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Pedro Cabrita Reis, 1956 in Lissabon geboren, ist einer der wichtigsten portugiesischen Künstler, der nun erstmals seit 1996 wieder in einem deutschen Museum zu sehen sein wird. Neben zahlreichen internationalen Ausstellungen nahm er 1992 an der documenta teil und vertrat 2003 Portugal bei der Biennale in Venedig. In der bislang umfangreichsten Werkschau des Künstlers zeigt die Hamburger Kunsthalle im gesamten Sockelgeschoss der Galerie der Gegenwart rund sechzig, zum Teil raumgreifende Skulpturen, Gemälde, Zeichnungen und Photographien aus den Jahren 1985 bis 2009.

Seit den frühen 1990er Jahren kreist Cabrita Reis’ Werk um die Themen Haus, Behausung, Architektur und Territorium. Neben Arbeiten, die auf Elementen der alltäglichen Lebenswelt, wie Tisch und Stuhl, Tür und Fenster basieren, entwirft Cabrita immer wieder raumgreifende Installationen, die die Ausstellungsräume mit ebenso komplexen wie brachialen architektonischen Strukturen in Besitz nehmen. Mit ungeschlachten Ziegelmauern, Fundstücken und industriellen Materialien wie Neonröhren, Glasplatten, Stahlträgern oder rohen Brettern konterkariert er den klassischen White Cube oder besetzt einen barocken Prunksaal kurzerhand mit einer Reihe Favelas.

Pedro Cabrita Reis ist ein aufmerksamer Sammler, sowohl von zivilisatorischem Treibgut wie auch von Eindrücken und Bildern. Aufgegebene Alltagsgegenstände sind ebenso willkommene Fundstücke wie das Panorama einer verlassenen Baustelle, ein alter Olivenbaum oder ein flüchtig gemauerter Hühnerstall, die er bei seinen Fahrten durch Lissabon oder durch die kargen Landschaften des Alentejo und der Algarve sieht. Wie Nachbilder auf der Retina setzen sie den Keim einer Bildidee für eine seiner melancholisch-archaischen Skulpturen oder einer neuen Malerei. Selten gibt es einen Künstler, dessen Werk so stark von seiner Umgebung, dem Land und seiner Geschichte, den Landschaften und den Städten, in denen er aufwuchs und lebt, geprägt ist. Gleichzeitig treiben ihn immer wieder Grundfragen der Kunst um, zum Malerei- oder Skulpturbegriff, zur Zeichnung im Raum mit skulpturalen Mitteln.

Auch wenn Cabritas rohe Mauern, seine mit Klebeband zusammengehaltenen Pappverschläge auf sozialen Realitäten außerhalb der Kunst verweisen, gehen sie nicht in diesen Realitäten auf oder verdoppeln sie gar, sondern transformieren sie in vieldeutige, geheimnisvolle und teils im wörtlichen Sinne undurchsichtige Kunstwerke. Wo Fenster in Cabritas Installationen auftauchen, sind sie grundsätzlich blind, vernagelt, übermalt, die Türen zu seinen Gehäusen sind unzugänglich, Treppen führen in die Leere. Cidades Cegas, blinde Städte, ist der Titel einer Werkgruppe, deren stoisch melancholische Anmutung auf die „Unbehaustheit“ des Menschen als Grundkonstante der conditio humana und damit einem der wichtigsten Leitmotive in Cabrita Reis Œuvre verweist.

Die Ausstellung wird neben Leihgaben aus renommierten Museen und Privatsammlungen auch neue Werke vorstellen, die für die Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle konzipiert wurden. Nach ihrer Premiere in Hamburg wandert die Ausstellung an das Musée Carré d’Art in Nîmes und das Museu Colecção Berardo in Lissabon. Es ist die erste Ausstellung der neuen Kuratorin der Galerie der Gegenwart, Sabrina van der Ley, in der Hamburger Kunsthalle.

Zu der Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog mit 200 Farbabbildungen und Texten von António Lobo Antunes, Dieter Schwarz, Pedro Cabrita Reis u.a. Er ist im Museumsshop oder unter www.freunde-der-kunsthalle.de erhältlich.

Kuratorin der Ausstellung: Sabrina van der Ley