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Eröffnung: 20. Juni 2009, um 20.00 Uhr

Als „proletarischen Rubens“ hat ihn der berühmte Kunstkritiker Julius Meier-Graefe bezeichnet: Paul Kleinschmidt (1883-1949), der deutsche Einzelgänger des sozialkritischen Verismus, ist einer der bedeutenden Künstler des Berliner Großstadtlebens am Anfang des 20. Jahrhunderts. Über 60 Gemälde und 40 Grafiken aus dem süddeutschen Raum und eigenen Beständen zeigt im Sommer 2009 das Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg. Die Ausstellung entsteht in enger Zusammenarbeit mit der Paul Kleinschmidt-Gesellschaft e.V. in Ulm. Sie gibt einen famosen Einblick in den von Bar und Boudoir, Zirkusmanege und Varieté geprägten Kosmos des Künstlers Paul Kleinschmidt.

„Lust an Malerei“. Die Ausstellung im Kunstforum Rund 60 Gemälde und Gouachen sowie 40 Zeichnungen und Radierungen Paul Kleinschmidts zeigt das Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg vom 20. Juni bis zum 30. August 2009. Die Arbeiten stammen aus süddeutschem Privatbesitz und werden durch Werke aus dem eigenen Bestand des Museums ergänzt. Neben den großstädtischen Milieuschilderungen, die ihm den Beinahmen „proletarischer Rubens“ (Julius Meier-Gräfe) einbrachten, zeigt die Ausstellung auch seine Stadtansichten, Landschaften und Stillleben. Mit diesen ‚unverfänglichen’ Bildern hatte Kleinschmidt, der wie viele Künstlerkollegen seit 1933 als „entarteter Künstler“ diffamiert wurde, die Nazizeit überbrückt. Die Ausstellung entsteht mit Hilfe der Paul Kleinschmidt-Gesellschaft e.V. in Ulm. Sie wird am 20. Juni um 20 Uhr im Rahmen der Museumsnacht 2009 eröffnet. Mit amerikanischer Musik der 1920er bis 1940er sorgt die Band „Muck & His Swinging Buddies“ für das passende musikalische Ambiente.

Berlin zwischen Bar und Boudoir: Kleinschmidts großstädtischer Figurenkosmos

"Ich will versuchen, eine Synthese der Götter von heute zu geben, einen riesigen Turm von Fressereien und Weib sowie Wein", so beschreibt Paul Kleinschmidt seine Kunst im Jahr 1932. Wie kein anderer Künstler seiner Zeit nimmt er in seinen Bildern die genusssüchtige Berliner Gesellschaft Anfang des 20. Jahrhunderts ironisch kritisch in den Blick. Aufgewachsen in einer Künstlerfamilie, war Kleinschmidt geprägt von der Welt des Theaters und dem damals überschäumenden Lebensstil Berlins. Seine opulenten Gestalten siedelt er vorwiegend im Milieu zwischen Bar und Café, Zirkusmanege und Varieté sowie Künstlergarderobe und Boudoir an. Im Zentrum seines Werkes steht die Darstellung der Frau als monumentale weibliche Figur mit Absolutheitsanspruch. Seine in enge Korsetts, glitzernde Strapse und extravaganten Stiefeln gekleideten üppigen Bardamen, Balletteusen und Zirkusreiterinnen sind ungeschönte Kultfiguren der damaligen Zeit. Zugleich ist Kleinschmidt ein unbestechlicher malerischer Realist. Er arbeitet unmittelbar aus der Farbe heraus. In seinen Bildern vermittelt die pure Farbe mit Weiß gemischt die plastische Realität und macht das Figurative sinnlich. Die leidenschaftliche Malerei Kleinschmidts wird durch seine Zeichnungen, Radierungen und Lithografien ergänzt. In diesen Papierarbeiten erweist sich der Künstler sowohl als technischer Meister wie auch als subtiler Beobachter der Gesellschaft. "Paul Kleinschmidt gehört zur Generation des Nachexpressionismus und der Neuen Sachlichkeit", würdigt Dr. Leistner den Maler und Grafiker. "Mit seinem sozialkritischen Verismus bleibt er jedoch neben berühmten Zeitgenossen wie Max Beckmann, Otto Dix oder George Grosz ein singulärer Einzelgänger und Außenseiter. Dennoch hat kein anderer deutscher Künstler das Berliner Großstadtmilieu der 1920er und 1930er Jahre so variantenreich und eindringlich als Welt der Bühne festgehalten, wie Paul Kleinschmidt. Dies macht ihn so einzigartig in der Kunstgeschichte."

Biografie

Paul Kleinschmidt wird 1883 als jüngstes Kind einer Künstlerfamilie geboren. Von 1902 bis 1904 studiert er Kunst an der Berliner Akademie bei dem Historienmaler Anton von Werner. In dieser Zeit lernt er Lovis Corinth kennen, der ihn künstlerisch und menschlich tief beeindruckt. 1904 bis 1905 setzt Kleinschmidt sein Studium an der Münchener Akademie bei Heinrich von Zügel und Peter Halm fort. Hier erlernt er verschiedene grafischen Techniken, denen er sich vor allem 1915 bis 1923 widmet. Seit 1905 ist Paul Kleinschmidt als freischaffender Maler und Grafiker in Berlin tätig. Er beteiligt sich regelmäßig an Ausstellungen der Berliner Sezession. Im Ersten Weltkrieg wird der Künstler 1914 kurzzeitig als Soldat eingesetzt und 1915 wegen einer Gasvergiftung entlassen. Im gleichen Jahr heiratet er Margarethe Treichel, mit der er zwei Töchter haben wird. Um seine Familie zu ernähren, arbeitet er in den Jahren 1915 bis 1923 als Maschinenzeichner und Zeichenlehrer. In dieser Phase widmet er sich künstlerisch vor allem der Druckgrafik. Erst seit 1925 wird die Malerei zu seinem wichtigsten künstlerischen Ausdrucksmittel. Zwei Berliner Ausstellungen sind für die künstlerische Karriere Kleinschmidts von besonderer Bedeutung: 1925 stellt er in der Galerie F. Gurlitt und 1928 in der Galerie A. Flechtheim in Berlin aus. In dieser Zeit wird der Kunstkritiker Julius Meier-Graefe auf ihn aufmerksam und fördert den Künstler. 1928 lernt Kleinschmidt den Amerikaner Erich Cohn kennen, der einer der wichtigsten Mäzene seiner Kunst wird. Nach zahlreichen Studienreisen zieht der Künstler 1932 nach Süddeutschland. Zu seinem 50. Geburtstag findet 1933 in den USA dank der Unterstützung Cohns eine viel beachtete Einzelausstellung statt. Seit 1933 wird das Werk Kleinschmidts von den Nationalsozialisten als "entartete Kunst" verschmäht. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs werden viele seiner Arbeiten beschlagnahmt und der Künstler erhält Malverbot. Unter dem wachsenden politischen Druck siedelt Kleinschmidt mit seiner Familie 1936 in die Niederlande um. Als Zwangspatriierte müssen sie aber bereits 1943 wieder nach Deutschland zurückkehren. 1944, zwei Jahre vor Kriegsende, wird bei einem Bombenangriff auf Ulm ein Großteil des Werkes von Paul Kleinschmidt vernichtet. Im Alter von 66 Jahren stirbt der verarmte Künstler 1949 an einem Herzleiden. Er hinterlässt über 300 Zeichnungen und 400 Ölgemälde.

Publikationen zur Ausstellung

Zur Ausstellung liegen drei grundlegende Publikationen zu Leben und Werk des Künstlers auf: Günther Wirth: Paul Kleinschmidt. Mit einer Biographie von Maria Salzmann-Kleinschmidt, Stuttgart 1988. Kat. Paul Kleinschmidt. Gemälde aus der Sammlung Deyhle, Kunsthalle Tübingen, Von der Heydt-Museum, Wuppertal u.a., Ostfildern 1997 Kat. Paul Kleinschmidt. Zwischen Bar und Boudoir. Malerei, Ulmer Museum, Pfalzgalerie Kaiserslautern u.a. Ulm 2003

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Paul Kleinschmidt
Lust an der Malerei