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2006 jährt sich Rembrandts Geburtstag zum 400. Mal. Aus diesem Anlass zeigt die Staatliche Graphische Sammlung München im Vitrinengang der Pinakothek der Moderne eine konzentrierte Auswahl aus ihrem bedeutenden, annähernd kompletten Bestand der Radierungen Rembrandts. Die Ausstellung präsentiert einen hochrangigen Querschnitt durch ein annähernd 300 Blätter umfassendes druckgraphisches Werk von singulärer künstlerischer Qualität, frappierender technischer Raffinesse und inhaltlicher Vielschichtigkeit.

Rembrandt Harmensz. van Rijn, 1606 in Leiden geboren, ist der bedeutendste Radierer in der Geschichte der Kunst. Seine Druckgraphik steht dem stets gefeierten Gemäldewerk gleichrangig zur Seite. Anders als die vielen, auf nur ein Gebiet spezialisierten „Fachmaler“ in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts, kreisen die Bildthemen Rembrandts um biblische Historie, Mythologie, Landschaft und Genre, Selbstporträt und Bildnis – Sujets, die er weit mehr im Medium der Druckgraphik als in der Malerei erkundete. Die spezifischen technischen Möglichkeiten der durch Überarbeitung veränderbaren Druckplatte nutzt der "Peintre-Graveur", der "Maler-Radierer" Rembrandt wie kein anderer zur Produktion eines Werks von stets experimentellem Charakter, für ein work in progress mit bisweilen rabiaten Eingriffen und radikalen Umgestaltungen.

In 12 Kapiteln und 43 Radierungen gibt die Ausstellung Einblick in die ungemeine Vielfalt von Rembrandts druckgraphischem Œuvre. Berühmte Selbstbildnisse des Hauptmeisters dieser Gattung leiten eine Auswahl ein, die markante Punkte herausgreift: An erster Stelle die berühmten "Nachtszenen", die das mit Rembrandt zum Synonym verwachsene Gegensatzpaar "Hell-Dunkel" überhaupt erfinden und deren magische Wirkung erst Goya wieder entdecken wird; der "Heilige Hieronymus" in drei konträren Interpretationen; ungeschminkte Szenen aus dem holländischen Alltag des 17. Jahrhunderts – blanke Armut und Verelendung, die das Medium des Gemäldes kaum je so lebensnah und realistisch zu protokollieren gewagt hätte; die Erkundung der weiten holländischen Landschaft als Entdeckung einer Natur, deren besonderer Charakter gerade in der Marginalität des Schlichten erkannt und gewürdigt wird; Porträts berühmter und einflussreicher Zeitgenossen, die in einzigartiger formaler Vielfalt und Intensität das Wesen des Dargestellten erfassen; Arbeiten aus dem Atelierbetrieb, wie der berühmte "Zeichner nach dem Modell", stehen neben spontan hingeworfenen Skizzen, die erst zwei Jahrhunderte später in ihrer singulären Bedeutung erkannt und anerkannt wurden.

Druckgraphisches Chef d'œuvre des 17. Jahrhunderts, gefertigt „avec tout l’esprit imaginable“ (Gersaint 1751) ist das "Hundertguldenblatt" – eine Bezeichnung für eine bereits zu Rembrandts Lebzeiten sündhaft teure, großformatige Radierung biblischen Inhalts: Sie zeigt in großartiger Komposition und Interpretation Christus, der vor den Armen und Kranken predigt. München besitzt drei Exemplare dieses Ausnahmewerks. Ausgestellt wird ein exzeptioneller früher Druck auf Japanpapier.

Höhepunkte von Rembrandts druckgraphischem Schaffen wie auch des Münchner Bestandes sind schließlich die extrem revidierten Fassungen von ein und derselben, in Kaltnadeltechnik bearbeiteten Platte. Diese zeigen neutestamentarische Szenen, die in Rembrandts späten Jahren entstanden: "Ecce Homo", "Die drei Kreuze" und die "Grablegung" – biblische Offenbarung in bis dahin ungekannter interpretativer Subjektivität. Rembrandts religiöse Bildwelt ist so losgelöst von dogmatischen Traditionen, dass sich dort "Konfessionen im Evangelium begegnen können" (Werner Sumowski).

Radierungen erlauben Veränderung und Umarbeit. Die von Rembrandt in seiner Spätzeit vorgenommenen operativen Eingriffe sind freilich derart rigoros, unerbittlich, bisweilen gar aggressiv und in der Geschichte der Druckgraphik so einzigartig, dass man auf den ersten Blick kaum dieselbe Platte hinter den verschiedenen Abzügen vermuten möchte. Die Staatliche Graphische Sammlung München ist stolz auf eine ganze Reihe kapitaler Drucke, die gerade dieses Nebeneinander der späten, gleichsam radikalisierten Rembrandt-Gedanken auf allerfeinstem Niveau belegen.

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Rembrandt 1606-2006
Ausstellung der Staatlichen Graphischen Sammlung in der Pinakothek der Moderne