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Paul Schwer (*1951 Hornberg/Schwarzwald) schloss das Studium der Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf 1988 als Meisterschüler von Erwin Heerich ab. Zu den wichtigen Einzelausstellungen der letzten Jahre zählen Kunstverein Hannover (Blast, 2004), Museum Morsbroich, Leverkusen (2004), Kunsthalle Bremerhaven (2005) und Kunsthalle Lingen (2006). Nach Baozis & Boards (2004) zeigt die Galerie Bugdahn und Kaimer unter dem Titel Maoming Lu eine Auswahl jüngerer und neu entstandener Werke, darunter zwei Baozis und vier Stelen-Arbeiten.

Die mit Konsequenz und experimenteller Neugierde betriebene Recherche in progress des Künstlers gilt der Farbe im Spannungsfeld zwischen Malerei und Skulptur.

Schwer beginnt in den frühen 90ern, sich allmählich vom Ideal des klassisches Tafelbildes zu lösen, indem er es in seine Parameter – Farbe, Licht, Raum, Zeit, Material, Begrenztheit und thematische Darstellung – zerlegt und diese in der Folge auf ihre Tragfähigkeit und Grenzen hin testet. Die Farbmaterie wird dabei ebenso wie der Untergrund in mehreren Varianten ausprobiert – in die Gattungsgrenzen sprengenden Zwitterpositionen, zumeist Rauminstallationen, verwendet der Künstler Stoffbahnen, Polyesterfolie, Glas-, Plexiglas- und PET-G-Platten, die er mit Acryl- und Siebdruckfarbe sowie einer Mischung aus Buttermilch und Pigment bestreicht. Das Trägermaterial bleibt, auch wenn es zerknüllt, unter Hitzeeinwirkung verformt oder architektonisch verbaut wird, als Zitat des zweidimensionalen monochromen Farbfelds identifizierbar. Bei der Präsentation im Ausstellungsraum spielt Schwer alle Möglichkeiten des Decke-Boden-Wand-Bezugs durch – plane Parallelität, schräges Kippen, diagonales Durchkreuzen, örtliches Markieren. Die Behauptung der Werke in ihrem räumlichen Kontext durch das Wie des physischen Kontakts, das Ineinandergreifen von Werkrealität und Realraum mit seiner Innen-Außen-Dialektik sind zentrale Fragen für ihn. Dabei geht es ihm weniger um die Form als festen, eindeutigen Körper im Raum, sondern um die Farbe und ihre möglichst autonome Präsenz, im Idealfall als farbiges Licht. Um für den Betrachter wahrnehmbar zu bleiben, ist sie an Träger und Form gebunden, kann jedoch durch Transparenz der Materialien und die offene Konstruktion als dynamische oder plane Farbhaut ein Maximum an Immaterialisierung erlangen. Ihre abgrenzende bzw. interagierende Reaktion auf den Raum artikuliert der Wechsel zwischen matten und glänzend-reflektierenden, konkaven und konvexen Oberflächen und das Prinzip der Staffelung bzw. Schichtung mehrerer semitransparenter Materialebenen.

Maoming Lu – eine gleichermaßen exotische wie lautmalerische Titelgebung, die auf den dreimonatigen Shanghai-Aufenthalt von Paul Schwer im Rahmen eines Degussa Werkstipendiums anspielt. Neben den Stelen Noldes Garten und Papenburg (270 bzw. 250 x 30 x 30 cm; 2005) sind, als Nachklang des Ortswechsels, Jinmao-Tower und Xijang Nanlu ausgestellt. Die quaderförmigen, fragilen Skulpturen lehnen als lockeres Ensemble in verschiedenen Neigungen an der Wand; sie bestehen aus Acrylglasplatten, die partiell mit schwarzweißen Digitalprints hinterklebt und mit Acrylfarbe bzw. mit Siebdrucklack und Pigment in gestischem Duktus bemalt wurden. Im Inneren ist, von außen sichtbar, eine Neonröhre angebracht. Bei eingeschaltetem Licht gewinnen die Farben an Leuchtkraft und die fest umrissene, architektonische Formlöst sich zugunsten einer atmosphärischen Farb-Licht-Erscheinung auf. Papenburg und Noldes Gartenoperieren mit naturnaher, blau-grüner Tonalität, ganz im Gegensatz zu Jinmao-Tower und Xijang Nanlu mit ausgeprägten, fast giftigen Kontrasten zwischen klarem Pink und Türkisblau; flimmerndem Orange, Indigoblau und Grün. Die Photographien, Reflexe der urbanen chinesischen Gegenwart, verweisen zusammen mit den Schiffs- und Gartenaufnahmen auf die Ebene der Darstellung in Paul Schwers Œuvre – Abbildungen werden apparativ hergestellt und ordnen sich dem komplexen Gefüge der übrigen Aspekte unter, welches eine sich in jedem Moment verändernde und vom jeweiligen Standpunkt abhängige, transitorische Werkrealität bildet. Darüber hinaus markieren die Photographien topographische Spur und biographische Notiz, lassen Verortung und das Protokoll einer Bewegung zwischen verschiedenen Orten zu. Auf die linearen, den Raum durchmessenden Licht-Farb-Skulpturen treffen die beiden amorph-organischen, volumenverdichtenden Baozis aus bemalten und geformten Acrylglas- bzw. PET-G-Platten. Während die eine Arbeit in Rot und Blau direkt auf dem Boden aufgebaut ist, schwebt das andere Exemplar, eine Komposition aus Orange, Rotviolett und Grün, an seiner Aufhängung in der Luft und prononciert die grundsätzliche Leichtigkeit, die Schwer anstrebt.

Gabriele Wurzel

Vernissage Freitag, 9. März 2007, von 18 – 21 Uhr.

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Paul Schwer "MAOMING LU"