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Die Ausstellung PAS DE DEUX: Alfred Graf & Ferdinand Penker wird am 26. Juli um 17:00 von Kultur-Stadtrat a.D. Karl-Heinz Herper und Kulturwissenschaftler Markus Waitschacher eröffnet und ist bis zum 10. September 2014 zu den Öffnungszeiten und täglich nach Absprache im kunstGarten zu sehen. Vor 10 Jahren wurde kunstGarten mit einer Ausstellung eröffnet, für die Ferdinand Penker eine Installation entwofen hatte: STATT GRAS.

PAS DE DEUX, die geplante Zusammenarbeit von Alfred Graf und Ferdinand Penker wurde vor der effektiven Umsetzung durch den unerwarteten Tod Ferdinand Penkers am 2. Juni 2014 jäh unterbrochen. Alfred Graf und Ferdinand Penker hatten überlegt, über ein gemeinsam entwickeltes Konzept einen visuellen Bezug auf ihre Gestaltungsschritte herzustellen. Ihre malerische Umsetzung und performative Objektgestaltung sollte gleichsam in diesem Tanz zu zweit sowohl ihren Bezug zum Ausstellungsort als auch ihre persönlichen Sichten und Wahrnehmungen ihrer eigenen Existenz in der umgebenden Mitwelt erkunden und zur Darstellung bringen. Die feinsinnige Präzision in den Arbeiten Ferdinand Penkers korreliert mit der Sensibilität der Arbeiten von Alfred Graf: Eine Schule der Aufmerksamkeit für unsere Augen und ein Spiel der Gedanken in unserem Kopf. Ein Bewusstwerden und fröhliches Erkennen, um gewappnet den Schritt in den nächsten Tag zu setzen!

Mit Ferdinand Penker haben wir nicht nur einen international hervorragenden Künstler sondern auch einen langjährigen Freund und kulturellen Wegbegleiter verloren. Er war ein besonderer, herausragender, höflicher, verständiger, mitfühlender, aufrechter und aufrichtiger Mensch, der sein Leben im Aufspüren von Wundern und Weisheit verbracht hat und diese seine Entdeckungen in seine Arbeit eingebaut und uns allen über sein Wirken und sein Werk vermittelt.

Alfred Grafs Arbeit "Rhein, Donau, Soca/Isonzo und andere Flüsse besuchen die Mur in Graz" gibt in einer Serie von Sedimentblöcken Hinweise auf die Differenz der unterschiedlichen Fluss-Sedimente einerseits, andererseits aber weist er aber auch auf das Wirken des Wassers hin: das Wegschwemmen, das Ablagern, das Übereinanderschichten, das Ausspülen und Untergraben.

Im übertragenen Sinn könnten die BetrachterInnen sich da verschiedene Aspekte soziologischer, politischer und kultureller Strömungen ins Bewusstsein rufen und diesen Kunstgriff als Verdeutlichung des Zusammenspiels von Bewegung und Bewegtheit in Natur und Kultur erkennen.

Graf schreibt: "Flussufer sind somit ein bevorzugtes Beobachtungsfeld. Abläufen in der Natur nachzuspüren und diese im Entstehungsprozess der Sedimentblöcke intensiver kennen zu lernen, gilt ein besonderes Bemühen. Der Idee die Aufmerksamkeit auf subtile Unterschiede zu richten entspricht das Bestreben die Installation fast unsichtbar im Ambiente des kunstGartens zu integrieren. Das Herauslesen feiner Abweichungen wird zur Aufgabe von Interessierten." (Irmi Horn)

Markus Waitschacher: GEDANKEN ZUR AUSSTELLUNG PAS DE DEUX

„Was bleiben soll, ist immer fort.

Es ist jedenfalls nicht da."

So beendete Elfriede Jelinek ihre Rede Im Abseits anläßlich der Verleihung des Nobelpreises für Literatur 2004.[1]

Flüchtigkeiten, Permanenzen und Abwesenheiten prägen eine gemeinsame Ausstellung von Ferdinand Penker und Alfred Graf.

Ebenfalls 2004 intervenierte Penker im kunstGarten mit Statt Gras, einem 2.80 m mal 0.60 m großen, rechteckigen Rasenstück, welches ausgehoben und durch ein grünes, Objekt wellenförmiger Oberfläche ersetzt wurde. Ein künstliches Kunststück wurde in den Rasen eingebettet, gleichzeitig die Natur bejahend, die Kunst darin implementierend. Der künstlerische Eingriff blieb dem Ort in sich verändernder Permanenz erhalten. Auch wenn der Garten verschiedene Veränderungen durchlief und Penkers materieller Eingriff den Ort verlassen hatte, so blieb eine gedankliche Grundhaltung über die Jahre bestehen. Kaum wahrnehmbare, doch eindeutige Umrisslinien bezeichneten den Boden, legten sich bald in verschiedene Kontexte, deuteten bald Rahmungen für Verschiedenstes an.

Nach der realen Abwesenheit des Künstlers 2014 und zehn Jahren kunstGarten kehrt Penkers materielle Diskursanalyse an ihren Ursprungsort zurück. Dort verhandelt sie von Neuem räumliche, implizit gesellschaftliche Flüchtigkeiten. Sie setzt sich fest an einen, ihr vorbestimmten, bereits besetzten Ort, fügt sich ein, reibt gleichzeitig auf. Ihre Oberfläche verführt mit hellem Grün zur sanften Berührung - Grün, dass sich durch Penkers Oeuvre mäandert. Jerome Rothenberg dichtet in Anlehnung an Octavio Paz:

Green is also / a color / like flesh / stung by thorns / my body / or yours / sparks a rage / like a drumbeat / violent / mineral / white (...)

Green would be better / a slim defile / through which we pass / an archipelago / the shadow of a syllable / a white reflection[2]

„Grün ist auch eine Farbe wie Fleisch / Haut" - Penkers Grün u. a. manifestierte sich bald installativ im Raum, überspannte Wände und Böden, eroberte sich Architektur. Statt Gras (2004 / 2014) scheint seine Entwurzelung stumm zu verhandeln, diskutiert mit dem Publikum ein Wechselspiel zwischen An- und Abwesenheit. Der Künstler diskutiert in absentia mit.

Flüchtigkeiten und Permanenzen ziehen sich mannigfaltig durch Alfred Grafs Kunstwelt. So entstehen eindrückliche und eigenwillige Portraits einer ihn umgebenden Welt. Eine Welt, die als „Welt Stück für Stück"[3] erschlossen wird. Schicht für Schicht nähert sich Graf einem „Moment, dem Fundament." (Octavio Paz)

Seine Kunst wird gerade das, was Rothenberg andeutet: „eine schmale Klamm, ein Archipel" - eine Inselgruppe, die aus dem Wasser ragt, mehr andeutet, als tatsächlich offenbart. Graf hält das Flüchtige seiner erforschten Landschaften fest, schöpft Tantalos gleich ins Wasser, um das zerfließende Element zu bannen. Er geht der Sache auf den Grund, schichtet bedächtig Sediment um Sediment - durch die ursprüngliche Materialität erfahren seine Objekte und Bilder eine Unmittelbarkeit der abwesenden Landschaft. Als pars pro toto eröffnen seinen Miniaturwelten Erinnerungen an Erlebtes, Imaginationen und Projektionen.

Paul Celan beschreibt in seinem Gedicht Bretonischer Strand die emotionale Aufgeladenheit einer scheinbar beiläufigen Landschaft:

Versammelt ist, was wir sahen / zum Abschied von dir und von mir: / das Meer, das uns Nächte an Land warf, / der Sand, der sie mit uns durchflogen, / das rostrote Heidekraut droben, / darin die Welt uns geschah.[4]

Die Landschaft wird durch den Menschen definiert, für den Moment konstruiert oder im Nachhinein rekonstruiert. Seit sich der Mensch die Natur zu eigen machte, ist sie einem Wechselspiel aus ihrem Schutz und ihrer beständigen Bedrohung ausgesetzt. Grafs Kunstprojekte sind Momentaufnahmen, Gefrierschnitte einer sich unaufhörlich verändernden Umwelt.

Abschließend wiederum mit Octavio Paz.

Ferdinand Penker und Alfred Graf teilen ihr Erinnern und Vergessen mit uns ...

(...)Die Zeit - geteiltes Rasen - die Zeit - geteiltes Vergessen - endlich verwandelt in die Erinnerung und ihre Inkarnationen ...[5]

Markus Waitschacher, Juli 2014

[1] http://www.elfriedejelinek.com (Juli 2014)
[2] http://poemsandpoetics.blogspot.co.at (Juli 2014)
[3] http://www.alfredgraf.com (Juli 2014)
[4] Paul Celan: Die Hand voller Stunden. DTV. 1999
[5] Octavio Paz: Das fünfarmige Delta. Suhrkamp. 2000