press release only in german

»Die Kunst spielt mit den letzten Dingen ein unwissend Spiel und erreicht sie doch!« Paul Klee Die Fondation Beyeler zeigt in einer umfassenden, mit über 100 Werken bestückten Sonderausstellung das bedeutende Spätwerk von Paul Klee. Ausgehend vom farbenprächtigen Pointillismus der Düsseldorfer Jahre (1931-1932) kommen dabei über das Jahr der Machtergreifung der Nationalsozialisten und Klees darauf folgenden Emigration (1933) bis zum Tod des Künstlers im Juni 1940 alle Facetten dieser reichen Schaffensphase zur Anschauung.

Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit dem Sprengel Museum Hannover konzipiert. Sie basiert auf dem grundlegenden Bedürfnis der beiden Häuser, die bedeutende Eigenbestände an Werken Paul Klees besitzen, ein gültiges Bild vom wechselvollen Verlauf des Werkes zu vermitteln, das der deutsche, in der Schweizer Wahlheimat im Exil lebende Künstler in der Zeit des Dritten Reiches geschaffen hat.

Im Mittelpunkt steht ein grosses Thema der Kunst, das sich auch für dieModerne als bedeutungsvoll erwies: das des »Spätwerks«. In der Tat war es das bedeutende Spätwerk von Künstlern des ausgehenden 19. Jahrhunderts (Cézanne, van Gogh, Monet), das der Moderne entscheidende Anregungen gab. Als im zweiten Drittel des 20. Jahrhunderts einige wichtige Vertreter der stets jugendlichen Avantgarde plötzlich selber vor den »letzten Dingen« standen, kam es zu teilweise denkwürdigen Wendungen. Es entstanden neue künstlerische Sprachen von grosser Eindringlichkeit: die ersten Formen des »modernen Spätwerks«. Zu den besonders qualitätvollen Ausprägungen gehört – neben Matisse – das Spätwerk von Paul Klee, das zugleich eine der frühesten »Bilanzen« der Moderne darstellt.

Nach langer, erfolgreicher Lehrtätigkeit am Bauhaus in Weimar und Dessau wird Klee 1931 als Professor an die Düsseldorfer Staatliche Kunstakademie berufen. Damit beginnt seine gefeierte »pointillistische« Phase, in der sein Kolorismus einen Gipfel der Subtilität und Dichte erreicht. Doch mit dieser grandiosen Feinmalerei hat es ein Ende, als Klee – nach der Machtergreifung der Nazis – im April 1933 mit sofortiger Wirkung beurlaubt wird. Im Dezember des gleichen Jahres emigriert er nach Bern, der Stadt seiner Kindheit und Jugend, die er nur noch selten verlassen wird. In einem beeindruckenden künstlerischen Akt verwandelt sich seine präzise Traumwelt der Düsseldorfer Zeit in eine schroffe, wunde und abgründigdichte neue Bildsprache. Aus den pulsierenden mythischen Fleckenmustern der pointillistischen Zeit werden die Pockennarben einer in die Enge getriebenen Wahrnehmung. Dieser Bruch lässt sich in der Ausstellung anschaulich nachvollziehen, wenn beispielsweise Hauptwerke der Düsseldorfer Zeit auf Werke des Schicksalsjahres 1933 und danach stossen (»Kopf eines Märytrers«, 1933).

Die nächste Wende erfolgt im Jahre 1935. Klee erkrankt schwer. Im Folgejahr häufen sich die Symptome, die postum als unheilbare progressive Sklerodermie diagnostiziert werden. Von nun an ist jedes Blatt, jedes Gemälde einem angekündigten Spätwerk zugehörig. Zunächst bricht Klees Schaffenskraft in sich zusammen: Nur gerade 25 Arbeiten entstehen in diesem äusserst schwierigen Jahr 1936. Die Ausstellung vereinigt einige massgebliche Arbeiten der beiden Jahre 1935/36, in denen auf die europaweite politische Katastrophe somit die ganz persönliche folgte.

Zwei Aspekte des Jahres 1936 können hervorgehoben werden: Auf der einen Seite findet sich ein erneutes Interesse am Konstruieren von Formen, wie es zuvor vor allem für die Bauhaus-Zeit charakteristisch war. Doch werden nun aus jenen oftmals spintisierenden Graphismen der zwanziger Jahre Bedeutungsfelder von neuartiger Brisanz gebildet. So lastet ein bedrohlicher schwarzer Pfeil auf den Lineamenten der »Betroffenen Stadt« und in einem Geviert farbiger Rechtecke tut sich auf einmal ein schwarzes »Tor zur Tiefe« auf. Auf der anderen Seite präsentieren sich bereits ansatzweise (»Nach der Überschwemmung«) jene schwarzen Balkenlinien, die – in Verbindung mit leuchtend farbigen Bildgründen – ab 1937 die letzten Werkphasen charakterisieren werden.

Gut drei Viertel der gezeigten Werke entfallen auf die Jahre 1937-1940, in denen das Werk eine letzte Verdichtung und zahlenmässige Steigerung erfährt (1253 Arbeiten entstehen allein 1939). Bereits das Jahr 1937 bringt einen markante Erholung der Produktion. Die Krankheit stabilisiert sich und erlaubt das Wahrnehmen einer neuen, zerbrechlichen künstlerischen Freiheit »sub specie aeternitatis«. Nun findet der erwähnte Spätstil mit den dunklen Linien und Balken vor farbigem Grund zu seiner vollgültigen Ausprägung. Klee überträgt hier in gewisser Weise die Beweglichkeit des Zeichnens in den dauerhaften Bereich des gemalten Bildes. Bald präsentieren sich die Linien als angedeutete Figuren, bald als weitgehend abstrakte Formen, bald auch als Symbole und Zeichen mit Bezugsmöglichkeit zu Sprache und verschlüsselter Bedeutungshaftigkeit. Klees Bilder und Zeichnungen bilden nun die kostbare Schnittmenge zwischen der »Condition humaine« in all ihrer Lächerlichkeit, Weisheit und Tragik sowie weiter reichenden, dem Intellekt verschlossenen Dimensionen der Existenz.

Die folgenden zwei Jahre bringen zahlenmässig einen weiteren, ungeahnten Aufschwung der Produktion. Vor allem 1938 entstehen grossformatige Gemälde – darunter die grössten, die der Künstler je geschaffen hat. Es ist die Reifezeit innerhalb des Spätwerks. In der Ausstellung sind mehrere dieser kapitalen Werke zu sehen, die zu den krönenden Arbeiten von Klees gesamtem Schaffen gehören (»Wald-Hexen«, »der Graue und die Küste«, »Reicher Hafen«). Souverän gestaltet der Künstler nun die grossen Themen des Mythos, der inneren Reise, aber auch des Künstlers als Mittler zwischen der Form und den elementaren Kräften des Daseins.

Nach diesen grossen »sinfonischen« Hauptwerken ist das Jahr 1939 unter anderem durch eine fieberhafte zeichnerische Produktion charakterisiert. Dazu gehört die intensive Beschäftigung mit einer besonderen Kategorie von Mittlerwesen, der Engel. In der Ausstellung sind sie vor allem mit einer jener Zeichnungsfolgen vertreten, die für die letzten Jahre charakteristisch sind.

Präsentieren die Jahre 1938 und auch 1939 in berührender Weise die Entfaltung einer letzten Fülle, so steht das Jahr 1940 unter dem Zeichen eines zunehmenden Einbrechens der nun unaufschiebbar gewordenen »letzten Dinge«. In einer nicht selten dramatisch

zugespitzten Farbigkeit gewähren die Werke nun Durchblicke in Bereiche des Überganges. »Tod und Feuer«, »ins Nachbarhaus« und »finstere Bootsfahrt« zeigen auf verschiedene Weise diesen Aspekt der letzten rücksichtslosen Geheimnisse, die den schwer kranken Maler von seiner Erlösung trennen. Am Schluss stehen drei jener berühmten nachgelassenen Werke, denen der Künstler selbst keinen Titel mehr gegeben hat, die aber unter charakteristischen Bezeichnungen wie »Gefangen (Diesseits – Jenseits)«, »Letztes Stillleben« und der »Todesengel« bekannt geworden sind.

Insgesamt erlaubt die Ausstellung eine vertiefte Auseinandersetzung mit diesem frühen grossen Spätwerk der Moderne. Während aber andere Spätwerkausstellungen der letzten Zeit jeweils eine besondere technische Facette dieser Periode oder aber das Schaffen eines einzelnen Jahres in den Vordergrund rückten, ist in der Ausstellung der Fondation Beyeler Klees Spätwerk zum ersten Mal seit längerer Zeit in seiner ganzen Breite zu sehen. Allerdings wurde das Schwergewicht dabei – wie selten zuvor in den letzten Jahrzehnten – bewusst nicht auf die öfter gezeigten Zeichnungen gelegt. Im Mittelpunkt stehen vielmehr die Gemälde und gewichtigen farbigen Blätter der späten Jahre. Die Zeichnungen sind jedoch in Form ausgewählter Blätter und Zyklen ebenfalls angemessen vertreten. Die Ausstellung ist die letzte grosse Klee-Ausstellung in der Schweiz vor der Eröffnung des Paul Klee-Zentrums in Bern im Jahre 2005.

Die Ausstellung vereinigt bedeutende Leihgaben aus massgeblichen Klee-Sammlungen in Europa und den USA. In erster Linie sind dabei die Berner Paul-Klee-Stiftung und die Familiensammlungen von Livia Klee und Alexander Klee zu nennen. Hauptwerke werden aber auch vom Museum of Modern Art und vom Metropolitan Museum in New York, der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf, dem Sprengel Museum Hannover, der Öffentlichen Kunstsammlung Basel, der Emanuel-Hoffmann-Stiftung, dem Kunsthaus Zürich sowie weiteren öffentlichen und privaten Leihgebern zur Verfügung gestellt. Pressetext

only in german

Paul Klee - Die Erfüllung im Spätwerk
Die Ausstellung zeigt Werke Klees aus seiner Düsseldorfer Zeit 1931–33 und die verschiedenen Schaffensphasen seiner letzten Lebensjahre – von der Machtergreifung der Nazis bis zu seinem Tod im Juni 1940.
Kooperation: Sprengel Museum Hannover
nächste Station:
23.11.2003 bis 15.02.2004 Sprengel Museum Hannover