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Precious Okoyomon. Earthseed

22. August — 1. November 2020

876 führte die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika die japanische Kletterpflanze Kudzu im Mississippigebiet ein. Infolge des massiven Baumwollanbaus schritt die Bodenerosion derart stark voran, dass dem Staat drohte, seine gesamten nutzbaren Böden zu verlieren. Bekannt für ihre rasante Vermehrung, wurde die Pflanze als Waffe eingesetzt, um den Boden wieder zu stärken. Kudzu, tausende Kilometer von ihrer Heimat Japan entfernt, mutierte zum monströsen, alles konsumierenden Etwas, was ihr den Beinamen „die Pflanze, die den Süden fraß“ einbrachte. Heute wird sie als Metapher für die Bedrohung durch invasive Arten verwendet. Ihre Geschichte als gescheitertes Heilmittel steht für den gewaltigen und weithin vergessenen Tribut, den das Ökosystem der Südstaaten für die Sklaverei zahlen musste. Die Geschichte der Pflanze ist in derselben Sprache geschrieben, die Menschen wie Natur zu Objekten macht und Ausschluss, Unterdrückung und Vereinzelung produziert. Bis heute bedeckt Kudzu weite Bodenflächen der Südstaaten: Würde man die Kudzupflanze entfernen, wäre bald wieder der alte Zustand der Erosion erreicht. Ihr Anbau ist jedoch unter Strafe gestellt.

Die Künstlerin und Lyrikerin Precious Okoyomon (* 1993) versetzt diesen transhistorischen Raum ins Museum. Der Ausstellungsraum wird zum Lebensraum für permanenten Wandel, in dem wesenhafte Subjekte eine neue Form finden. Die Ausstellung wurde nach der fiktionalen Religion „Earthseed“ benannt, die Octavia E. Butler für ihre Romane Parable
 of the Sower und Parable of the Talents erfand. Sie basiert auf der Annahme, dass der Samen der Erde überall ausgesät werden kann und aufgrund seiner Anpassungsfähigkeit überleben wird. Dieser Gedanke fordert uns dazu auf, eine Theologie der Veränderung, des Wandels und der Bewegung zu denken.