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Erdbeobachtungen

Topolovac´s Skulpturen und Objekte haben ihren Ursprung im All, im Erdboden und in Baugruben. Satelliten, gläserne Fundstücke und eine Bodenabformung; drei Versuchsanordnungen der Beschaffenheit unseres Planeten auf die Pelle zu rücken. Spielerisch, haptisch, historisch. Allen liegt zu Grunde dass sie ihren eigenen Beweiskontext mitbringen. Ihre Ursprünge liegen tausende Kilometer weit auseinander: als Skulpturen in Topolovac´s Ausstellung sind sie versammelt als Puzzelteile der Frage nach dem Augenschein.

Satelliten umkreisen unseren Planeten um ein umfassendes Modell der Erdoberfläche zu erstellen; einen Scan, für Geologie, Kartografie, Militär. Was hier aufgezeichnet wird ist die drastisch unerfahrbare Landschaft, das Ende ihrer romantischen Lesart? Nachdem die Satelliten ihren Dienst geleistet haben, werden sie aus Ihrer Umlaufbahn gelenkt und verglühen in der Atmosphäre. Die ultimative Lösung für Skulptur als Ballast. Nichts bleibt übrig. Topolovac zeigt Modelle dieser Erdbeobachtungssatelliten, Errungenschaften der Forschung, des Militärs, nachgebaut aus Pappe, Farbe und Plastik, unverglüht. Faszination Technik, die neue Maschine der Selbstbetrachtung. Hier steht das Beeindruckende, das Nützliche, die spielerische Aneignung im Vordergrund. Das Ende der tatsächlichen Maschinen deutet bereits auf einen anderen Aspekt: die Zerstörung.

Toplovac hat über die letzten Jahre in Berliner Baugruben Glasfundstücke gesammelt. Dort wo heute ein neues Haus gebaut wird, ist in Berlin meistens davor eins abgebrannt. Oft sind die Fundamente und Keller erhalten, die jetzt ausgehoben werden. Glas beginnt bei 600 Grad Celsius zu schmelzen. Unter dem infernalen Ende des zweiten Weltkrieges zerrannen Flakons, Aschenbecher, Milchflaschen, Konfektschalen, Salz- und Pfefferstreuer, Nippes. Was bleibt sind neuartig geformte Glasteile, narrative Artefakte, inszeniert als Bestandteile einer Museumssammlung. Sie erzählen ihre Geschichte aus dem Erdboden.

Hier kehrt eine Seite von Topolovac´s künstlerischer Praxis wieder, die vorerst in seinen Bergabformungen deutlich wurde: die Suche des Bedeutsamen im Marginalen. Philip Topolovac findet Landschaften, auch Bergwelten in Berliner Kiesgruben und formt diese mit Polyester ab. Für diese Ausstellung hat er ein quadratisches Stück Erdboden mit topografischen Unebenheiten ausgesucht. Das Ergebnis ist eine krustige Schale, die als Hohlform einer Skulptur gelesen werden kann, ein Instrument der Nachformung. Durch die Verschraubung der 16 Einzelteile entsteht ein Ding-gewordenes Raster; seine Machart und Massivität das Gegenteil von Virtuell. Anders als bei den Bergformen interessiert hier nicht so sehr die Dekonstruktion romantischer Sinnträgerschaft, sondern sein Wesen als Stück der Welt, im Größenverhältnis. Der Maßstab 1 zu 1 ist Abformungen eigen. Im Gegensatz dazu können die Bildergebnisse der Erdbeobachtungssatelliten nur hochgradig abstrakt erscheinen, und dem Akt des Abformens, der Handarbeit wird eine verzweifelt realistische Note zu eigen.

Philip Topolovac sammelt, tüftelt und schleppt. Die Skulpturen und Objekt in seiner Ausstellung zeigen uns die Methoden zur „Erdbeobachtung“ und verweisen ironisch auf ihre Defizite; in dem Sinne, dass die Ergebnisse aller Beobachtung doch der Interpretation des Menschen unterworfen bleiben und uns Topolovac unterschiedliche Wahrheiten anbietet; ohne dabei den langweiligen Weg der Konfrontation zu wählen. Gleichzeitigkeit beherrscht den Erdboden. Topolovac versetzt den Betrachter in die Position des Wählenden. Was wollen wir lesen? Welchen Augenschein wählen wir?

Nina Hoffmann, Berlin, 2010

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