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Mit LaLa Land präsentiert das Haus der Kunst ab 12. Juni die bislang umfangreichste Werkschau des amerikanischen Künstlers Paul McCarthy in Europa. 1945 in Salt Lake City, USA, geboren, gilt McCarthy als einer der international anerkanntesten und zugleich einflussreichsten Künstler der Gegenwart. Über 20 Jahre hat er an der University of California Los Angeles (UCLA) – eine der wichtigsten Kunstschulen Amerikas – gelehrt und die kalifornische Kunstszene stark geprägt. Sein Schaffen war wegweisend für die jüngere Künstlergeneration der amerikanischen Westküste, etwa für Mike Kelley oder Jason Rhoades, inspirierte aber auch junge europäische Künstler wie John Bock oder Jonathan Meese. McCarthys Interesse gilt der „Malerei als Aktion“, der Performance, der Installation und dem Film. Seine Bezugspunkte wurzeln einerseits im typisch Amerikanischen: Disneyland, B-Movies, Soap-operas und Comics. Andererseits ist es die europäische Kunst und Kultur, die seine künstlerische Sprache geprägt hat: Die Wiener Aktionisten, Joseph Beuys, Sigmund Freud oder Samuel Beckett sind u.a. als Referenzen zu nennen.

Paul McCarthys Kunst ist provokant. In den Live-Performances der späten 1960er- und 70er-Jahre setzte er seinen Körper als Material ein und ging oftmals bis an die eigenen physischen Grenzen. Er hantierte mit typisch amerikanischen Produkten wie Ketchup oder Mayonnaise, die er mit eigenen Körperausscheidungen zu Saucen vermischte – eine Attacke gegen die Werte des american way of life und die von den Medien manipulierte Gesellschaft. In den 1980er-Jahren entstanden neben den Live- und Video-Performances kinetische Figuren (mechanical sculptures), die den Künstler im Ausstellungsraum allmählich substituierten. Seit den 1990er-Jahren verbindet McCarthy in ausladenden Installationen den realen, schmutzigen und aggressiven Körper mit cleanen Simulakren. Es entstehen komplexe Werkgruppen und Inszenierungen, die – meist sexuell aufgeladen – auf theatralisch-drastische Weise mit Tabus brechen und auf Themen verweisen wie Gewalt und Pornografie, Masturbation, Geburt oder Tod.

Die Ausstellung im Haus der Kunst präsentiert im gesamten Erdgeschoss auf 2.500 m2 zwei neue, raumgreifende Installationen Paul McCarthys, an denen der Künstler mehrere Jahre arbeitete und die nun erstmals öffentlich zu sehen sind: Pirate Project und Western Project. Beide Installationen werden ergänzt durch Videos, Zeichnungen und Skulpturen der 60er-Jahre bis heute. Sie zeigen die Genese der beiden wichtigen Werkkomplexe und machen ihre Einordnung in das gesamte Schaffen McCarthy’s möglich.

Paul McCarthy präsentiert in seinem LaLa Land zwei Themenparks, macht aus dem Haus der Kunst einen Erlebnispark und lädt den Besucher zu einer Fahrt ein. Er stellt die Frage nach dem Paradies und kreiert seine eigene Parodie dazu.

Zeichnungen, Fotografien, Video, Installationen und Skulpturen sind Bestandteile beider Projekte. Pirate Project entstand im Gespräch mit Paul McCarthys Sohn Damon und wurde gemeinsam mit ihm realisiert. Peter Pan oder Pirates of the Caribbean, beides rides in Disneyland, waren ebenso Ausgangspunkt wie das Thema der ‚Landnahme’, ‚Übernahme’, des Eindringens in eine andere Welt und der Versuch sich diese anzueignen. Parallelen zum aktuellen Zeitgeschehen in Amerika sind hier offensichtlich. Kernstücke des Pirate Project sind ein original großes Piratenschiff aus mit rostrotem Fiberglas überzogenem Schaumstoff, in das eine sog. Cakebox als Wohnraum eingeschoben ist; ein aus den 70er-Jahren stammendes Hausboot, an das McCarthy angebaut hat – beide dienen als Set für sein neues Video; die Underwaterworld, ein bewegliches Gefüge aus drei ca. 15m2 großen Räumen, die durch einen Motor in Bewegung versetzt werden und einer von McCarthy festgelegten Choreografie folgen. Die Räume rollen nach vorne und hinten, kippen nach rechts und links und schwingen vor und zurück. Grundlage aller Arbeiten sind bis zu 4 m hohe Zeichnungen, die McCarthys Gedankenkonstrukt zeigen. Sie dienen ihm allerdings nicht als strenge Vorlage, sondern nur als Ausgangspunkt zum Weiterdenken. Diese Zeichnungen sind wesentlicher Bestandteil der Ausstellung.

McCarthys Performance, deren Dokumentation das Video ist, funktioniert wie ein Initiationsritual für die Installation. Sie macht die Installation zu dem, was sie jetzt ist – Schauplatz, Bühne, Setting für Tätigkeiten, die an Körperfunktionen wie Verdauung, Nahrungsaufnahme oder Urinieren erinnern. Die Überreste der Performance wie Trichter, Schokoladensirupdosen, abgeschnittene Prothesen etc., die über den Zeitraum von einem Monat mit fast 30 Protagonisten durchgeführt wurde, sind nun zum Bestandteil der Installationen geworden.

Die Auseinandersetzung mit Western ist in McCarthys Werk seit den 90er-Jahren präsent und zeigt sich in früheren Arbeiten wie Saloon. Zentrum dieser Installation ist ein Westernfort aus Holz in der ehemaligen Ehrenhalle des Hauses der Kunst. Mit seinen fünf Wachtürmen und Tunneln, die in sein Inneres führen, stellt sich die Frage: Was wird hier von wem bewacht? Die Außenwelt von dem, was drinnen passiert? Oder wird hier die Innenwelt vor den Gefahren von außen beschützt (KZ, Gefängnis oder Fort?)? Planwagen umkreisen den Komplex und erinnern an den Aufbruch in den Westen und die gewaltsame Eroberung von Land; war der Zug nach Westen doch ein von Gott erteilter Auftrag, der die Landnahme rechtfertigte. Er wurde zum Synonym dafür, alles zu riskieren, wenn es zur Realisierung des amerikanischen Traumes beitrug. Neben Zeichnungen sind es hier Fotografien, die den Rahmen der Installation abstecken. Fotografien, die die Landschaft Kaliforniens zeigen: Wasser, Wüste, Berge.

Das hierzu entstandene Video macht den Bezug zum Faschismus und damit auch zum Haus der Kunst, dem Ort an dem die Arbeit erstmals gezeigt wird, offensichtlich. Fünf mindestens 1,82 m große wohlproportionierte Männer in Uniformen marschieren im Stechschritt durch die Installation. Schritt für Schritt löst sich die konstruierte Ordnung in Chaos auf.

Die Protagonisten von Paul McCarthy entspringen wie in früheren Arbeiten gängigen Klischees und Mythen. Cowboys und Piraten sind Urthemen der amerikanischen Zivilisation und zugleich klassische Sujets des Hollywood-Kinos. In unzähligen Filmen wur-den sie zu Mythen stilisiert und prägen die Sicht auf den amerikanischen Far West bis heute. Doch ist es die dunkle, bis dahin verborgene Schattenseite seiner Protagonisten, die McCarthy in Szene setzt, ironisiert und bis ins Groteske überzeichnet. McCarthy führt den Betrachter oftmals bis an die Grenze des Erträglichen, und der wagt nicht immer, diese Grenze zu überschreiten und in die Welt einzutreten, die der Künstler inszeniert – eine Welt aus Ekel und Anziehung, Schmutz und Künstlichkeit, Pornografie und Mickey Mouse. Doch nicht Schock und Provokation scheinen das Ziel Paul McCarthys, sondern die Katharsis, die den letztlich moralischen Anspruch des Künstlers sichtbar macht. Paul McCarthy ist der „Pirat, der Bilder aus der Kulturindustrie stiehlt, doch zugleich ist er der Cowboy, der nicht dazu passt und mit seiner Gewalt gegen die ikonischen Figuren, die Amerika hervorbringt, um seine Ordnung aufrechtzuerhalten, selbst gewalttätig ist“ (Bronfen).

Im Rahmen der Bundesgartenschau wird Paul McCarthy auf dem Dach des Hauses der Kunst ein überdimensionales aufblasbares Blumenbouquet (inflatable) installieren. Das Haus der Kunst wird so zu einem Blumentopf, aus dem deutsche Geranien sprießen.

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Paul McCarthy "LaLa Land - Parodie Paradies"
Kurator: Stephanie Rosenthal

Stationen:
12.06.05 - 28.08.05 Haus der Kunst, München
23.10.05 - 08.01.06 Whitechapel Art Gallery, London