press release only in german

24. September 2020 bis 11. April 2021

Piktogramme, Lebenszeichen, Emojis: Die Gesellschaft der Zeichen
(24. September 2020 – 7. Februar 2021)

Jeden Tag werden Milliarden Emojis über digitale Endgeräte versendet. Seit ihrer plattformübergreifenden Standardisierung 2009 entwickelten sich Emojis innerhalb weniger Jahre zu einem Phänomen digitaler Massenkommunikation. Sie haben den alltäglichen Umgang mit Piktogrammen, also Informationen, die über ein System von Bildern vermittelt werden, nachhaltig verändert. Die heute weit über 3000 standardi- sierten Emojis sind in den sozialen Netzwerken ständig präsent. Sie spiegeln die Sehnsucht nach einzigar- tigen Gefühlsäußerungen in einer hoch funktionalen, globalisierten Welt. Die Ausstellung „Piktogramme, Lebenszeichen, Emojis: Die Gesellschaft der Zeichen“ geht der Frage nach, mit welchen Überlegungen, Zielsetzungen und Hoffnungen die Entwicklung moderner Bildzeichensprachen einschließlich der Emojis verbunden ist. Auf welche Probleme ihrer Zeit reagieren sie jeweils? Erweitern sie unsere Ausdrucksmög- lichkeiten oder schränken sie diese durch die Festlegung von Stereotypen ein?

Im Jahr 1925, zur Zeit des „Roten Wien“, gründete der Nationalökonom Otto Neurath das Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum Wien. Dort sollten volkswissenschaftliche Daten und Tatsachen auch denjenigen Menschen vermittelt werden, die nicht lesen konnten. Otto Neurath, seine Frau Marie Neurath, der Künstler Gerd Arntz und ihr Team entwickelten für diesen Zweck eine sogenannte „Bildpädagogik“ – die Wiener Me- thode der Bildstatistik (später ISOTYPE – International System of TYpographic Picture Education). Ihre Entwürfe spiegeln das Spannungsfeld, in dem sich das Projekt bewegt: zwischen wissenschaftlichem Ob- jektivitätsanspruch auf der einen Seite und freiem künstlerischen Ausdruck auf der anderen. Besonders deutlich wird dieser doppelte Ansatz im Vergleich zu der Arbeit von Otl Aicher. Dessen grafisches System für die Olympischen Sommerspiele 1972 in München setzt auf strenge Gestaltungsregeln und maximale Funktionalität. Eine emotional aufgeladene Bildsprache lehnt er nach der Erfahrung des Nationalsozialis- mus ab.

Auf Otl Aichers rationale Piktogrammatik wiederum reagieren Künstler*innen wie Warja Lavater, Pati Hill und Wolfgang Schmidt mit sehr viel spielerischen und intimeren Gegenentwürfen.

Hinter jedem dieser Ansätze steckt eine Vorstellung davon, wie wir unsere Umwelt wahrnehmen und durch Zeichen beschreiben können. Gleichzeitig tragen die Zeichen aber auch die Ideale eines gesellschaftlichen Austauschs und Miteinanders in sich. Yukio Ota und Timothée Ingen-Housz belassen es nicht bei Pikto- grammsystemen, sondern konstruieren Bildsprachen mit eigenen Grammatiken und erweiterbaren Zei- chensätzen, die durch universelle Verständlichkeit für den globalen Austausch genutzt werden sollen.

Das Spiel mit den Möglichkeiten und Mehrdeutigkeiten von Piktogrammen sowie die Kritik und Infragestel- lung derselben bestimmt auch heute den Umgang mit den vom Unicode-Konsortium freigegebenen und weltweit genutzten Emojis.

Ihre Wegbereiterinnen, wie beispielsweise Shigetaka Kurita, Autor eines der ersten Emoji-Sets von 1999, sind den weltweiten Nutzerinnen oft nicht bekannt. „Piktogramme, Lebenszeichen, Emojis: Die Gesell- schaft der Zeichen“ stellt einige dieser Bildzeichen-Autor*innen vor, die sich wie Gerd Arntz dafür entschie- den haben, große Teile ihrer Arbeitszeit nicht allein mit der Produktion von Kunst, sondern mit der Gestal- tung von Kommunikation zu verbringen. Nur einige von ihnen hatten den Anspruch, mit ihren Piktogram- men universelle Verständigungshilfen zu entwickeln. Andere setzten von vornherein auf intimere Kommuni- kationsräume und individuelle, immer auch veränderbare Formen des Austauschs.

„Piktogramme, Lebenszeichen, Emojis: Die Gesellschaft der Zeichen“ ist ein Kooperationsprojekt mit dem Museum für Neue Kunst Freiburg. Dort wird die Ausstellung vom 27.03. bis zum 12.09.2021 zu sehen sein. Für die gute Zusammenarbeit möchten wir uns bei der Direktorin Christine Litz und der Kuratorin Isabel Herda herzlich bedanken. Danken möchten wir auch den Kurator*innen der Ausstellung Dr. Michaela Stof- fels und Maxim Weirich, ebenso der Grafikerin Eva-Maria Offermann, die zusammen mit Maxim Weirich die Ausstellunggestaltung entwickelt hat. Ein großer Dank gilt auch der Ernst-von-Siemens-Kunststiftung und dem Landschaftsverband Rheinland, ohne deren großzügige Förderung der Katalog nicht hätte realisiert werden können sowie dem Museumsverein Düren für die Unterstützung der Ausstellung.

Gestalterinnen und Künstlerinnen:
Otl Aicher, Moritz Appich / Jonas Grünwald / Bruno Jacoby, Gerd Arntz, Johannes Bergerhausen / Ilka Hel- mig, Karsten de Riese, Antje Ehmann / Harun Farocki, Juli Gudehus, Pati Hill, Heinrich Hoerle, Timothée Ingen-Housz, Shigetaka Kurita, Warja Lavater, Marie Neurath, Otto Neurath, Yukio Ota, Wolfgang Schmidt, Franz Wilhelm Seiwert, Lilian Stolk, Augustin Tschinkel, Edgar Walthert

Kurator*innen der Ausstellung:
Dr. Michaela Stoffels, Maxim Weirich, Anja Dorn