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Die finnische Künstlerin Pilvi Takala setzt sich in ihren Arbeiten intensiv mit menschlichen Verhaltensmustern und sozialen Regeln in halbprivaten und öffentlichen Räumen auseinander. Ähnlich einer Sozialanthropologin studiert sie die typischen Charakteristika und ungeschrie-benen moralischen Werte oder Normen innerhalb verschiedener Personengruppen. In ihrem Blickfeld stehen so zum Beispiel Taubenzüchter, Online-Pokerspieler oder Firmenangestellte ebenso wie Besucher und Personal von Vergnügungsparks bzw. Einkaufszentren. Es sind alltägliche, vertraute Orte und Situationen, in die die Künstlerin vordringt und die sie mittels subtiler Interventionen zu stören versucht. Der Ausgang ihrer Aktionen sowie die Reaktionen ihrer Mitmenschen sind stets völlig offen. Meist ist Pilvi Takala selbst die Hauptakteurin, gibt sich als diese aber nicht zu erkennen, um eine möglichst natürliche Situation zu wahren. Die Zeugnisse ihrer Performances oder Langzeitstudien, die sie mit versteckter Kamera aufzeichnet, stellt sie in Videos, Fotografien oder Installationen zusammen. Die Einzelausstellung Suggested Value im Künstlerhaus Bremen zeigt fünf Arbeiten von Pilvi Takala, die sich mit Konventionen und Wertzuschreibungen auseinandersetzen und nach deren Ausbildung und Messbarkeit fragen. Wie kommt es, dass wir bestimmten Objekten einen größeren Wert – emotional wie materiell – beimessen als anderen? Diese Frage richtet die Künstlerin an die Besucher der Ausstellung. Möchten diese nämlich ihren Katalog erwerben, sind sie gezwungen, über den Preis zu verhandeln und darüber in Kontakt mit der Aufsicht zu treten. Existierende Wertvorstellungen und -kreisläufe werden auch in den Arbeiten Bag Lady (2008) und The Trainee (2008) hinterfragt. Für das Langzeitprojekt The Trainee ließ sich Pilvi Takala als Praktikantin für das finnische Marketing-Unternehmen Deloitte einstellen und provozierte ihre Kollegen durch offensives Nichtstun am Arbeitsplatz. So starrte sie zum Beispiel den ganzen Tag lang Löcher in die Luft oder fuhr während der gesamten Arbeitszeit Fahrstuhl. Als Begründung gab sie auf Nachfrage an, nachzudenken. Die meisten Mitarbeiter waren irritiert, verwundert oder gar verärgert über dieses Verhalten und tauschten sich mit Kollegen und Vorgesetzten darüber aus. So bildet The Trainee eine Studie über den Arbeitsalltag, über die Erwartungen an-derer an die Erscheinungsformen des ‚Tätigseins’ und über die Wertschätzung, die wir geistiger Arbeit entgegenbringen. In einen öffentlicheren Rahmen begab sich die Künstlerin für ihre Performance Bag Lady (2008): Sie lief stundenlang mit einer durchsichtigen Plastiktüte voller Bargeld durch ein Berliner Einkaufszentrum. Die Reaktionen waren differenziert: verunsicherte Verkäufer und Kunden be-gannen zu tuscheln und das Sicherheitspersonal wies die Künstlerin darauf hin, dass sie eine nicht erlaubte Handlung vollführe. Hier offenbart sich ein Paradox – das offensichtliche Mit-führen von Geld in einem Zentrum, das eigens für den Konsum errichtet wurde, ist untersagt. Pilvi Takala agiert stets in realen Lebenssituationen, deckt Vorurteile und Klischees auf, stößt förmlich mit der Nase auf sie. Sie gibt ihren persönlichen Kommentar zu sozialen Konstel-lationen ab und spielt unweigerlich die Frage zurück, wie jeder selbst in der Situation handeln würde. So entwickelt sie kleine soziologische Experimente, die die Grenzen der menschlichen Toleranz ausloten. Die Aktionen, die sich zugleich vergnüglich und beunruhigend darstellen, enthüllen Selbstschutzmechanismen gesellschaftlicher Ordnungen und regen zum Nachdenken über feststehende Konventionen an.

Suggested Value im Künstlerhaus Bremen wird gefördert von FRAME und dem Mondriaan Fund, Amsterdam.

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Pilvi Takala
Suggested Value
Kuratorin: Stefanie Böttcher