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Die post-industrielle Gesellschaft hat die Selbstverwirklichung und -optimierung zu ihren wichtigsten Werten erklärt. Die Möglichkeiten, die als Instrumente zur Erreichung dieses Ziels zur Verfügung stehen erscheinen fast unbegrenzt und erfordern ein ständiges Auswählen. Die Wahlmöglichkeit, an sich ein Basiselement von Demo-kratie, kann sich durch diese Überbeanspruchung in das Gegenteil verkehren, wenn wir gezwungen sind ständig individuelle Entscheidungen zu treffen. Das Internet, das eine ständige Meinungsabfrage durch soziale Plattformen anbietet, forciert diese Tendenz noch zusätzlich. Im geschützten virtuellen Raum findet eine ständige Aufforderung zur Äußerung und damit auch ein steter Abgleich zwischen der eigenen Person und dem Kollektiv statt (was machst du gerade; 3.000 Personen gefällt das; Personen, die XY kauften, kauften auch das). Allerdings verbleiben die meisten dieser Äußerungen auf einer sehr individuellen, emotionalen Ebene, aus der keine gesellschaftlic he Verantwortlichkeit entsteht. Die Philosophin und Soziologin Renata Salecl verweist in "The Tyranny of Choice (2010) auf die Paradoxie der ständigen Wahlmöglichkeiten einerseits und der daraus resultierenden anti-demokratischen Tendenz anderseits: "Choice is a powerful mechanism in people’s hands. It is the basis, after all, of any political engagement and of the political process as a whole. However, when choice is glorified as the ultimate tool by which people can shape their private lives, very little is left over for social critique.

Die Positionierung der eigenen Person wird verschoben, sowohl örtlich auf ein anderes Spielfeld als auch zeitlich, indem eine verbindliche Entscheidung auf einen unbestimmten Zeitpunkt in der Zukunft vertagt wird. "Facebook is the mother of procrastination lautet ein Statement zum Modethema Aufschiebementalität. Obwohl das Zitat selbst eher auf eine reale Ablenkung durch die Verwendung von sozialen Plattformen abzielt, passt es zu einer Struktur, welche teilweise Aktivität und Teilhabe bewusst simuliert und die eigene Positionierung in der Schwebe hält. Die Wahl wird vom Machtinstrument zur Last, der mit einem "vielleicht ausgewichen werden kann. Ein Beispiel hierfür ist die "Teilnahme unsicher-Funktion von Facebook, denn folgt man der Logik des binären Systems wären zwei verschiedene Antwortmöglichkeiten zu der Frage ausreichend: Ja und Nein. Sich mehr oder weniger verbindlich für eine Anwesenheit oder dagegen zu entscheiden stellt im Kreislauf der ständigen Wahlpflicht eine Hürde dar, die mit der Generierung einer dritten Option umgangen wird.

Die Ausstellung soll dem Problem der bewussten Auflösung von Positionierung und der damit einhergehenden Aufschiebung von Aktionismus als Frage zur Post-Demokratie nachgehen. Diese ist nicht an spezifische künstlerische Strategien gebunden, vielmehr sollen in der Interaktion verschiedene Ansatzmöglichkeiten zu dem Thema zusammengebracht werden.

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Qual & Wahl: Pflicht, Freiheit, Zwang
Kuratorin: Jennifer Bork

Künstler: Anetta Mona Chisa & Lucia Tkacova, Jennifer Grimyser, Oliver Husain, Iman Rezai & Rouven Materne, Rebecca Ann Tess