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Die Ausstellung REGELEI verhandelt die Ränder der Ordnung von Gesellschafts-, Wissenschafts- und Kommunikationssystemen. Sie fragt nach dem Nicht-Planbaren und Unvorhergesehen innerhalb des Regulativen ebenso wie nach einem daraus erwachsenden Handlungs- und Widerstandspotenzial.

Konventioneller Weise wird für die Konstitution und Aufrechterhaltung funktionierender Ordnungssysteme ein zielorientiertes, zweckmäßig systematisches Handeln vorausgesetzt und auch verlangt. Andere Formen des Tätigseins werden als Verlust von (Selbst-)Kontrolle empfunden und als Machteinbuße gefürchtet. Der angenommene Zusammenhang von Ursache und Wirkung trägt hierbei entscheidend zum gewünschten Sicherheitsgefühl bei. Dieses Denkraster wird nahezu auf alle zivilisatorischen und auch natürlichen Bereiche übertragen: Das Wetter wird vorausgesagt, Umfragen und Statistiken machen etwa bei Wahlen große Menschenmassen kalkulierbar, während der „Zufall“ und nichtberechenbare Ereignisse auf Ausnahmebereiche wie Lotto, Krankheit und Tod zurückgedrängt werden. Fließende, diffuse Vorgänge und Handlungsweisen, die ihr eigenes Werden eher beobachten und erwarten und nicht so sehr steuern, sind dementsprechend negativ besetzt. Sie werden als instabil, nebelig, schwach oder auch gefährlich bewertet.

Sind Ordnungssysteme möglich, die nicht auf Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit ausgerichtet sind und damit auch nicht als Machtinstrument zur Verfügung stehen? Lässt sich das Ungewissen und Unbekannte als Teil einer (künstlerischen) Strategie planen im Sinne von konzeptuell integrieren? Welches Potenzial lässt sich aus Momenten der Ablenkung bis hin zur Aufgabe von Kontrolle schaffen? Welche Formen der Widerständigkeit lassen sich aus derartigen Handlungsformen entwickeln? Die Ausstellung REGELEI setzt bei diesen Fragen an. Die ausgewählten Arbeiten entwickeln Aufzeichnungssysteme und Diagramme, die Gesetz- und Regelmäßigkeiten gleichermaßen fassen, wie deren Desorganisation, Auflösung oder das Umkippen ins beängstigend Absurde.

Carla Åhlanders Fotoarbeit untitled 1-12 (Berliner Meldestellen) führt die scheinbar immer gleiche, praktikable Ausstattung der behördlichen Empfangsräume vor Augen. Die Raumansichten mit ihren die Vereinzelung betonenden Stuhlreihen zeugen von den alltäglichen Ritualen und Arbeitsabläufen jener Orte, an denen die bürgerlichen Rechte festgelegten Organisationsmustern folgend verwaltet werden. Menschenleer und von brutaler Nüchternheit verkörpern sie das Paradoxon einer Atmosphäre, die zwischen Stille, Langeweile und Angst vor der demonstrierten Machtstruktur oszilliert.

Kennzeichnend für die Arbeiten von Haroon Mirza und Flora Watzal ist, dass sie grundlegende Wahrnehmungsregeln hinterfragen. Haroon Mirzas Sound-Skulptur Acoustic space mirrow sendet gleichzeitig alle an einem Ort zu empfangenden Radioprogramme. Die aus vielen Funksignalen dekodierten Informationen werden in der Überlagerung zu einem rauschenden Klangteppich, die einzelnen Informationen in der Anhäufung aufgelöst.

Flora Watzal erzeugt eine ähnliche Form der Desorientierung, indem sie in ihren Videos die Fähigkeit ein Objekt zu fokussieren und damit aus seinem Kontext zu lösen umkehrt und stattdessen die Umgebung zum Ankerpunkt des Blicks macht. Ausgehend von formalen Sehgewohnheiten zerlegt sie so die sichtbare Wirklichkeit und zerstört die Vorstellung vom euklidischen Raum.

Jürgen Stollhans hingegen dekonstruiert und ironisiert in seinen Arbeiten verschiedene, der täglichen Medienwelt entnommene Zeichensysteme. In seiner Computeranimation Mach 8. Erweiterung des Lehrplans besteht die Erzählung ähnlich wie bei einem Computerspiel aus einem Labyrinth sich unregelmäßig variierender und wiederholender Bildräume. Durch ungewöhnliche Kombinationen und Verschiebungen der Bildmotive und -kontexte legt Stollhans die ursprüngliche Arbitrarität der Zeichen frei und schafft beunruhigende Schattenwelten der Bedeutungen.

Ähnlich wie Jürgen Stollhans erfinden auch Constantin Luser und Gernot Wieland assoziative, privatmythologische und fantastische Systeme. Constantin Lusers Zeichnungen und Skulpturen sind wuchernde, mentale Landkarten. In den verschachtelten Bauplänen existieren technische Utopien parallel zu organischen und informationstechnischen Überlegungen, die sich mit imaginären Erzählungen kreuzen.

Das fortlaufende Projekt von Gernot Wielant bezieht sich auf die fiktive Figur eines Wissenschaftlers. In Zeichnungen, Büchern und Videos setzt er seine Naturbeobachtungen und Forschungsergebnisse ins Bild und entwickelt dabei in der Anwendung wissenschaftlicher Sprachen und Ordnungssysteme eine eigenständige Poesie.

Die Arbeiten von Alexa Kreißl und Daniel Kerber sind geprägt von der Auseinandersetzung mit megalomanischen, urbanen Architekturen und wuchernden Infrastrukturen. Ihre 2005 entstandene Installation drifting expectations basiert auf Beobachtungen von Gebäuden, die durch Erdbeben „zerstört“ wurden, im Zusammenbruch jedoch zu einer neuen, statisch stabilen Form fanden. Die in der Ausstellung zu sehende, gleichnamige Videoarbeit zeigt den Abriss der daraus von Kreißl + Kerber entwickelten Styroporarchitektur durch die KünstlerInnen und treibt so das Spiel mit der Transformation stabiler Ordnungen weiter.

Thomas Hörl und Peter Kozek arbeiten seit 2003 als Künstlerduo kozek hörlonski zusammen. Ihr für die Ausstellung entwickeltes Raumbild The Knitting Nancies Dead Knitting Nancies basiert auf einer losen Zusammenfügung von Bruchstücken vorangegangener installativer und performativer Arbeiten, die hier aufs Neue in Frage gestellt werden: „kozek hörlonski bitten Ihre beiden Freundinnen Ka...... und Be...... um einen Traum: Dutzende Aufzeichnungen systemischer Anordnungen von Paraffinobjekten nach einem kryptischen Zahlensystem. Gebrochener Doppelgalgen, umrankt von wuchernder roter Wolle. Bilder im Sog von Todessehnsucht und drohender Auslöschung durch fremde Hand. Knoten in großer Auflösung ...“

Pressetext

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Regelei
KuratorInnen: Stefan Lux, Annette Südbeck

mit Carla Ahlander, Kozek Hörlonski, Kreissl & Kerber, Constantin Luser, Haroon Mirza, Jürgen Stollhans, Flora Watzal, Gernod Wielant