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poetics of reality (encoded) - brigitte kowanz | troika

Kuratiert wurde die Ausstellung von Madeleine Freund, und entstand in Kollaboration mit der Galerie OMR, Mexico City.

6 april – 2 june

Mit der ersten großen Ausstellung des Jahres knüpft max goelitz daran an, das seit der Eröffnung im März 2020 etablierte Profil der Galerie weiter zu schärfen. poetics of reality (encoded) bringt erstmals die Werke von Brigitte Kowanz und dem Kollektiv Troika zusammen und verdeutlicht im Dialog deren experimentellen Umgang mit menschlicher Wahrnehmung, sowie der Übertragung und Vermittlung von Informationen. Beide künstlerische Positionen befragen unterschiedliche Formen von Repräsentation innerhalb einer subversiven Auseinandersetzung mit Abstraktion und neuen Bildformeln. Ihre Werke stehen in der langen Tradition bildender Kunst als einer Praxis, die sich wissenschaftlicher Methoden bedient. In diesem Kontext werden insbesondere Werke gezeigt, die über kraftvolle ästhetische und konzeptuelle Wahrnehmungsphänomene hinaus, mithilfe der Untersuchung von Sprache, Codes oder Algorithmen eine kritische Auseinandersetzung mit aktuellen Gesellschaftsthemen wie Klimapolitik und Digitalisierung suchen.

Brigitte Kowanz dient Licht als primäres künstlerisches Gestaltungsmedium, das als eigenständiges Phänomen, Material und Informationsträger erfahrbar gemacht wird und in welchem sich Sprache in politischen und historischen Aussagen mit formaler Ästhetik verbindet. In ihren Lichtskulpturen, wie der Serie Networks (2020), visualisiert die österreichische Künstlerin das komplexe Verhältnis von Sehen, Lesen und Verstehen, Wahrnehmen und Erkennen anhand von Morsecodes, die den Leuchtröhren eingeschrieben sind. Die Form und Segmentierung der Neonröhren ergeben sich dabei stets aus der Syntax von Worten, übertragen in den binären Code, der als formales Element und Träger einer zweiten Bedeutungsebene dient. Das Werk UN Climate Change Conference Paris 30.11.2015 12.12.2015 (2019) bezieht sich auf die Daten des Übereinkommens von Paris, das seit seiner Verabschiedung alle unterzeichneten Staaten zur Begrenzung menschlich induzierter globaler Erwärmung verpflichtet. In Morseschrift hat die Künstlerin die bedeutungsträchtigen zeitlichen Eckdaten der Verhandlungen in die spiralförmig geschwungenen Leuchtröhren eingeschrieben, die sowohl als Zeugnis europäischer Zeitgeschichte als auch Erinnerung an die globale Verantwortung jedes Einzelnen stehen.

Das Künstler/innen-Kollektiv Troika fragt in seinen medienübergreifenden Arbeiten, wie neue Technologien die physische Realität und deren individuelle Wahrnehmung durchdringen. Sie übertragen ursprünglich vom Menschen geschaffene Daten und programmierte digitale Systeme, künstliche Intelligenz und Algorithmen mit der ihnen zugrundeliegenden digitalen Formensprache zurück in die physische Welt und legen damit offen, wie sich der technologische Fortschritt und die menschliche Beziehung zur wahrnehmbaren Realität gegenseitig beeinflussen. Wie veränderbar räumliche Erfahrung und die Sichtweise auf Realität sind, verdeutlichen Troikas zwei Werkreihen Borrowed Light (2018-2021) und Unstable Constructs (2021). In ersterem werden Diafilmstreifen, die zuvor mit farbigem Laser belichtet werden, auf einer Acrylplatte fixiert, woraus sich ein Fluss intensiver Farbfelder ergibt, vergleichbar mit einem abstrakten fotografischen Bild. Das Werk folgt der Idee einer Endlosschleife aus Sonnenuntergang und Sonnenaufgang, in der das Farbspektrum dieses besondere Lichtereignis repräsentiert.

Der Titel der Ausstellung bezieht sich auf die von den Künstler/innen verwendeten, codierten Sprachformen als Teil unserer Realität, und weist gleichzeitig über die starke visuelle Präsenz der einzelnen Werke hinaus, auf eine jenseits der beschreibbaren Wirklichkeit liegende eigene Poetik.

Über die Künstler/innen

Der österreichischen Künstlerin Brigitte Kowanz (*1957, Wien) dient Licht als primäres künstlerisches Gestaltungsmedium, dessen unterschiedliche Erscheinungsformen sie in Objekten, Installationen und Rauminterventionen unter Verwendung verschiedener Leuchtmittel fortwährend befragt. Das Medium Licht wird dabei als eigenständiges Phänomen, zugleich auch als Material und Informationsträger, erfahrbar gemacht und so zu einer Metapher für die Suche nach neuen Darstellungsformen der sichtbaren Wirklichkeit. So verbindet sie in ihren Arbeiten Sprachliches – politische Aussagen und Nachrichtenübertragungen – mit formaler Ästhetik und veranschaulicht, dass Licht nicht bloß ein neutrales Vehikel für Information ist, sondern diese entscheidend mitgestaltet.
Brigitte Kowanz wurde 2009 mit dem Großen Österreichischen Staatspreis ausgezeichnet und bespielte 2017 den Österreichischen Pavillon auf der 57. Biennale von Venedig. Seit 1997 hält sie eine Professur an der Universität für Angewandte Kunst in Wien. Umfangreiche Einzelausstellungen der Künstlerin fanden im Museum Haus Konstruktiv in Zürich (2020), Galerie im Taxispalais in Innsbruck (2011) und Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig in Wien (2010) statt.

Troika ist ein kollaboratives zeitgenössisches Kollektiv, das 2003 von Eva Rucki (1976, Deutschland), Conny Freyer (1976, Deutschland) und Sebastien Noel (*1977, Frankreich) gegründet wurde. Die Künstler/innen leben und arbeiten in London, Vereinigtes Königreich.
Mit einem besonderen Interesse an den subjektiven und objektiven Lesarten von Realität und den verschiedenen Beziehungen, die der Mensch zur Technologie eingeht, untersucht Troika, wie in der digitalen Welt Informationen übermittelt werden und in die physische Realität übergehen. Ihre Werke beschäftigen sich mit unterschiedlichen Systemen von Repräsentation und verdeutlichen, wie der technologische Fortschritt und die menschliche Realität sich gegenseitig beeinflussen. Ausgewählte Einzelausstellungen von Troika fanden in der Barbican Gallery in London (2019), NC Arte in Bogota (2015) und Daelim Museum in Seoul (2014) statt. Troikas medienübergreifende Arbeiten sind Teil der Sammlungen des Centre Pompidou in Paris, des M+ in Hongkong, des Victoria & Albert Museums in London, des Art Institute of Chicago, des MoMA in New York, der Jumex Collection in Mexiko City und des Israel Museums in Tel Aviv. Im Jahr 2010 realisierte Troika drei ortsspezifische Installationen für den Britischen Pavillon auf der Weltausstellung Expo in Shanghai.