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Galerie Poll

Pop & Politik. Albert, Baehr, Wintersberger
Frühe Arbeiten
19.01.2019 - 02.03.2019

Eröffnung: 18.01.2019 18:00 - 21:00 Uhr

Der Kunstdiskurs in West-Berlin war Ende der sechziger Jahre durch die amerikanische Hard Edge- Malerei, die Minimal Art und die Pop Art bestimmt. In ihrer Auseinandersetzung mit politischen und gesellschaftlichen Themen knüpften einige Künstler zur gleichen Zeit an die Werke eines John Heartfield oder George Segal an: Hermann Albert (1937), Ulrich Baehr (1938) und Lambert Maria Wintersberger (1941-2013) brachten diese kritische Tradition mit Elementen der damals aktuellen Pop Art zusammen. Pop & Politik zeichnet diesen Prozess mit Arbeiten der sechziger Jahre nach.

Charakteristisch für die frühen Bilder von Hermann Albert (*1937) ist eine flächig betonte, stark farbige Figuration. Albert malt Frauen in verschiedenen Bewegungsphasen: Sie kleiden sich an oder aus, bewegen sich von hier nach dort, bücken sich oder richten sich auf. „In einer Welt des Gewöhnlichen versuche ich nichts anderes, als etwas Gewöhnliches zu zeigen.“ (Hermann Albert) In nebeneinandergereihten Bildtafeln verändert sich die Haltung der Figur nur minimal oder die Szenerie ist vor glattem, monochromem Hintergrund auf einer einzigen Bildtafel auf mehrere kleinere Flächenabschnitte komprimiert. Alberts Frauen, Posen und Momente sind in kühlen, leuchtenden Acrylfarben gemalt.

Ulrich Baehrs sogenannte Historienbilder mit Titeln wie Fries für Liebhaber (1965), Sportpalast (1966), Stalin (1966), Le Genéral (1966) oder Neon Mao (1968) entstanden zwischen 1964 und 1968. Baehr führt die Diktatoren, Politiker und Machthaber auf seinen Bildern vor als „nüchtern distanzierte ‚Negative‘ der überlieferten und kolportierten Physiognomien und Rituale deutscher Macht und Herrlichkeit. [...] Der heftige Pinselgestus zerfetzt die wohleinstudierte Pose zur Lächerlichkeit, reduziert den Pomp der Inszenierung zur dürftigen Staffage“. (Eckhart Gillen). Fotos aus Zeitungen und Illustrierten dienen ihm als Quelle, nicht aber als direkte Bildvorlage. Er löscht Gesichts- und Körperpartien, zieht Räume und Körper zusammen und charakterisiert die derart „reduzierte“ Prominenz durch Mimik oder Gestik. Von den matten, tonigen Leimfarben wechselt Baehr später zu leuchtenden, grellen Acrylfarben. Exemplarisch steht für diese Entwicklung das Gemälde Neon Mao (1968). Der Künstler schenkte es kürzlich der Kunststiftung Poll für ihre Sammlung.

Lambert Maria Wintersberger, vom Kunstkritiker Heinz Ohff zum „originellsten Pop-Artisten Deutschlands“ befördert, gründete 1964 zusammen mit Ulrich Baehr, K.H. Hödicke, Markus Lüpertz, Wolfgang Petrick, Peter Sorge und anderen Malern in West-Berlin die legendäre Produzentengalerie Großgörschen 35 (1964-68). In ihr fanden Künstler in ihrer Abwendung vom Informel und Tachismus im gemeinsamen Streben nach Gegenständlichkeit in der Malerei zusammen.

Die Fragmentierung der Figur und dadurch gewonnene, neue „Ein-Sichten“ sind charakteristisch für Wintersbergers Blick auf die westliche Konsumgesellschaft. In einem glatten, konturfixierten Stil verfremdet er die Welt der Reklame mit überdimensionierten Fingern und Fingernägeln sowie riesigen Mündern in tonalen, süßlichen Farben. Es folgen die formatfüllenden Sprengungen, Spaltungen und Fesselungen einzelner Körperteile in unterkühlten Grautönen.

Die bis zum 2. März verlängerte Ausstellung Die 60er & 70er Jahre in Berlin: Albert, Kraemer, Lange, Petrick, Sorge. Werke aus der Sammlung der Kunststiftung Poll in der Kunststiftung Poll (Gipsstraße 3, 2. Etage, nach Vereinbarung) bietet weitere Einblicke in die Kunstszene jener Jahre in West-Berlin.