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Wie beteiligt sich die Öffentlichkeit am politischen Gespräch? Woraus besteht die öffentliche Meinung? Was versteht man unter öffentlichem Raum? Im Kunstdiskurs spielt die Bedeutung des Gesellschaftlichen eine zentrale Rolle. Begriffe wie Partizipation, Kollaboration, Social Turn oder Community-Based Art haben in den letzten Jahren sowohl die Produktion als auch die Rezeption von Kunst deutlich beeinflusst. Das Ausstellungsprojekt Playing the City erschließt den öffentlichen Raum als einen kollektiven, freien und gestaltbaren Raum. 23 internationale Künstlerinnen und Künstler wie Ulf Aminde, Dara Friedman, Dora García, Cezary Bodzianowski und Sharon Hayes werden die Innenstadt Frankfurts vom 20. April bis 6. Mai 2009 zum Ort unzähliger Aktivitäten und Situationen machen, die von Performances über Installationen bis zu „Guerillaaktionen“ reichen und das Publikum in unterschiedlichsten Formen einbinden werden. Auch über das Internet als digitale Erweiterung des öffentlichen Raums lässt sich Playing the City mitverfolgen: Die speziell für die Schau realisierte Seite www.playingthecity.de versammelt aktuelle Videos, Text- und Bildmaterial, Ausstellungskalender und Blog. Sie ist damit Katalog und Ausstellungsforum in einem. Gleichzeitig wird in einem Galerieraum der Schirn eine Büro- und Ausstellungszentrale eingerichtet, in dem das Ausstellungsteam öffentlich seiner Arbeit nachgeht – die Website bespielt, Fragen zur Ausstellung beantwortet sowie sämtliche Aktionen organisiert, kommentiert und dokumentiert. Außerdem werden im Büro- und Ausstellungsraum unter anderem Arbeiten von Rirkrit Tiravanija und Nasan Tur sowie Videos der bereits gelaufenen Aktionen als Filmloop zu sehen sein.

Die Idee, die Playing the City auf unterschiedlichen Ebenen umsetzt, denkt wichtige Avantgarden des 20. Jahrhunderts weiter. Schon Dada hat sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts in seiner Ablehnung „konventioneller“ Kunst bzw. Kunstformen und bürgerlicher Ideale auf die Straße begeben. Bewegungen wie die aus linksradikalen Intellektuellen und Künstlern um Guy Debord bestehende „Situationistische Internationale“ agierten ab den späten 1950er-Jahren an der Schnittstelle von Kunst und Politik, Architektur und Wirklichkeit. Die Situationisten entwickelten u. a. ein Konzept der „theoretischen und praktischen Herstellung von Situationen“, in denen das Leben selbst zum Kunstwerk werden sollte. In den 1960er-Jahren stellte die Fluxus-Bewegung die Maxime von Kunst und Leben als Einheit auf und maß damit den vielfältigen Prozessen des Alltags ebenso Relevanz bei wie dem Banalen. Parallel dazu drängten Aktionskunst, Happening und Performance auf eine Annäherung von Kunst und Lebenswirklichkeit. Vor allem in der Verbindung von Kunst und Politik, die neben dem Einsatz des Körpers einen wichtigen Strang innerhalb der Aktionskunst bildet, nahmen Kollaboration und die Einbeziehung der Öffentlichkeit eine wichtige Rolle ein.

Seit den 1990er-Jahren gewinnt unter neuen gesellschaftlichen Vorzeichen erneut eine auf Partizipation basierende Kunstpraxis an Bedeutung – analog zu den zunehmend interaktiven und kollaborativen Medienformen des Internets und den Realitäten des zeitgenössischen Globalisierungsnomadentums. Vielfach wird der Betrachter in die Herstellung von Kunstwerken eingebunden, und die traditionellen Rollen zwischen dem Künstler als Produzenten und dem Publikum als Rezipienten werden so weit wie möglich aufgelöst. Dies hat vielfältige Formen interaktiver, kooperativer und interdisziplinärer Verfahren hervorgebracht, die sich allerdings einer eindeutigen Zuordnung widersetzen. Der französische Theoretiker Nicolas Bourriaud schuf 1998 in „L’esthétique relationnelle“ unter dem Begriff der „relationalen Kunst“ eine grundlegende Theorie dieser Kunstformen. Er sieht deren utopisches Potenzial in der Entwicklung alternativer Räume, in denen andere Formen sozialer Beziehung, Kritik und Geselligkeit erprobt werden können. Indem den Rezipienten von Kunst durch gemeinsame Aktivitäten eine neue Kommunikationsmöglichkeit eröffnet wird, wirkt die relationale Kunst als Mittel gegen die gesellschaftliche Entfremdung.

Das Ausstellungsprojekt Playing the City gibt einen aktuellen Einblick in die breit gefächerten Spielarten partizipatorisch-kollaborativer Kunst und ist gleichzeitig selbst Experiment. Als geheimes „Guerillageschehen“, spektakuläre Überraschung oder temporärer Ort der Begegnung macht es sich die Innenstadt von Frankfurt zu eigen. Der in Wien lebende Künstler Leopold Kessler beispielsweise erfindet speziell für Frankfurt ein Straßencafé. Sonnenschirme, Tische und Stühle laden zum Verweilen ein. Wer sich allerdings setzt und bestellen möchte, wartet vergebens. Die „Ghost Terrace“, wie er diese Arbeit nennt, ist lediglich die formale Wiederholung eines herkömmlichen städtischen Inventars. Die Realitätswahrnehmung mittels unerwarteter musikalischer Interventionen zu verändern ist Ziel der Künstlerin Dara Friedman. In ihrer ebenfalls speziell auf Frankfurt zugeschnittenen Arbeit „Ballad of See Ya“ inszeniert sie den Rolling- Stones-Song „You can’t always get what you want“, der – intoniert von Solisten und Straßenmusikern, dem Glockenspiel der Alten Nikolaikirche, der Orgel des Kaiserdoms, der Haussprechanlage des Kaufhauses Kaufhof – zu verschiedenen Zeiten im öffentlichen Raum dargeboten wird. Außerdem sucht die Künstlerin über eine Anzeige nach Sängern oder Musikern, die „mit ganzem Herzen singen oder spielen“. Auch der Künstler Nasan Tur agiert im öffentlichen Raum. Sein Projekt „Backpacks“ wird nicht von ihm selbst, sondern vom Publikum realisiert: Tur hat sogenannte „Aktivrucksäcke“ gepackt, die jeweils Utensilien für unterschiedliche Aktionen im öffentlichen Raum enthalten und entliehen werden können. Ein Rucksack ist mit Material für eine Demonstration gefüllt, ein anderer ermöglicht es, auf der Straße zu kochen, ein dritter ist mit der Ausstattung für einen Straßenredner bepackt.

Als historische Referenz ist die 1967 erstmals realisierte und im Rahmen von Playing the City erneut aufgeführte Arbeit „Fluids“ des amerikanischen Künstlers und Theoretikers Allan Kaprow zu verstehen. „Fluids“ steht exemplarisch für die von Kaprow geprägten Begriffe „Happening“ und „Activity“ sowie für eine radikale Erweiterung des traditionellen Kunstbegriffs. Von einer Gruppe Freiwilliger wird eine minimalistische Außenskulptur aus Eisblöcken gebaut, die nach ihrer Fertigstellung langsam schmilzt. Die gemeinsame Arbeit an dem Werk spielt dabei eine ebenso wichtige Rolle wie seine vollendete und schließlich wieder zerfließende Form.

Produktion und Rezeption sind in mehreren Arbeiten von Playing the City eng miteinander verbunden oder identisch. Nahezu alle Werke dieses Ausstellungsprojekts werden innerhalb eines zeitlich limitierten Rahmens realisiert. Nach Abschluss des Projekts wird auch die Website aus dem Netz genommen und damit die Spur des Geschehens gelöscht – zumindest soweit sie sich nicht neue Wege durch das Netz gebahnt hat.

WEBSITE, KATALOG UND AKTUELLE TERMINE unter www.playingthecity.de. Die Online-Bibliothek stellt zahlreiche Texte u. a. von Guy Debord, Claire Bishop, Nicolas Bourriaud, Christian Höller, Jean-Luc Nancy, Erving Goffman, Joshua Decter, Grant Kester und Stella Rollig zum Lesen oder Downloaden zur Verfügung.

KÜNSTLER UND AKTIONEN

Ulf Aminde (*1969 in Stuttgart, lebt in Berlin) Titel noch unbekannt, 2009 28. April 2009, Public Viewing ab 20.48 Uhr voraussichtlich in der Taunusanlage Ulf Amindes Arbeiten verbinden Elemente aus Film, bildender Kunst und Performance zu einem eigenwilligen Rechercheverfahren, das sich realen gesellschaftlichen Verhältnissen mit einer Mischung von Empathie und Distanz nähert. Meist sind es an den Rand der Gesellschaft gedrängte Gruppen wie Suchtkranke, Punks, Obdach- oder Arbeitslose, die Ulf Aminde in seinen Arbeiten thematisiert. Für Frankfurt entwirft Aminde eine Straßentheater-Trilogie zu den Themen Drogensucht, Prostitution und Geldwirtschaft. Zu jedem Thema erarbeitet Aminde mit Vertretern des jeweiligen Milieus – einer Prostituierten, einem ehemaligen Drogenabhängigen und einem ehemaligen Broker – Inszenierungen an authentischen Orten im Bahnhofs- und Bankenviertel. Die Ergebnisse werden im Rahmen eines Public Viewing auf einer Großleinwand voraussichtlich in der Taunusanlage präsentiert.

Artists Anonymous (AA) (Künstlerkollektiv, gegründet am 11. September 2001, Berlin/London) Titel noch unbekannt, 2009 30. April 2009, ab 17.00 Uhr, Alte Oper (Opernplatz) Das Künstlerkollektiv „Artists Anonymous“ – der Name ist Programm – nennt keine Namen und signiert keines seiner Werke, um Geniekult und Konkurrenz zu vermeiden. In seinen Gemälden, Fotografien, Installationen und Aktionen thematisiert es die Produktionsbedingungen von Kunst und die intellektuellen Debatten, die diese begleiten. In seiner Frankfurter Aktion interessiert sich das Kollektiv dafür, inwieweit Kunst und Leben ineinander übergehen können oder inwieweit die Autonomie der Kunst bewahrt werden muss. Dieser Frage geht es mit einem Tableau Vivant, einem lebenden Bild, nach: Ein Kunstwerk wird im Rahmen eines Demonstrationszuges an der Alten Oper durch fünfzig Bodyguards geschützt.

A Wall Is A Screen (Künstlerkollektiv: Kerstin Budde, Peter Stein, Sabine Horn, Sarah Adam, Sven Schwarz, Tom Schlösser, gegründet 2003, Hamburg) 2003 bis 2009 1. und 2. Mai 2009, jeweils ab 21.30 Uhr, Start: bei „My Zeil“ (Zeil) Eine Stadtbesichtigung der besonderen Art veranstaltet das Hamburger Künstlerkollektiv „A Wall Is A Screen“. In einer Kombination von Stadtführung und Filmnacht ziehen Menschen durch die Innenstadt und machen an Wänden von Gebäuden halt. Dort werden Kurzfilme der verschiedenen Genres gezeigt. Ist ein Film zu Ende, geht die Gruppe weiter zur nächsten passenden Wand. Als Stadtführung bringt dieses Projekt zum einen Menschen nicht selten an Orte ihrer Innenstadt, die sie vorher noch nie besucht haben. Zum anderen lassen sich stadthistorische Filmdokumente an den Orten vorführen, an denen sie gedreht wurden. Der ungewöhnliche Kino- Stadtrundgang findet an zwei aufeinander folgenden Abenden statt.

Cezary Bodzianowski (*1968 in Łódź/Polen, lebt in Berlin) Titel noch unbekannt, 2009 24. und 25. April 2009, ganztägig, Mainufer, im Umkreis der „Schönen Aussicht“ Cezary Bodzianowski beschäftigt sich in seinen Installationen und Performances mit Themen, die den gewohnten Lauf der Dinge beeinflussen oder verändern. Oft bleiben diese Eingriffe unbemerkt, manchmal werden Passanten überrascht oder zu Mitwirkenden gemacht. Besondere Beispiele für die poetisch-subversiven Interventionen sowie für seine Skepsis gegenüber gängigen Ausstellungspraktiken finden sich in Beiträgen zu Ausstellungen, zu denen er eingeladen wurde. So hat sein Ausstellungsbeitrag in einer Galerie in Lublin 1997 darin bestanden, die Angestellten zu überreden, sich während der Öffnungszeiten in der Galerie einschließen zu lassen, Computer und Telefone auszustecken und die Arbeit einzustellen. Währenddessen unternahm der Künstler einen ausgedehnten Spaziergang durch die sonnigen Straßen von Lublin. Für Frankfurt wird der Künstler neue Aktionen präsentieren.

Consume Tony Hunt und Christian Pantzer (1964 in Dormansland/England / 1962 in Hamburg, leben in Frankfurt) The Consume Bar, 1991–2009 21. April 2009 bis 6. Mai 2009, täglich außer montags, 18.00 bis 22.00 Uhr, Schirn (Außenraum) Die „Consume Bar“ wurde von der Architekten Tony Hunt und Christian Pantzer während ihres Studiums an der Frankfurter Städelschule 1991 gegründet. Bestehend aus minimalem Equipment – einem Surfboard auf übereinandergestapelten Bierkisten, einem Ghettoblaster – stand die „Consume Bar“ bisher an vielen Orten in und außerhalb Deutschlands als Kritik an überdesignter Architektur, als Treffpunkt für junge Künstler und Hinweis auf kreative Taktiken in einer Gesellschaft konspirativen Konsums. Nach längerer Pause wird die „Consume Bar“ nun im Rahmen von Playing the City wieder zum Leben erweckt und die Ausstellung während ihrer gesamten Dauer begleiten.

Robert Ladislas Derr (*1970 in Cincinnati, Ohio/USA, lebt in Columbus, Ohio) Chance: Frankfurt, 2009 23. April 2009, ab 18.00 Uhr, Start: Schirn Der amerikanische Künstler Robert Ladislas Derr beschäftigt sich in seinen Arbeiten, für die er Fotografie, Performance, Installation und Film einsetzt, mit der Frage, inwieweit das geografische Umfeld die Gewohnheiten und Gefühle des Menschen subtil beeinflusst. Seine „Chance“ genannten „psychogeografischen Spaziergänge“ werden von ihm selbst durchgeführt. Er trägt dabei einen Spiegelanzug sowie insgesamt vier nach vorne, nach hinten sowie seitlich nach links und nach rechts gerichtete Kameras. Die Richtung der Spaziergänge und zusätzlicher Aktionen – etwa einmal 360 Grad um den eigenen Körper drehen – legt das Publikum vor Beginn der Aktion durch Würfelwurf fest. Die Aufnahmen der vier unterschiedlich ausgerichteten Kameras werden anschließend an vier Wände eines Raums projiziert.

Dara Friedman (*1968 in Bad Kreuznach, lebt in Miami) Ohrwurm, 2009 22. April bis 3. Mai 2009, u. a. Glockenspiel der Alten Nikolaikirche (22.4.: 11.00, 12.15 und 13.00 Uhr), Orgel des Kaiserdoms (23.4.: 14.00, 16.30 und 21.00 Uhr), Kaufhof Frankfurt (24.4.: 12.00, 15.00 und 18.00 Uhr) In ihrer eigens auf Frankfurt zugeschnittenen Arbeit inszeniert Dara Friedman einen Musiktitel, der unerwartet im öffentlichen Raum dargeboten wird. Das Projekt mit dem Titel „Ohrwurm“ besteht aus vielen verschiedenen Stimmen: von Friedman instruierten Solisten und Straßenmusikern, dem Glockenspiel der Alten Nikolaikirche, der Orgel des Frankfurter Kaiserdoms und der Haussprechanlage des Kaufhauses Kaufhof. Von allen wird der Rolling-Stones-Song „You can’t always get what you want“ wiedergegeben. Die Künstlerin lotet in ihrer Arbeit die emotionale Kraft von Musik sowie deren Potenzial aus, Gefühle und Realitätswahrnehmungen augenblicklich zu verändern. Friedmans Frankfurter Projekt entwickelt eine Idee weiter, welche die Künstlerin erstmals 2007 in ihrer New Yorker Arbeit „Musical“ verwirklicht hat.

Dora García (*1965 in Valladolid/Spanien, lebt in Brüssel) William Holden in Frankfurt, 2009 27. April bis 6. Mai 2009 Abschlussperformance: 6. Mai 2009, 20.00 Uhr, Schirn (Zentrale) Dora Garcías für Playing the City entwickelte Arbeit trägt den Titel „William Holden in Frankfurt“. Die Künstlerin bewegt sich damit auf den Spuren von Martin Kippenberger, der sich dem bekannten Hollywood-Schauspieler William Holden äußerlich verwandt fühlte und die „William Holden Company“ ins Leben rief. Kippenberger schickte einen seiner Studenten auf eine 500 km lange Flussreise durch Afrika – Holden verbrachte die letzten Jahre seines Lebens vorwiegend in Kenia – und überarbeitete dessen Reiseberichte. Dora García wiederum lässt William Holden durch den Schauspieler Jan Mech darstellen. Für knapp zwei Wochen wird Jan Mech alias William Holden alias Martin Kippenberger – der im Rahmen seiner Professur an der Städelschule in Frankfurt lebte – ebenfalls in der Stadt weilen und diese erkunden. Täglich wird er im Rahmen des Programms von hr2 eine Radio-Kolumne veröffentlichen. Außerdem wird er auf der Website www.williamholdeninfrankfurt.org einen Frankfurt-Blog einrichten und am Ende seines Aufenthalts in einem Liveauftritt in der Zentrale von Playing the City seine Erlebnisse reflektieren.

Wiebke Grösch & Frank Metzger (1970 in Darmstadt / 1969 in Groß-Gerau, leben in Frankfurt) News from Home, 2009 27. bis 29. April 2009 Das Frankfurter Künstlerduo Wiebke Grösch & Frank Metzger hat sich in seinen Arbeiten vielfach mit den politisch-gesellschaftlichen Funktionen und Lesarten von öffentlichen Räumen auseinandergesetzt. Für Playing the City machen Grösch & Metzger unter dem Titel „News from Home“ auf ein Phänomen aufmerksam, das häufig unbemerkt bleibt: Der Straßenverkauf von Tageszeitungen wird in Frankfurt hauptsächlich von Migranten, etwa aus Sri Lanka, Bangladesh oder Äthiopien, betrieben. Die Aktion „News from Home“ sieht vor, dass die Zeitungsverkäufer anstelle der deutschsprachigen Tageszeitung, die sie täglich zum Verkauf anbieten, aktuelle Tageszeitungen aus ihrem jeweiligen Heimatland verkaufen.

Yolande Harris (*1975 in Devon/England, lebt in Amsterdam) Sun Run Sun: Satellite Sounders, 2008/2009 2. und 3. Mai 2009, Führung mit der Künstlerin jeweils um 11.00 und 17.00 Uhr, Start: Schirn Die Komponistin und Medienkünstlerin Yolande Harris benutzt moderne Soundtechnologien als Mittel, um die Lebensräume der technologisch aufgerüsteten Umwelt von heute zu untersuchen. Für „Sun Run Sun: Satellite Sounders” macht Yolande Harris hörbar, was sonst unbemerkt durch den öffentlichen Raum funkt: die Datenströme, die von den Satelliten des Verortungssystems GPS auf die Erde gesendet werden. Harris arbeitet mit einem tragbaren Minicomputer, der die GPS-Daten in Schallwellen verwandelt. Mit den dazugehörigen Kopfhörern im Freien unterwegs, bewegt man sich durch immer neue Tonlandschaften und kommt in Kontakt mit einer unsichtbaren, dennoch omnipräsenten Verortungs- und Überwachungstechnologie. Am 2. und 3. Mai haben die Besucher der Schirn die Möglichkeit, gemeinsam mit der Künstlerin eine „Satellite Sounders“-Exkursion durch Frankfurt zu unternehmen.

Sharon Hayes (*1970 in Baltimore/USA, lebt in New York) Titel noch unbekannt, 2009 30. April 2009 Das Interesse von Sharon Hayes gilt der künstlerischen Untersuchung der komplexen Verhältnisse zwischen Geschichte, Politik und dem Prozess der individuellen wie kollektiven Wahrnehmung. Die Künstlerin benutzt Ansätze aus den Bereichen des Theaters, des Films, der Anthropologie, der Linguistik und des Journalismus. In ihrer Fortsetzungsarbeit „In the Near Future“ etwa schickt sie Protagonisten, die Demonstrationstafeln mit Statements wie „We are innocent“, „Actions speak louder than words“ oder „I am a man“ tragen, in den öffentlichen Raum. In einer anderen Aktion rezitierte Hayes mittags vor dem Gebäude der Schweizer Bank UBS einen anonymen Liebesbrief.

Allan Kaprow (*1927 in Atlantic City, † 2006 Encinitas, San Diego/USA) Fluids, 1967/2009 25. April 2009, ab 18.00 Uhr, Schirn (Außenraum) Als historische Referenz ist das spektakuläre, 1967 erstmals realisierte und im Rahmen von Playing the City zur „Nacht der Museen“ in Frankfurt erneut aufgeführte Happening „Fluids“ des amerikanischen Künstlers und Theoretikers Allan Kaprow zu verstehen. „Fluids“ steht exemplarisch für den von Kaprow geprägten Begriff des „Happenings“ und für eine radikale Erweiterung des traditionellen Kunstbegriffs. Von einer Gruppe Freiwilliger wird eine minimalistische Außenskulptur aus Eisblöcken gebaut, die nach ihrer Fertigstellung langsam schmilzt. Die gemeinsame Arbeit an dem Werk spielt dabei eine ebenso wichtige Rolle wie seine vollendete und schließlich wieder zerfließende Form. Das Publikum wird zum Teil der vom Künstler erdachten Aktion, die Grenzen zwischen Kunst und Leben verschwimmen.

Leopold Kessler (*1976 in München, lebt in Wien) Ghost Terrace, 2009 29. April bis 6. Mai 2009, Rossmarkt Die Arbeiten von Leopold Kessler beschäftigen sich mit dem öffentlichen Raum, untersuchen die Topografie der Stadt – von Verkehrsführungen, die das urbane Leben strukturieren, bis zu Verhaltensweisen, die durch diese bestimmt werden. Plätze, Wege, Straßenschilder oder Absperrungen sind Ziel der Interventionen Kesslers und dienen als Material für seine Skulpturen. Mit der speziell für Frankfurt entwickelten Arbeit „Ghost Terrace“ stellt Kessler ein Straßencafé bzw. eine Terrasse nach, wie sie in der Stadt vielfach zu finden ist: Sonnenschirme, Tische, Stühle – alles ist vorhanden. Wer sich allerdings hier niederlässt und bestellen möchte, wartet vergebens. Die Terrasse ist lediglich die formale Wiederholung eines üblichen städtischen Inventars.

Mads Lynnerup (*1976 in Kopenhagen, lebt in New York) If You See Anything Interesting..., 2007/2009 Viele Arbeiten von Mads Lynnerup spiegeln das Interesse des Künstlers am Alltag und am alltäglichen Umfeld der Menschen, beispielsweise an Plakaten und Werbetexten. Im Rahmen des großen Ausstellungssommers 2007 (Biennale Venedig, documenta 12, Skulptur Projekte Münster) führte Lynnerup an allen drei Orten eine Plakataktion durch, die das Spektakel mit einfachsten Mitteln hinterfragte. „If you see anything interesting please let someone know immediately!” war auf den Plakaten zu lesen. Der Text, hier ironisch eingesetzt, basiert jedoch tatsächlich auf Antiterrorplakaten in der New Yorker U-Bahn. In Frankfurt wird Lynnerup eine neue geheime Aktion durchführen.

MOMUS (*1960 in Paisley/Schottland, lebt in Berlin) The Unreliable Tour Guide, 2005–2009 26. April 2009, Beginn um 15.00 Uhr, Schirn Nick Currie alias MOMUS ist Musiker, Blogger und Journalist und veröffentlichte seit Mitte der 1980er-Jahre Alben in Großbritannien, den USA und Japan. Nun hat er die Bühne gewechselt und agiert als Lügenerzähler auf den Spuren des Barons Münchhausen in Galerien und Museen. Als „The Unreliable Tour Guide“ führte er das Publikum der Whitney Biennial 2006 in die Irre. Eine Touristenführung in London, die er gemeinsam mit einer Asiatin organisierte, beschrieb die Stadt so, als handle es sich um Tokio. Für Frankfurt wird MOMUS eine weitere unglaubwürdige Führung durch die parallel zu Playing the City in der Schirn laufende Ausstellung „Darwin. Kunst und die Suche nach den Ursprüngen“ veranstalten.

Roman Ondák (*1966 in Žilina/Slowakei, lebt in Bratislava) Guided Tour (Follow Me), 2002/2009 3. und 4. Mai 2009, Beginn um 18.00 Uhr, Schirn Roman Ondák verlagert alltägliche Situationen in den Ausstellungskontext, um auf subtile Weise gesellschaftliche Verhaltensformen, Wünsche, Ideen oder Fantasien einzufangen, wobei er zugleich ein Zeitmoment einbaut, in dem er Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander verschränkt. Für Frankfurt wird Roman Ondák seine Arbeit „Guided Tour (Follow Me)“, erstmals 2002 verwirklicht, neu inszenieren. Darin spielt ein vierzehnjähriger Junge einen Stadtführer, der von einem Frankfurt erzählt, das in dieser Form nicht existiert. Vielmehr entwirft er ein futuristisches, utopisches Bild der Stadt. Die Inhalte der Geschichte werden in einem Workshop von Jugendlichen in der Schirn entwickelt und danach dem Publikum als Alternative zu den üblichen Stadtführungen angeboten.

Raumlabor (Gruppe für Architektur und Städtebau in Berlin: Markus Bader, Benjamin Foerster- Baldenius, Andrea Hofmann, Jan Liesegang, Matthias Rick, Francesco Apuzzo, Axel Timm, Christof Mayer, Martin Heberle, gegründet 1999) Küchenmonument, 2006 20. April 2009, 19.00 Uhr, Schirn (Außenraum) Raumlabor ist eine 1999 gegründete Gruppe für Architektur und Städtebau, die interdisziplinär arbeitet. Neben Architekturaufgaben beschäftigt sich Raumlabor mit Städtebau, Aktion, Landschaftsarchitektur, Gestaltung des öffentlichen Raums und künstlerischen Installationen. Das „Küchenmonument“, das zur Eröffnung von Playing the City realisiert wird, gehört zu den spektakulärsten Projekten von Raumlabor. Eine semitransparente Raumhülle aus Kunststoff entfaltet sich per Überdruck aus einer Metallskulptur, wächst wie eine Kaugummiblase in die Stadt hinein und lehnt sich weich an Bäume und feste Gebäude. In dem Raum, der dabei entsteht, können über 150 Menschen essen, trinken und sich unterhalten.

Bernhard Schreiner (*1971 in Mödling/Österreich, lebt in Frankfurt) Public Sound Feedback (The Invisible Generation), 2009 2. bis 5. Mai 2009, am Technischen Rathaus Der Sound- und Videokünstler Bernhard Schreiner ist Gründer des in Frankfurt beheimateten Elektrolabels für experimentelle Produktionen „feld“. Bereits im Sommer letzten Jahres war in der Rotunde der Schirn seine Olivier Messiaen gewidmete Soundinstallation „Ohne Titel (Presque Rien n°2, blau) zu hören. Schreiner konzentriert sich in seinen Arbeiten auf selbst aufgenommenes Soundmaterial. Ihn interessieren die darin gespeicherten Bedeutungen und die Bedeutungsverschiebungen, die durch gezielte Eingriffe – etwa Modulationen von Tönen – erreicht werden können. Ziel ist dabei stets die Konstruktion von Soundräumen. Schreiners aktuelles Projekt widmet sich zwei Novellen des amerikanischen Schriftstellers und Künstlers der Beat Generation William S. Burroughs, der einen wichtigen Stellenwert in der Entwicklung der Popkultur und der postmodernen Literatur einnimmt.

Tino Sehgal (*1976 in London, lebt in Berlin) Diese Beschäftigung, 2005/2009 Gesamte Ausstellungsdauer, Schirn Tino Sehgal, der zunächst Volkswirtschaft und Choreografie studierte, gestaltet Situationen. Seine Werke sind Handlungsanweisungen, die von einer oder mehreren Personen ausgeführt werden. Sie thematisieren soziale Prozesse, Konventionen und Rollenverteilungen und hinterfragen die Koordinaten des Systems „Kunst“: Idee, Verbildlichung, Originalität, Produzent, Betrachter, Besitzer, Marktwert. Die menschliche Stimme, Sprache, Bewegungen und Interaktionen sind das künstlerische Material, mit dem Sehgal eine radikale Position innerhalb der konzeptuellen Kunst markiert. In Frankfurt wird der Künstler seine 2005 für die Hamburger Kunsthalle entwickelte Arbeit „Diese Beschäftigung“ neu auflegen. In ihr werden die Widersprüchlichkeiten gesellschaftlich normierter Vorstellungen von „Arbeit“ und „Beschäftigung“ zur Sprache gebracht.

Rirkrit Tiravanija (*1961 in Buenos Aires/Argentinien, lebt in Bangkok, Berlin und New York) Demonstration Drawings, 2007–2009 20. April bis 6. Mai 2009, Schirn (Zentrale) Die „Demonstration Drawings“ von Rirkrit Tiravanija setzten sich mit der Bildsprache der Protestkultur auseinander. Während kollektive Aktionen, Proteste und Demonstrationen oft mit der Politik der 1960er-Jahre assoziiert werden, erörtert Tiravanija deren Relevanz im gegenwärtigen politischen Klima. Seine Bildvorlagen leitet er allesamt von Fotografien aus der Tageszeitung International Herald Tribune ab. Das mittlerweile auf über 200 Zeichnungen angewachsene Archiv, an dem der Künstler seit 2001 arbeitet, erlaubt einen Blick auf die visuelle Homogenität der Protestkultur in der globalisierten Welt – seien es Demonstrationen gegen Wirtschaftsgipfel, den China-Tibet-Konflikt oder den Krieg der USA im Irak. In der Schirn wird eine Auswahl von 55 Zeichnungen gezeigt.

Nasan Tur (*1974 in Offenbach, lebt in Berlin) Backpacks (Rednerrucksack, Kochrucksack, Demonstrationsrucksack, Sabotagerucksack, Fanrucksack), 2006 20. April bis 6. Mai 2009, Schirn (Zentrale) und Stadt Nasan Turs Interesse gilt menschlichen Verhaltensmustern und der kritischen, aber zugleich oft auch humorvollen Auseinandersetzung mit kultureller und sozialer Identität. Für seine Arbeit „Backpacks“, die er im Rahmen von Playing the City in Frankfurt erneut realisieren wird, hat er Aktivrucksäcke entworfen, die jeweils ein komplettes Set für Aktionen im öffentlichen Raum enthalten. Ein Rucksack ist mit Material für eine Demonstration gefüllt, ein anderer ermöglicht es, auf der Straße zu kochen, ein dritter ist mit der Ausstattung für einen Straßenredner bepackt. Wogegen demonstriert wird, was gekocht wird und wovon die Rede handeln wird, entscheidet jeder selbst. Die Rucksäcke werden in der Zentrale von Playing the City ausgestellt und können gegen Pfand ausgeliehen und benutzt werden.

Silke Wagner (*1968 in Göppingen, lebt in Frankfurt) Titel noch unbekannt, 2009 4. und 5. Mai 2009, jeweils 14–17 Uhr, 4. Mai an der Hauptwache und 5. Mai an der Alten Oper Die Werke von Silke Wagner deuten explizit auf soziale, politische oder ökologische Missstände hin. In Kooperation mit minoritären Gruppen initiiert Wagner Aktionen zu ihrer Hervorhebung, öffentlichen Verhandlung und aktiven Veränderung. Etwa durch den Einsatz eines Kleinbusses mit der Aufschrift „Lufthansa Deportation Class“, der landesweit öffentliche Diskussionen über die Bereitstellung von Lufthansa-Flugzeugen zu Abschiebezwecken auslöste, oder durch den Aufruf zur Scheinehe. Im Rahmen von Playing the City werden eine Prostituierte und eine Vertreterin des gemeinnützigen Frankfurter Vereins „Doña Carmen e. V.“, der sich für die sozialen und politischen Rechte von Prostituierten einsetzt, ein Wohnmobil als Informationsplattform einsetzen. Passanten werden an unterschiedlichen Orten der Stadt Gelegenheit haben, sich bei den Frauen über ihren Alltag zu informieren.

Elizabeth Wurst (*1985 in Lima/Peru, lebt in Braunschweig) Sperrmüll-Performance, 2008/2009 5. und 6. Mai 2009 Elizabeth Wurst arbeitet seit drei Jahren performativ und fordert immer wieder zur direkten Teilnahme an ihren künstlerischen Aktionen auf. Sie verursacht damit nicht selten Irritationen beim Publikum, das oftmals ungewollt oder sogar widerwillig zum Akteur wird. Die Künstlerin lotet aus, wie weit der mitwirkende Betrachter geht, welche Grenzen er zu überschreiten bereit ist. Vor dem Hintergrund ihrer peruanischen Herkunft ist es für Wurst eine ungewohnte Vorgehensweise, gebrauchte Möbelstücke als Sperrmüll auf die Straße zu stellen. Objektartig gesellt sie sich zu den Dingen, fügt ihren Körper in das Bild ein, passt sich den Gegenständen an, kriecht in Schränke oder legt sich auf ausrangierte, fleckige Matratzen. Sie komponiert ein Stillleben und bittet Passanten, sie dabei mit der Kamera zu filmen. Eine ähnliche Aktion wird die Künstlerin auch in Frankfurt durchführen.