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POLYPHON. Künstlerische Positionen der Sammlung Viehof
15.04.2018 - 19.08.2018

„Das Wesen der Kultur ist die Veränderung.“
François Jullien

Die Ausstellung POLYPHON bringt Werke von sechs Künstlerinnen und Künstlern zusammen, die in der Sammlung Viehof vertreten sind: Thomas Houseago, Kimsooja, Danh Vo, Marijke van Warmerdam, Corinne Wasmuht und David Zink Yi. Die künstlerischen Positionen unterscheiden sich deutlich in ihren Arbeitsweisen, Themen und Medien, die Malerei, Skulptur, Installation sowie Film und Video umfassen. Die Ausstellung setzt diese eigenständigen Stimmen zueinander in Beziehung und zeigt, was die Künstlerinnen und Künstler verbindet: ein mehrstimmiges Denken und Miteinander von Kulturen und Vorstellungen als Perspektive in einer globalen Welt. Den Ausgangspunkt der Ausstellung bilden Arbeiten der Künstlerinnen und Künstler, die meist bereits zu einem frühen Zeitpunkt ihrer künstlerischen Laufbahn für die Sammlung erworben wurden. Sie werden ergänzt durch aktuelle Werke, die zum Teil eigens für die Ausstellung entstehen.

Die Deichtorhallen in Hamburg haben im vergangenen Jahr einen umfassenden Überblick über die Sammlung Viehof präsentiert, der vor allem deren Schwerpunkt deutscher Kunst seit den 1960er Jahren verdeutlichte. Die Ausstellung in der Langen Foundation konzentriert sich darauf, Zusammenhänge zwischen einigen ausgewählten internationalen Positionen der jüngeren Gegenwartskunst herzustellen. Diese sind zugleich Teil eines globalen Diskurses und geprägt von ihren spezifischen Traditionen. Die Ausstellung steht darüber hinaus in Bezug zum Selbstverständnis und Erbe des Hauses: in der kulturübergreifenden Sammlung der Stifter Viktor und Marianne Langen ist bereits einen transkultureller Ansatz angelegt.

Dabei stehen im Zentrum Fragen nach den Bedingungen menschlicher Koexistenz, denen sich die Künstlerinnen und Künstler auf jeweils unterschiedliche Weise nähern. Alle Beteiligten verbindet die Auseinandersetzung mit der Komplexität von Identität, die nicht als feste Einheit und Konstante verstanden, sondern in Bewegung gedacht wird. Während Thomas Houseago seine „utopische Vision“ auf die Auseinandersetzung in der skulpturalen Tradition überträgt und mit seinen archaischen Formen und Abstraktionen den Körper in den Mittelpunkt stellt, wird im performativen Ansatz Kimsoojas der Körper zum Instrument und Medium ihrer künstlerischen Praxis, die sie als Beitrag zu mehr Humanität versteht. Dieser humanistische Aspekt findet sich ebenso in David Zink Yis Konzept der Independencia wie in Marijke van Warmerdams „Zeitvorstellungen“.

Die Ausstellung rekonstruiert ein zentrales Werk von David Zink Yi, das gleich nach seiner Entstehung und der erstmaligen Präsentation im Museum Ludwig für die Sammlung erworben wurde. Der sogenannte „Japanraum“ der Langen Foundation ist der komplexen Videoinstallation Independencia I von 2005 gewidmet, deren Holzkonstruktion die Form einer Trommel aufnimmt. Mit dieser Rauminstallation spielt der Künstler, der sich seit vielen Jahren mit kubanischer Musik befasst, auf die sogenannte „Unabhängigkeit“ an, die Percussionmusiker in ihrem Spiel entwickeln müssen. Über die Musik hinaus ist diese „Independencia“ nicht nur ein Bild dafür, wie wir persönliche Identität denken können, sondern ebenso für das Miteinander der Kulturen in unserer globalisierten Welt.

Migration prägt auf verschiedenste Weise die Arbeiten vieler der beteiligten Künstler, auch innerhalb ihrer persönlichen Geschichte. Das in der Ausstellung präsentierte Werk We the People von Danh Vo, der mit seinen Eltern aus Vietnam floh und in Dänemark aufwuchs, ist von 2011-2014 entstanden und eines seiner bekanntesten Werke. Die fragmentarisch angelegte Rekonstruktion der Kupferhülle der New Yorker Freiheitsstatue - in einem Masstab von 1:1 - ist mit ihren rund 300 Fragmenten in Sammlungen überall auf der Welt verstreut. So auch in der Sammlung Viehof.

1964 in Dortmund geboren, wuchs Corinne Wasmuht in Peru und Argentinien auf. Entsprechend war sie stärker durch die lateinamerikanische Kultur geprägt als durch Strömungen der deutschen Nachkriegskunst, insbesondere durch phantastische Literatur.

Erst Mitte der 1980er Jahre kam sie nach Deutschland, um an der Düsseldorfer Akademie ihr Kunststudium aufzunehmen. In einer nahezu altmeisterlichen Arbeitsweise entstehen in einem zeitintensiven Prozedere nur einige wenige großformatige Bilder im Jahr, die in der Regel in Öl auf Holz gemalt sind. Dieses scheinbar anachronistische Vorgehen steht nur vermeintlich im Widerspruch zur extremen Dynamik von Wasmuhts Malerei. Sie verbindet in ihren Bildkompositionen ein Höchstmaß an Verdichtung mit explosiver Auflösung und führt gerade als Malerin eine weitreichende Auseinandersetzung mit der heutigen, allgegenwärtigen Digitalisierung.

In Marijke van Warmerdams Arbeit Time is Ticking von 2014 erweist sich Zeit bzw. ihre Darstellung und auch ihr Erleben individuell als höchst unterschiedlich. Umlaufend an den Wänden des Ausstellungsraums hängen 12 Wolldecken, auf denen sich Ergebnisse eines Tests wiederfinden, der zur Demenz-Diagnose eingesetzt wird, um kognitive Fähigkeiten zu prüfen. Die Patienten werden gebeten, eine Uhr zu zeichnen, die „Zehn nach elf“ anzeigt und es gilt als Indiz für eine Erkrankung, wenn dies nicht gelingt. Die 12 Wolldecken geben tatsächlich jeweils unterschiedliche aber allesamt fehlerhafte Versionen des Zifferblatts wieder und dokumentieren so Abweichungen von der Norm. Sie verweisen auf das individuelle Erleben von Zeit, das sich je nach Alter oder Bewußtseinszustand unterscheidet.

Die Begleitung und Unterstützung der künstlerischen Entwicklung über einen längeren Zeitraum ist ein Anliegen der Sammlung Viehof, ebenso das Engagement im Rheinland. Die Kooperation mit der Langen Foundation für die Ausstellung Polyphon ist hier ein weiterer Schritt. Mit ihrem Fokus auf eine kleine Auswahl von insgesamt sechs jüngeren, international anerkannten Künstlern und Künstlerinnen, arbeitet die Ausstellung einen Aspekt der Sammlung heraus, der bisher weniger bekannt ist, und zeigt damit zugleich deren Dynamik und den engagierten Gegenwartsbezug.

Kuratiert wird die Ausstellung von der künstlerischen Direktorin der Langen Foundation, Christiane Maria Schneider.

Zur Ausstellung entsteht eine begleitende Publikation.