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PLASTISCH ist der Titel der aktuellen Gruppenausstellung in der Galerie Römerapotheke, die acht aktuelle Positionen mit installativen und objekthaften Arbeiten vereint. Die landläufige Redensart „Ich sehe es plastisch vor mir “erläutert sinnbildhaft die verbale oder schriftliche Beschreibung von Gedachtem oder Vorgestelltem. Was eben noch Idee oder Wort war, ist nun greifbar, räumlich und eindrücklich; ein materialisiertes Gegenüber. In der Darstellung oder in der Körpersprache kann plastisch als lebhaft, gestenreich und nachfühlbar ausgelegt werden. In der Tradition der Bildhauerei umschreibt plastisch die modellierte und aufgebaute Bildhauerei, Skulptur hingegen die Technik der Abtragung. Die Gruppenausstellung PLASTISCH ist Form, Geste, Erzählung zugleich. Die ausgestellten Arbeiten verbinden Räumlichwerdung und narrative Strukturen zu einem Tummelfeld der gestenreichen Anspielungen und Vielfalt plastischer Ausformungen.

Das zur Strasse gerichtete und von Isa Reiss kuratierte Schaufenster wird von Annette Amberg und Lena Thüring als Guckkasten bespielt. Time After Time ist eine Textarbeit von Annette Amberg & Lena Thüring, die als Videobeam gegen die Fensterscheibe der Römerapotheke zur Ansicht von aussen projiziert wird und so als Kunst im öffentlichen Raum funktioniert. Zu sehen ist der Schreibprozess persönlicher Briefe, die in simplen englischen Sätzen formuliert sind. Durch den vertrauten Duktus des Schreibens mit Verbesserungs- und Überlegungspausen entsteht der Eindruck, man könne die Gedankengänge der Autorin oder des Autors der Briefe mitverfolgen. Der Wortlaut setzt sich aus eigenständigen Texten, Zitaten aus Filmen und Literatur sowie aus Gesprächen, die die Künstlerinnen von Freunden oder Fremden aufgeschnappt haben, zusammen. Thematisiert wird nicht nur das sprachliche Unvermögen innerhalb zwischenmenschlicher Beziehungen, sondern auch die Unzulänglichkeit von Sprache an sich. Obwohl man sich beim Betrachten von Time After Time in die Rolle des Schreibenden versetzt fühlt und sich dabei ein emotionales Assoziationsfeld auftut, sind die Sätze letztendlich stereotyp und bleiben frei von präzisen und privaten Angaben über AutorIn oder AdressatIn.

Christopher Braddock ist fasziniert von Reihen und Sätzen. Stets hat er Serien angefertigt in einem Ausmass, dass der Gedanke nahe liegt, er könne nie von etwas nur ein Exemplar herstellen. Diese Faszination hat Gemeinsamkeiten mit typischen Elementen des Archivs, in welchem strukturelle Ordnung angestrebt wird; scheinbar unendliche Multiplizität; Seriali-sierung und der Drang nach Kategorisierung. Seine aktuellen Siliconarbeiten sind ein vermeintlicher Rückgriff auf die feministische Kunst der 70er Jahre. Bei genauer Betrachtung entpuppt sich die vermutete sexuelle Anspielung als analytische und habhafte Befragung der eigenen Physis: Der Bildhauer rückt seine Werkzeuge und Hilfsmittel – die geballten Fäuste, die abgeknickten Handgelenke und die beanspruchten Ellbogen – in den Vordergrund.

Ebenfalls im Erdgeschoss präsentiert Susanne Hofer ihre neuste Arbeit: Wege zum Glück weist schon im Titel auf die erfolgreiche Telenovela hin, aus welcher Hofer Sequenzen wählt, die Dialoge herausschneidet und diese effektvoll einem dramatischen Naturbild – der Betrachter sieht die Spiegelung von fernem Wetterleuchten – gegenüberstellt. Als Leinwand für diese romantische TV-Scheinwelt wählt Hofer die konstruierte Pappkulisse eines Wohnraumes, der im Begriff ist, abzurutschen. Der zerstörte Wohnraum wird zum Sinnbild, zur „selbstgebastelten“ Dekonstruktion der Scheinwelt als riesenhaftes Puppenhaus. Voller Witz und Schalk findet Hofer eine adäquate künstlerische Persiflage auf die neue TV-Schnulzenwelle.

Die Arbeit „Psycho Park“ von Felix Stephan Huber spielt ebenso mit den Wunschvorstellungen der Betrachter. Psycho Park, ein dem Max Thälmann Park in Berlin nachempfundener Ort, ist für den Benutzer (Spieler) ein geschlossenes System, ein isolierter Ort ohne Bezug zur Aussenwelt. Als Avatar kann der “Spieler” den Park durchlaufen, erkunden und trifft auf immer die gleichen, geklonten weiblichen Figuren, basierend auf dem kommerziellen Ego Shooter Computergame “Unreal2”. Die Frauen wandern ziellos in der geschlossenen Umgebung umher und singen ein Lied, in dem der Refrain “...I go away”, mit der Unmöglichkeit des Entrinnens aus aus dem isolierten Ort, aufgeladen wird. Konfrontiert mit dem “Spieler”, mutieren die weiblichen Charakteren machmal zu unförmigen Zombies, kehren aber immer wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurück, als sei nichts gewesen. (Musik: Coverversion von “When”, Vincent Gallo. Gesang: Zilla Leutenegger. Gitarre: Florian Wenz.)

Die Installationen des jungen welschen Künstlers Alexandre Joly verbinden ein Sammelsurium an schwarzen Wasserwannen, Haushaltsgegenständen, Spielsachen, ausgestopften Tieren und ausgedienten Audiogeräten zu einer skurril animierten audio-plastischen Landschaft. Jolys Arbeit gleicht einem polymorphen Experimentierfeld und erzählt facettenreich von subtilen Veränderungen und von kaum Hörbarem, welches ob der Ungreifbarkeit die Materialität der Akustik in Frage stellt. Als „elektroakustische Reanimation“ findet Joly in seinen sonoren Installationen sein ganz eigenes Sinnbild für künstliche Natur.

Adolfo Siurana wählt die Kombination von menschlicher Figur und Wiederholung, um seine Geschichten zu entspinnen. Die Kreation einer stereotypen Figur lenkt den Blick auf die Variation der Materialien und Anordnungen, die Siurana als künstlerisches Erzählmittel ausreizt. Für die Ausstellung PLASTISCH installiert der Künstler Figuren aus Bitumen und Federn. Die aus Kunstgeschichte und Religion bedeutungsgeschwängerten Materialien greift der Künstler neu auf und adaptiert diese in sein künstlerisches Konzept indem er diese sprichwörtlich in einer schwebenden Konstruktion balanciert.

Altbrot, dies der Titel der neuen mehrteiligen Arbeit von Brigitt Lademann, knüpft lückenlos an die lyrisch-konzeptuellen Arbeiten des Projektes Bildungssuppe an. Lademann wühlt im Fundus der kollektiven Erzähltradition und der eigenen Lesebiografie, um immaterielles Gedankengut durch vergängliche Materialien in die Form eines Objektes zu überführen, das vor Anspielungen und hintergründigem Witz nur so sprüht.

Referenzen und neu kombinierte Erzählstrukturen zeichnen auch die Settings von Judit Villiger aus. Ganz ungehemmt bedient sich Villiger bei den Artefakten von Kollegen verschiedener Epochen und modelliert sich ihr agbekupfertes Kunstsouvenir-Kabinett. Keck und innovativ verwendet sie diese als Baustein für neue assoziationsreiche Geschichten, die sich als Bühne in „ausgebauten“ Fernsehern - die Welt hinter der Mattscheibe - präsentiert.

Pressetext

only in german

PLASTISCH

Künstler:
Annette Amberg / Lena Maria Thüring, Christopher Braddock, Susanne Hofer, Felix Stephan Huber, Alexandre Joly, Adolfo Siurana, Brigitt Lademann, Judit Villiger