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Mitte der 1980er Jahre, während die ehemalige Sowjetunion im Zuge von Gorbatschows Politik von Glasnost und Perestroika sich langsam dem Westen öffnete, entstand eine neue Generation von Künstlern, Literaten und anderen Kulturschaffenden. Diese neue Generation identifizierte sich weder mit der Undergroundszene der sogenannten 2. Russischen Avantgarde der 1960er und '70er Jahre, noch war sie völlig losgelöst von der Sowjetkultur, in der sie aufgewachsen war. Die von u.a. Pavel Pepperstein (geb. 1966 in Moskau) und Sergej Anufriew gegründete Künstlergruppe "Inspektion Medizinische Hermeneutik" zeichnet sich vor allem durch eine kritische Haltung gegenüber dem zunehmenden Einfluss westlicher Kunst und Kultur in Russland aus. Mit Hilfe einer komplexen Wort- und Bildsprache, die auf der Aneignung kultureller Zitate basierte, erfanden die jungen Konzeptkünstler eine neue, in sich geschlossene und von westlichen Trends unabhängige Subkultur. Ihre Vorgehensweise wird als u.a. psychedelisch, diskursiv, halbwissenschaftlich, kunsttheoretisierend, märchenhaft, romantisch und konzeptuell (siehe Kunstforum International, Band 118) bezeichnet.

Bei der Bilderserie "Paramen", die "Inspektion Medizinische Hermeneutik" 1994 schuf, tauchen die Künstler Pepperstein und Anufriew in die Welt der Metaphysik ein. Für die beiden Künstler bedeutet Paramen "eine Gesamtheit der Erscheinungen" und ist eng verbunden mit der sogenannten Chaos-Forschung, bei der alles alles andere in irgendeiner Art und Weise beeinflusst. Es ist letztendlich die totale Subjektivität. Die Künstler beschrieben den Paramen als eine Art "impressionistisches Bouquet". "Obwohl wir unsere Wahrnehmung an unterschiedliche Sinnesorgane delegieren, nehmen wir kein Objekt nur visuell, oder nur akustisch, oder nur taktil wahr. Alle Sinnesorgane arbeiten zusammen und – zusammen mit dem jeweiligen Objekt der Wahrnehmung – konsumieren wir auch die Umstände seiner Wahrnehmung... Als Ergebnis entsteht eine vollkommen zufällige Zusammensetzung der Eindrücke..." Neben der Bilderserie "Paramen" zeigt die Galería Kewenig u.a. die Werkgruppe "Bernsteinzimmer" aus dem Jahr 1991, die sich mit dem Begriff des "Sakralen" kritisch auseinandersetzt. Eine Reihe von Zeichnungen, Aquarellen und Gouachen von Pepperstein zeigen die große Spannbreite der mannigfaltigen Einflüsse, die die Welt des Künstlers stets aufs Neue bereichern.

Spätestens seit seiner Teilnahme an der diesjährigen Biennale in Venedig ist Pavel Peppersteins Werk auch außerhalb der Gruppe "Inspektion Medizinische Hermeneutik" nicht nur bekannt sondern auch weltweit gefragt. In einem Interview beschrieb der Künstler seine Werke als "politische Halluzinationen". Sie sind subtil subversiv und stellen die gewohnten Ikonographien von Religion und Mythos, Nationalismus und Imperialismus sowie von hoher Kunst und Pop-Kultur auf den Kopf. Peppersteins Werke innerhalb wie außerhalb der Gruppe "Inspektion Medizinische Hermeneutik" entstammen einer Strategie der freien Assoziation, d.h. einem Bewusstseinsstrom, der eher aus der Welt der Literatur bekannt ist.