"REQUIEM" BIS 24. MAI 2020
Wir freuen uns sehr darüber, unsere Ausstellungsräume wieder für den Besucherinnen-verkehr öffnen zu dürfen. Ab 5. Mai können Sie das Kunsthaus Dresden wieder zu den gewohnten Zeiten besuchen. Wir zeigen die aktuelle Ausstellung REQUIEM verlängert bis zum 24. Mai. Die im Anschluss geplante Ausstellung Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer beginnt nun etwas verschoben am 19. Juni 2020.
Eine Voraussetzung für die Wiederöffnung der Ausstellungsräume ist es, dass beim Besuch der Ausstellung die Abstandsregeln gewahrt werden. Besucher
innen werden gebeten, eine Mund- und Nasenbedeckung zu tragen. Wir danken Ihnen für die gemeinsame Umsetzung dieser Schutzmaßnahmen!

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BLICKE IN DIE AUSSTELLUNG VI

Mit Fragen, die an den Begriff Gemeinschaft geknüpft sind und mit der Verbindung von Menschen, Orten und deren Geschichte, haben sich die Künstler Artúr van Balen / Tools for Action Foundation und Tomas Espinosa in der Performance Signals 3.0 auseinandergesetzt, die am 9. November 2019 in Dresden stattfand. Die daraus entstanden Videoarbeit Wir ist in unserer aktuellen, jedoch vorübergehend geschlossenene Ausstellung REQUIEM - zeitgenössische künstlerische Perspektiven zu Trauer und Gedenken zu sehen und soll in der sechsten Ausgabe von Blicke in die Ausstellung vorgestellt werden.

Im lebendigen Gedenken an die Ereignisse der 9. November 1918, 1938 und 1989 bildeten am selben Tag des Jahres 2019 insgesamt 80 Performerinnen mit Leuchtskulpturen und zahlreiche weitere Beteiligte mit Fahrradlampen, Taschenlampen oder Handys in der Abenddämmerung und bis zum Eintritt der Dunkelheit einen leuchtenden Schwarm am Elbufer. Mehrere Hundert Dresdnerinnen versammelten sich für die Performance am Goldenen Reiter und verfolgten das Geschehen.

Den Impuls für Signals 3.0 als Experiment im Stadtraum gab der niederländisch-ungarischen Künstler Artúr van Balen gemeinsam mit dem kolumbianischen Künstler Tomas Espinosa und der Tools for Action Foundation. Ein öffentliches Gesprächs- und Veranstaltungsprogramm mit zahlreichen Zeitzeug*innen sowie Proben, ging dem aufwändigen Performanceprojekt voran. Im Fokus der Veranstaltungen stand die Erinnerung an die ‚friedliche Revolution’ des Jahres 1989 und die Ereignisse, die zu dieser geführt haben, ebenso, wie die Fragen nach der Bedeutung der Revolution 1918, mit der bis heute der Ursprung der Demokratie in Deutschland verbunden ist. Auch die Pogromnacht des 9. November 1938 war Thema der Veranstaltungen.
Im Rahmen dieser Auseinandersetzung standen die folgenden Fragen im Vordergrund: Wie sind Menschen und Orte mit Geschichte und Erinnerung verbunden? Wie können durch die gemeinsame Bewegung von Körpern aktuelle Perspektiven auf Vergangenes entstehen?

Die Performance wurde von Artúr van Balen dokumentiert und zu der Videoarbeit Wir zusammengefasst:

VIDEO

Die Choreografie der Performance, die an beiden Elbufern stattfand und von einem großen Heliumobjekt begleitet wurde, wurde eigens für diesen Anlass und in mehreren Workshops mit den Choreografinnen Claudia de Serpa Soares und Floor van Leeuwen in Zusammenarbeit mit 15 Performer*innen in Dresden entwickelt.

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BLICKE IN DIE AUSSTELLUNG V

Die Auswirkungen bewaffneter Konflikte und kriegerischer Handlungen sind auch in diesen Tagen weiter spürbar. Tagtäglich sind unzählige Menschen mit den gewaltvollen Auswirkungen, die Kriege auf ihr Leben haben, konfrontiert. Mit der Frage, wie sich Machtverschiebungen über Kriegshandlungen in das Alltagsleben von Gesellschaften fortsetzen und dort bleibende Spuren hinterlassen, setzten sich die Arbeiten der Künstler*innen Simon Wachsmuth und Susan Donath auseinander, die wir in Blicke in die Ausstellung V vorstellen wollen.

Politische Konflikte werden seit Jahrhunderten zu Lasten der Unversehrtheit und des Lebens der Zivilbevölkerungen ausgetragen – Traumata, Tod, Vertreibungen und Fluchtbewegungen sind die wiederkehrenden Folgen militärisch ausgetragener Machtfragen – die Prothese in der Arbeit O Crudele Spectaculum! steht hierfür als Sinnbild. Brechts Auseinandersetzung mit dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) und dem Westfälische Frieden (1648) waren Ausgangspunkte für Simon Wachsmuths Frage danach, wie sich historische künstlerische Darstellungen von Krieg in unsere Kulturen eingeschrieben haben. Brechts Figur der Mutter Courage verliert bei dem Versuch, als Marketenderin mit einem Handwagen durch den Krieg zu kommen und sich durch den geschickten Handel mit der Not durchzuschlagen, alle ihre drei Kinder. Das Stück, das Brecht 1938/9 im schwedischen Exil verfasste, formulierte eine damals wie heute hochaktuelle Warnung vor dem Geschäft mit dem Krieg. O Crudele Spectaculum! greift anhand der archetypischen Motive des Wagens aus Brechts Mutter Courage und der Prothese die aktuelle Wiederholung der archaischsten Muster von Gewalt und der Instrumentalisierung von Zivilbevölkerungen heute auf.

Die Fotografie erfasst eine von Susan Donath vorgefundene Situation in einem Ortsteil der tschechischen Kleinstadt Úštěk. Die Stadt mit der Teilgemeinde Lhota liegt im nördlichen Böhmen. Nachdem sie bis zu deren Auflösung im Jahr 1918 zum Gebiet der Habsburgermonarchie gehörte, wurde sie danach Teil der demokratischen Tschechoslowakei. 1938 wurde die Stadt vom nationalsozialistischen Deutschland besetzt und in Folge dessen zum Protektorat Böhmen und Mähren erklärt. Was bleibt dokumentiert die Ratlosigkeit im Umgang mit Gedenkanlagen, wie sie in großer Zahl in vielen Gemeinden in Europa gefunden werden können und deren Form und Aussage so weit von gesellschaftlichen Realitäten und Bedürfnissen, wie auch heutigen Geschichtsauffassungen entfernt ist, dass eine sinnvolle Verbindung sich kaum mehr herstellen lässt.

BLICKE IN DIE AUSSTELLUNG IV

Transinflabe 2018 – 19 ist ein aktuelles Projekt, das sich für das Gedenken an und der Trauer um ermordete Mitglieder der transsexuellen Community, Sexarbeiter*innen und Obdachlose sowie drogenabhängige Menschen in Bogotá einsetzt. Der in der Ausstellung gezeigte Film ist eine experimentelle Collage, die zwei Stimmen miteinander vereint: Die von Daniela Maldonado, langjährige Aktivistin der Red Comunitaria Trans und die des Künstlers Tomas Espinosa. Das Anliegen beider ist es einerseits, ,auf die lebensbedrohenden Gefahren, die Leben transsexueller Menschen in Lateinamerika begleiten, aufmerksam zu machen.

2015 fand erstmals eine große Trauer- und Gedenkprozession für die Menschen statt, die seit Mitte der 1980er in Santa Fe, einem zentralen Viertel von Bogotá, ermordet wurden. Die Opfer dieser Morde waren und sind bis heute ungezählte Mitglieder der transsexuellen Community, Sexarbeiter*innen und Obdachlose sowie drogenabhängige Menschen. Da transsexuellen Menschen in Lateinamerika der Zugang zu regulären Berufen ebenso wie Kranken- oder Sozialversicherung verwehrt wird, bleibt Prostitution eine der wenigen Möglichkeiten, ein Einkommen für das Überleben zu erwirtschaften. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt derzeit bei 29 Jahren. Die Prozession war auch ein Protestmarsch, der sich gegen die willkürliche Ermordung durch nächtliche Überfallkommandos in den Straßen ihres Viertel wehrte und eine Demonstration für die grundlegenden Rechte transsexueller Menschen sowie das Recht aller Menschen auf selbstbestimmte Identität und Sexualität. Anderseits ist aber auch ihr Anliegen, eine Sprache für die besondere Schönheit transsexueller Menschen zu finden, die nach einer Befreiung von gewalttätigen Normen sucht und von der Selbstbestimmung eines jeden Individuums handelt.

Seit mehreren Jahren arbeitet die Red Comunitaria Trans mit internationalen Organisationen sowie mit Künstler*innen zusammen, um gemeinsam für die Menschenwürde und das Selbstbestimmungsrecht von transsexuellen Menschen zu kämpfen. Die durch den Regisseur Juan David Cortés H. oz/co aus zwei Dokumentarfilmen zusammengeführten Aufnahmen zeigen unter anderem die Zusammenarbeit mit dem niederländischen Künstler Artúr van Balen und der Gruppe Tools for Action gemeinsam mit dem kolumbianischen Künstler Tomás Espinosa aus dem Jahr 2018, anlässlich der dritten, seit 2015 jährlich im Juli veranstalteten, Gedenkdemonstration. Ihr Leitmotiv La Primavera Trans steht für einen selbstbewussten Aufbruch, „Sie können wohl alle Blumen abschneiden, aber sie können den Frühling nicht verhindern“ (Pablo Neruda) bildete einen der zentralen Leitsätze.

Film Transinflabe 2018-19
https://vimeo.com/398969742
Regie und Umsetzung: Juan David Cortés H. oz/co Text: Daniela Maldonado, Tomas Espinosa. (la pesada) Stimme: Daniela Maldonado Dauer: 5:08 min. Alle Aufnahmen wurden den Dokumentarfilmen „La Primavera Trans“ und „La Red“ in Regie von Juan David Cortés H. oz/co und der fortlaufenden Arbeit der Red Comunitaria Trans mit ihrem gesamten Team entnommen.

Diese Gemeinschaftsarbeit wurde Dank der Zusammenarbeit mit H-X-Y-Actiefonds, dem Goethe Institut und vielen anderen beteiligten und unterstützenden Personen in Bogotá wie auch überall auf der Welt möglich.

Gefördert durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen.

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BLICKE IN DIE AUSSTELLUNG III

Wir freuen uns, nun die dritte Ausgabe unserer Blicke in die Ausstellung zu versenden und bedanken uns für die positive Resonanz. Optimismus und starke Nerven wünschen wir aus dem Home-Office für den ungewohnten Alltag in dieser Zeit.

Auch die polnische Künstlerin Karolina Freino setzt sich mit den Fragen zu öffentlichem Gedenken und kollektiver Erinnerung auseinander – so auch in der künstlerischen Intervention Cataract / Katarakta von 2016, in der sie der verworrenen Geschichte eines Denkmals in der polnischen Stadt Katowice nachgeht.
Das Denkmal Confluence. Monument to Emma Goldman ist der gleichnamigen Friedensaktivistin gewidmet und wurde 2017 in der litauischen Stadt Kaunas installiert. Für REQUIEM stellt die Künstlerin eine Videoinstallation zur Verfügung, die auf das Denkmal zurückgeht und dieses im Ausstellungsraum erlebbar macht.

Schauplatz der künstlerischen Intervention Cataract / Katarakta von Karolina Freino ist ein Fundament, das – auf dm Platz der Freiheit (Plac Wolno ci) der polnischen Stadt Katowice und innerhalb einer Zeitspanne von rund hundert Jahren – nacheinander fünf sehr unterschiedlichen Denkmalen als Sockel diente. Dabei handelte es sich in unmittelbarer Folge um ein preußisches Denkmal, ein Denkmal für die schlesischen Aufstände, einen durch die Nationalsozialisten aufgestellten Obelisk zur Ehrung deutscher Soldaten und zwei weitere Denkmäler, die zu Ehren der Roten Armee aufgestellt wurden. Nach den politischen Veränderungen in Polen und den damit einhergehenden Protesten der Anwohner*innen, wurden die Figuren des Denkmals im Jahr 2014 auf den sowjetischen Militärfriedhof verlegt.

Jeder politische Machtwechsel, dem der Ort gesehen hatte, ging mit einer Überarbeitung der Symbole einher, die dort verankert wurden. Im Zentrum des Platzes verbleibt heute ein riesiger, leerer Sockel, der auf eine neue, formalisierte Interpretation der Geschichte der Stadt wartet.

Mit der künstlerischen Intervention Cataract / Katarakta verhüllt Karolina Freino den Sockel in Nebelschwaden. In der Medizin bezeichnet Begriff Katarakt (auch Grauer Star) eine graduell fortschreitende Trübung der Linse im menschlichen Auge. Im Rahmen der Intervention bezieht sich der Begriff auf einen instrumentellen und ideologischen Umgang mit Geschichte und die Austauschbarkeit von Heldeninnen, die eher die Zielsetzungen der jeweils Regierenden illustrieren und dabei Geschichte verschleiern, als diese zu vermitteln. Freino_2 Karolina Freino, Confluence. Monument to Emma Goldman, Foto: Karolina Freino Die Videoinstallation dokumentiert das 2017 in Kaunas errichtete Denkmal für die 1869 in Litauen geborene Friedensaktivistin und Frauenrechtlerin Emma Goldman. Die Arbeit besteht aus einer Boje, die mit einem Lichtsignal fortlaufend Goldman Autobiografie Living My Life morst – über eine Webübertragung und eine App wird der Text für die Besucherinnen des Denkmals lesbar.

Die in einer jüdischen Familie in Kaunas geborene und aufgrund der Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung nach St. Petersburg ausgewanderte Emma Goldman emigrierte 1885 in die Vereinigten Staaten und wurde dort zu einer der herausragenden Persönlichkeiten im Kampf für Frauenrechte und soziale Gerechtigkeit. Die Aktivistin und Schriftstellerin widmete ihr Leben dem Kampf für Freiheit und sprach sich gegen das Patriachat, Kapitalismus und religiöse Dogmen aus. Ihre Schriften beschäftigen sich mit einer Vielzahl von Themen, darunter Atheismus, Redefreiheit, Militarismus, Kapitalismus, Ehe, freie Liebe und Homosexualität. Sie setzte sich für Geburtenkontrolle und die Unabhängigkeit der Frauen ein. Ihre Vorlesungen zogen ein großes Publikum an. Die Stärke von Einigkeit und Solidarität waren wichtige Denkfiguren Goldmans.

Heute, in Zeiten, in denen in vielen Ländern Europas sowie in den USA eine Rückentwicklung und Krise der freiheitlichen Auffassungen von Demokratie zur Diskussion gestellt werden, sind ihre Gedanken von damals von erhöhter Relevanz. Gefördert durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen.

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BLICKE IN DIE AUSSTELLUNG II

Trotz der aktuellen Situation und der vorübergehenden Schließung des Kunsthauses wollen wir unsere aktuelle Ausstellung REQUIEM - zeitgenössische künstlerische Perspektiven zu Trauer und Gedenken für den Austausch und Begegnungen öffnen. Möglicherweise ist es gerade jetzt wohltuend und hilfreich, kulturelle Perspektiven über den ungewohnten Alltag hinaus im Blick zu behalten. Deshalb werden wir an dieser Stelle nach und nach einzelne Werke vorstellen und per Abbildung - und wenn möglich Video-Link - zugänglich machen.

REQUIEM_Susan Donath

Die Künstlerinnen Susan Donath und Ulf Aminde zeigen in der Ausstellung REQUIEM Entwürfe zu ihrer künstlerischen Auseinandersetzung mit öffentlichem Gedenken. In beiden Arbeiten geht es um Formen der Erinnerung an die Opfer der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Die Beiträge gehen auf Ausschreibungen zurück, die Künstlerinnen dazu aufforderten, sich mit der Umsetzung von Mahnmalen und Orten der Erinnerung auseinanderzusetzten. Jedoch lässt sich auch hier ablesen, welche Unsicherheiten und Unwägbarkeiten in den Fragen von öffentlichem und kollektivem Gedenken und Trauern bestehen.

Mehmet Turgut wurde am 25. Februar 2004 von Mitgliedern des NSU in Rostock erschossen. Der 25jährige war das fünfte Opfer einer Mordserie an neun Personen mit migrantischem Hintergrund und einer Polizistin im Zeitfenster von 2000 bis 2007. Die Künstlerin Susan Donath reichte den in der Ausstellung gezeigten Entwurf 2013 anlässlich eines von der Stadt Rostock ausgeschriebenen Wettbewerbes ein.

Bis heute bleibt ein angemessener Umgang mit dem öffentlichen Gedenken an die Opfer der Terrorgruppe NSU aus. Wie viele Angehörige berichtet Mehmet Turguts Bruder von den fatalen Folgen, die die über Jahre ins Leere laufenden Ermittlungen und die damit einhergehenden Verdächtigungen für die Familie hatten. Nachdem Angehörige jahrelang von der Justiz diskriminiert und kriminalisiert wurden, ist auch nach der Aufklärung der Morde keine Form der öffentlichen Trauer, in Abstimmung mit den Familien, gefunden worden.

Susan Donaths Entwurf sah die Aufrichtung einer grünen Fahne in Kombination mit einer Texttafel vor. Die Wahl der Farbe Grün stand vermittelnd zwischen den verschiedenen Religionen: Grün als die Farbe des Paradieses im muslimischen Glauben wie auch der Hoffnung und des Friedens hier ebenso wie im Christentum.
An der Außenfassade des Kunsthauses ist während der Dauer der Ausstellung eine grüne Fahne zu sehen sein. Sie steht auch für die Frage, welche Tragweite dieses gewaltsam beendete Leben für ganz Deutschland hat und verweist auf ein möglicherweise notwendiges, dezentrales Gedenken.

REQUIEM_Ulf Aminde

Am 9. Juni 2004 detonierte in der Köln-Mülheimer Keupstraße eine ferngezündete Nagelbombe. 22 Menschen wurden verletzt, vier davon schwer. Der Friseursalon, vor dem die Bombe explodierte, wurde durch die Wucht der Detonation und ein anschließendes Feuer verwüstet. Mehrere weitere Ladenlokale und zahlreiche parkende Autos wurden durch die Explosion und herumfliegende Nägel erheblich beschädigt. Seit der Selbstenttarnung im November 2011, wird der Anschlag der rechtsextremen Terrorgruppe NSU zugeordnet. Im späteren NSU-Prozess wurde die ausländerfeindliche Motivation festgestellt, während in den Ermittlungen bis 2011, vor allem Anwohner*innen und Opfer verdächtigt wurden.

2016 veranstaltete die Stadt Köln einen künstlerischen Wettbewerb für ein Mahnmal. Ausgewählte wurde der Entwurf des Berliner Künstlers Ulf Aminde. Dieser basiert auf Gesprächen mit Anwohner*innen und Initiativen in Köln verbindet die Idee eines Mahnmals mit einem Ort der Begegnung: Herkesin Meydanı — Platz für Alle.

Geplant ist eine Bodenplatte aus Beton, deren Größe dem Fundament des von der Nagelbombe getroffenen Hauses entspricht. Diese Bodenplatte soll am Eingang der Keupstraße gebaut werden. Ein weiteres Element des Mahnmals ist eine App, die per WLAN auf das Mobiltelefon geladen werden kann. Mit der App und einer Augmented Reality Technologie entstehen entlang dieser Bodenplatte virtuelle Wände, die ein Haus beschreiben. Dort können Filme aktiviert und auf dem Handy abgespielt werden. Die Beiträge zeigen unterschiedliche Perspektiven auf Migration Rassismus-Erfahrung. So erläutern zahlreiche Beteiligte gemeinsam mit dem Künstler den historischen Kontext, in dem der NSU seine Anschläge und seine Morde verüben konnte. Auch beleuchten sie das politische Klima und die Geschichte der rassistischen Gewalt, in die der Bombenanschlag fällt. Betroffene Anwohnerinnen sind ebenso dazu eingeladen sich an dem Projekt zu beteiligen, wie Schülerinnen oder Studierende.

Das ist eine zentrale Idee dieses Mahnmals, denn aus den Filmbeiträgen entsteht ein kritisches Archiv des migrantischen Widerstands. Demnach beschäftigt sich das Mahnmal mit dem Bombenanschlag in der Keupstraße, ist aber zugleich eine Erinnerung an die NSU-Morde und deren Aufklärung. Und es ist der Erinnerung an rassistische Strukturen in unserer Gesellschaft gewidmet.

Die Realisierung des Mahnmals am geplanten Standort kommt jedoch nicht voran. Denn auch die vorliegenden stadtpolitischen Beschlüsse können nichts mehr daran ändern, dass das Areal mittlerweile in den Händen von Investor*innen liegt, die andere Pläne haben: Sie wollen ein lukratives Gewerbequartier errichten und das Kunstprojekt an einen weit entfernten Standort verdrängen. Die Initiativen und Gruppen ‚IG Keupstraße‘, ‚Keupstraße ist überall‘ und das Tribunal ‚NSU-Komplex auflösen‘ treten, genau wie der Künstler selbst, für die Errichtung am geplantenStandort ein und erheben ihre Stimmen gegen eine erneute Verdrängung der Opfer-Perspektive.

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REQUIEM
Eine Ausstellung zeitgenössischer künstlerischer Perspektiven zu Trauer und Gedenken

09.02.2020-26.04.2020

Mit Arbeiten von Ulf Aminde (Berlin), Aram Balakjan (London), Marit Bente Norheim (Hirthals), Susan Donath (Dresden), Karolina Freino (Wroclaw), Tomas Espinosa (Bogota), Artúr van Balen (Berlin), Šejla Kamerić (Sarajevo), Simon Wachsmuth (Berlin) und spot_the_silence (Christian Obermüller und Rixxa Wendland)   REQUIEM ist eine Ausstellung zu aktuellen Perspektiven und neuen künstlerischen Formen des Gedenkens in Europa und Welt vor dem Hintergrund des 75. Jahrestages der Kriegszerstörung des Dresdens im Februar 1945. Trauer und Gedenken haben seit Jahrhunderten Formen und Rituale hervorgebracht, konkrete Orte und kollektive Erfahrungen, wie beispielsweise das Requiem. In ihrer Widmung an die Verstorbenen ging es zugleich darum, einen gemeinsamen Erfahrungsraum zu schaffen, der stets der Zukunft der Lebenden zugewandt war. Insofern ist auch das Requiem, der Epitaph oder die Gedenkstätte eine kulturelle Form, die Vergangenheit zu verarbeiten und einen gemeinschaftlichen Raum für – und eine Botschaft an – die Lebenden zu formulieren. Was bedeutet es, sich heute für einen angemessenen und zugleich zeitgemäßen Umgang mit einer Kultur des Gedenkens und der Trauer auseinanderzusetzen? Welchen Perspektiven sind es, die uns hierzu heute als Gesellschaften beschäftigen ? Während die individuelle Trauer mit einer konkreten Beziehung verbunden ist, richtet sich das Gedenken an die Gemeinschaft, um sie zu mahnen, und eine gemeinsame Position für die Zukunft zu stärken. Rassismus, Gewalt und Diskriminierung wie auch Erfahrungen von Krieg und Flucht sind gegenwärtige Perspektiven weltweit, zu denen sich aktuelle Gedenkperspektiven in Beziehung setzen müssen. Die Ausstellung Requiem im Kunsthaus Dresden zeigt neue künstlerische Perspektiven zu Trauer und Gedenken, die sich auf aktuelle Anlässe des Gedenkens wie auch der Trauer beziehen. REQUIEM begleitet das mobile Gedenkprojekt und Kolloquium im Rahmen von # WOD und ist Teil des vom Kunsthaus initiierten Langzeitprojektes und der Zeitung „Ruhe in Frieden“,  entwickelt im Rahmen der Bewerbung Dresden um den Titel der Europäischen Kulturhauptstadt 2025.   In Zusammenarbeit mit dem Museum für Sepulkralkultur Kassel.

Gefördert von der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen.