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Seit 1994 und im Turnus von zwei Jahren vergibt die Wüstenrot Stiftung in enger Zusammenarbeit mit der Fotografischen Sammlung im Museum Folkwang, Essen, Förderpreise für Dokumentarfotografie an junge Fotografinnen und Fotografen, die ihr Studium an einer deutschen Hochschule oder Akademie im Bereich der Dokumentarfotografie absolviert haben. Bereits zum vierten Mal ist die renommierte Wanderausstellung zu Gast im Museum für Photographie, das nun die vier Preisträger des Förderpreises für Dokumentarfotografie 2003/04 mit ihren prämierten Arbeiten vorstellt.

Chris Durham wählte für sein Projekt „Die Narbe Deutschlands“ einen subjektiven, von den eigenen Erfahrungen und Erlebnissen geprägten Zugang zur Dokumentarfotografie. Die Dokumentation der Überreste der innerdeutschen Grenze entstand bei einer Wanderung zu den neuralgischen Punkten der Linie, die die beiden Machtblöcke trennte. Er fügte seinen Bildern eingestreute Texttafeln hinzu, die aufgeschnappte Worte und Satzfragmente wiedergeben. Seine Arbeiten geben eine nüchterne, sachliche Sicht auf die winterlichen Grenzlandschaften frei.

Sibylle Fendt portraitiert in „Lena Engel – Vom Hinfallen und wieder Aufstehen“ eine Patientin einer psychosomatischen Klinik. Die Intimität der Portraits betont sie durch radikale Bildanschnitte, mit denen sie sich der jungen Frau nähert. Dabei bevorzugt sie meistens gedeckte helle Farben. Mit der Vielfalt der Aufnahmen erschließt die Fotografin eine komplexe Persönlichkeit, mit der sie über die ausforschende Kamera in einen Dialog tritt.

Ulrich Geberts Dokumentation der Übungen von Anti-Terror Einheiten „Sie und Wir“ ist in zwei Serien aufgespaltet. So erzählt der erste Teil weniger von heroischen Rettungsaktionen und der Gefährlichkeit der Ausbildung als vielmehr von den alltäglichen Einsätzen auf den Trainingsgeländen. Wie verloren wirken die Polizisten auf den kahlen Betonflächen, in den Übungsgräben. Im zweiten Teil widmet sich Gebert dem Übungsgelände selbst, das aus Plattenbauimitaten nach einem Baukastenprinzip zu einer Modellsiedlung zusammengesetzt wurde und von Gebert in seiner ganzen Künstlichkeit vorgeführt wird.

Wolfgang Müller portraitiert in „faces.SIBIR“ junge Frauen in Sibirien, die er bei ihren Vorbereitungen für einen Discobesuch, beim Telefonieren oder ins Cafe begleitet hat. Wichtig ist ihm die genaue Beobachtung der verschiedenen Dresscodes, der Gesten und Haltungen und fotografiert sie, den Mustern der klassischen Reportage folgend. Was die Reihe jedoch in den Bereich der Dokumentarfotografie hebt, ist der eigenständige, reflektierte Zugriff auf das Thema.

Wie kein anderes Bildmedium eignet sich die Fotografie für die Erfassung und Dokumentation von Realität, für den Blick auf das Andere und das Neue. Dabei werden jedoch auch dokumentarische Fotografien von kritischen Betrachtern zunehmend auf ihre Authentizität, auf die individuelle Handschrift des Fotografen und auf den Einfluss moderner, digitaler Bildtechniken hin befragt. Hier ist ein kreatives Spannungsfeld entstanden, das viele junge Fotografen für engagierte Projekte nutzen und mit dem sie die Grenzen des Begriffs „Dokumentarfotografie“ kontinuierlich ausweiten.

Den Arbeiten der Stipendiaten werden dokumentarische Fotografien aus den Beständen des Museums für Photographie in Torhaus I gegenüber gestellt.

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