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Eröffnung: 15. November 2007, 19.00 Uhr

Das in Wien lebende und international tätige Künstlerduo PRINZGAU / podgorschek hat für das Künstlerhaus das Projekt mit dem Titel weg mit dem Ziel! entwickelt. Dem Publikum bietet sich dadurch die Möglichkeit, den Blick in ein wesentliches Segment des weitreichenden charakteristischen Kunstkosmos zu werfen.

Winzige, kleine und größere Objekte, von Türschildern über Medikamentenschachteln bis hin zu den Tischlampen, signalisieren auf den ersten Blick eine Dingverliebtheit. Mit diesem Fokus auf Alltagsgegenständen verarbeiten die Künstlerin und der Künstler einerseits die eine oder andere Strömung aus der Kunstgeschichte, andererseits radikalisieren sie den Bezug zum Ding, indem sie es mit neuen Bedeutungsschichten aufladen und als mit einem hohen Maß an Ambiguität versehene Markierungen in einen Befund der unterschiedlichen wichtigen Merkmale des Lebensraums wie der eigenen Verortung in diesem wenden. Wir greifen zu kurz, wenn wir ausschließlich den dadaistischen Witz ins Treffen führen oder gar über ein unreflektiertes Aufleben einer Trash-Kultur uns Gedanken zu machen anschicken.

Auch wenn der Wertmaschine Museum / Kunstraum ein kräftiger Stoß versetzt wird, der sich als labiles Schwanken auf dem als stabil eingeschätzten Boden unter den Füßen auswirkt, hält sich die vermeintliche Provokation in Grenzen, nicht ohne auf die Durchlässigkeit dieser Grenzen hinzuweisen. Fürs Erste wird der Goldrahmen des Bildes von der Wand genommen und auf einem Areal von 7 x 13 Metern auf dem Boden ausgebreitet. Aus vorgefertigten Rohren zusammengesetzt, irritieren weniger die veränderte Skalierung und die Fragmentierung der Rahmenform als deren Bildinhalt. In dem vielteiligen Ensemble tauchen über die Kreuzformen hinaus keine Übereinstimmungen, Weiterführungen oder aufeinander abgestimmten Bezugssysteme auf. Doch selbst die Schachtel-Kreuze scheinen an den Rand der üblichen Wahrnehmung gedrängt zu sein und bestenfalls die Rolle eines instabilen Symbols zu übernehmen. Später stellt sich diese Instabilität als mehrschichtiges indexikalisches Konstrukt heraus, da sie Träger von komplexen, via Medien übermittelten Nachrichten aus der Wissenschaft, da sie Kreuzungspunkte von Raumkoordinaten, da mit den Enden ihrer Balken kosmologische und subjektive, systemische und gestalterische Dimensionen in das unter verschiedenen Gesichtspunkten aufgerichtete Zeichen integriert sind.

In den „Raumverstärkern“ oder „Wörterkübeln“ (oder doch „Kübelwörtern“?) nisten sich architektonische Prinzipien und, daraus abgeleitet, deren Qualitäten ein. Die aus ausgeschnittenen Buchstaben eingerichtete Textebene korrespondiert mit den Vorstellungen ebenso anonymer wie kryptischer Botschaften und streift dabei nicht zufällig am Konsumraum (oder Raumkonsum?) und der Werbebotschaft an. In bewusster Heimkino-Atmosphäre, ohne die Perfektion der als Präsentationsraum längst verbrauchten Medienkojen anzustreben, wird in der Apsis des Hauses ein Zeit-Raum eingerichtet: Jahrzehnte ziehen am Besucher vorbei; bekannte und weniger bekannte Gesichter markieren nicht nur Lebensstationen, sondern auch eine jeweils zeitlich eingegrenzte Thematik, an deren spezifischer Visualisierung auch das Trägermaterial seinen Anteil hat. Im Nebenraum erwartet die BesucherInnen ein aus mehreren einzelnen Möbeln zusammengesetzter riesiger Behauptungstisch, der zum Zeitpunkt der Eröffnung nicht „in Betrieb“ ist, mit seiner eleganten Bestuhlung eine „eingefrorene theatralische Szene“ abbildet und dadurch eine Schnittstelle zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft markiert, die sich letztlich auch in der Erweiterung der Ausstellung abbildet.

Knapp vierzehn Tage nach der ersten Eröffnung findet am Abend des 28. November eine zweite statt, eine, welche die Ausstellung in einem veränderten Zustand zeigt. Einige Tage zuvor haben eingeladene KünstlerInnen, sogenannte InfiltrantInnen, die Gelegenheit gehabt, auf die unterschiedlichen, auf dem Boden angeordneten Objekte der Ursprungsinstallation des Künstlerpaares zu reagieren. Mit den vorausprogrammierten Veränderungen soll der Prozess der Entstehung, am besonderen Anlass festgemacht, als allgemeine künstlerische Größe erfahren werden. Dass sich diese Erfahrung weder auf einer abstrakten noch auf einer sakrosankten Ebene abspielt, dafür sorgt der Abend mit dem Behauptungstisch: Hier wird über das weitere Erscheinungsbild der Ausstellung verhandelt. Neue Beiträge können – nach ausführlicher Diskussion und Begründung – in ein erweitertes Ensemble aufgenommen oder aus ihm entfernt werden. Mit der gewählten Dramaturgie stellen PRINZGAU / podgorschek subjektive Selbsteinschätzung, Kritik, Ausstellungspraxis und Kunstbetrieb auf einen visuell eindrucks- und einen intellektuell anspruchsvollen Prüfstand. Wenn alles in Bewegung ist, wenn alles fließt, warum soll sich das Kunstwerk mühsam in seinem Rahmen halten anstatt aus diesem herauszufallen?

Für die Programmatik des Künstlerhauses bietet der Beitrag, der trotz seines offenen, präziser gesagt aufgelöst erscheinenden Eindrucks streng und mit enormer Orientierungssicherheit in den auf lange Sicht gemachten und verarbeiteten Beobachtungen konzipiert ist, eine hervorragende Gelegenheit, die angepeilten Untersuchungsfelder mit einer weiteren unverwechselbaren Positionierung abzustecken: Das Verhältnis der Kunst zu ihren Präsentationsflächen, die Durchlässigkeit des Ausstellungsraums von innen nach außen und umgekehrt sowie das unerschrockene Thematisieren und Auflösen traditioneller Werte-Parameter.

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PRINZGAU/podgorschek
weg mit dem Ziel! Dingkunst- und Leseparzelle
Kurator: Werner Fenz