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OUT OF THE DARK II

23.05.2020 - 15.07.2020

Eröffnung an diesem Samstag und Sonntag, 23. und 24. Mai, 11 bis 18 Uhr
KOW kann eine begrenzte Anzahl von Besuchern gleichzeitig begrüßen. Masken sind erforderlich.

Candice Breitz, Catpc, Clegg & Guttmann, Alice Creischer, Heinrich Dunst, Anna Ehrenstein, Barbara Hammer, The Cabinet Of Ramon Haze, Hiwa K, Frédéric Moser & Philippe Schwinger, Oswald Oberhuber, Mario Pfeifer, Christoph Schäfer, Dierk Schmidt, Santiago Sierra, Michael E Smith, Franz Erhard Walther, Clemens Von Wedemeyer, Tobias Zielony

Kunstwerke, die niemand sieht, sind tragische Geschöpfe. Weggesperrt in ihr Unausgestelltsein können Bilder, Skulpturen und Videos nicht über ihren Sinn reflektieren, nicht in Stille wachsen und reifen, ja sie können nicht einmal verzweifeln. Da sie ausschließlich in den Blicken von Menschen leben, bedeutet für sie jeder Lockdown des Zugangs, jede soziale Distanz, das sofortige, ohnmächtige Ende. Doch bekanntlich stirbt sie nicht so leicht, die Kunst, sondern schläft nur ein bisschen, wenn es um sie dunkel wird. Und jeder erste, frische neue Blick bringt sie in das volle Ornat ihrer Gestalt zurück.

2016 holten wir daher Werke aus unserem Lager, die schon länger nicht das Licht der Welt gesehen hatten, reanimierten sie in den Augen des Publikums, und nannten die Schau Out of the Dark. Jetzt, da der ganze Ausstellungsbetrieb einstweilen hinter Schloss und Riegel lag, zeigen wir erneut eine Ausstellung mit alten Lieben, aber auch mit vielen neuen Produktionen, die in den vergangenen Wochen entstanden und die wir sehen möchten. Weil sie uns ein Echo geben auf diese fragwürdige Zeit, in der wir gerade sind. Wir öffnen Kisten und Keller, werfen Festplatten und Monitore an, um zu zeigen und zu feiern, was wir an der Kunst haben. Nach den Erfahrungen der jüngsten Zeit, während Covid-19 das soziale Leben stark einschränkte, haben wir uns für Out of the Dark II von 20 Künstlerinnen und Künstlern ein Wiedersehen mit der Kunst gewünscht. Wir laden Sie herzlich dazu ein. KOW hat auf.

Beim Blick in Ateliers und Archive zeigt sich, wie viel von unserem Leben in den Dingen steckt, die Künstler*innen zu Tage bringen. Und es zeigt sich auch, wie anders wir auf diese Dinge schauen, je nachdem, wer wir gerade sind. Wer heute ein Bild sieht, das Menschen zeigt, sucht nach 1,5 Metern Abstand zwischen ihnen. Belebte Flughäfen in einem Film? Verwirrend. Arbeiter in einer Fabrik – ist das Kapitalismuskritik oder weckt das Sehnsucht nach Normalität? Jeder Blick hat seine Zeit und seine Aktualität. Und es ist interessant, welche Kunst sich diesen stetig wandelnden Blicken immer wieder neu und sinnvoll anbietet, auch in wechselnden Lebenslagen, und welche vielleicht auch nicht.

Wir haben versucht, eine Ausstellung zu machen, die vor Augen führt, wie wir schauen, wenn gerade nicht alles beim Alten bleibt. Wenn wir nicht ohne Weiteres die schnellen Häkchen unserer Interpretationsleistung hinter Objekt Eins und Objekt Zwei setzen können, weil wir womöglich heute anders sehen als gestern. Mithin eine Ausstellung, die wohl vor allem uns überprüft: Wie wir sehen, was wir sehen. Was wir vermeinen. Wovor wir Angst haben. Auf was wir verzichten könnten. Was uns ärgert. Was uns begeistert und was wir feiern wollen. Ja, Kunst ist toll, das wurde uns dieser Tage wieder klar. Sie sei ein Lebensmittel, sagt die Politik. Danke dafür. Sie ist ein Weltinstrument, sagen wir. Sie erschafft und klärt für uns, in unseren Augen, vor unserem Blick, was ist und wer wir augenblicklich sind.

Out of the Dark II soll bei allem Scheinwerferlicht auf die Kunst nicht verbergen, was alles gleichwohl weiterhin, oder mehr noch als zuvor, derzeit im Dunkeln bleibt. Die Zentrierung des Blicks auf die eigene Situation ist während einer Krise verständlich, aber nur für kurze Zeit zu verantworten; und sie darf die Wahrnehmung von Problemen, auch von Visionen, die weiter reichen als der persönliche oder der nationale Horizont, nicht verschatten. Mit der öffentlichen Präsenz der Kunst meldet sich auch der kritische Blick auf das Weltgeschehen wieder stärker zu Wort. Denn Kunst ist nicht das, was sich ohnehin schon zeigt oder lautstark zu erkennen gibt. Der kulturellen Produktion kommt die Rolle der Checks and Balances in einem globalen Aufmerksamkeits- und Diskurssystem zu, der öffentlichen Kommentierung des sozialen und politischen Geschehens, des Widerspruchs, des Um- und Andersdenkens, der Debatte.

Das Ungesehene, das aus der Sicht Verdrängte und Marginalisierte, das Unangenehme, Unansichtige, vielleicht Gesichtslose, sind ihr häufiges Genre. Das Unvorhersehbare auch. Wenn wir eines an der Kunst haben, dann sicher das: ihre Welthaltigkeit, die sich nicht einfach an die Welt hält. Und es uns daher dankenswerterweise schwer macht, bloß in uns zu verharren, im inneren Dunkel der reinen Selbstwahrnehmung. Sie zwingt uns, wenn wir die Augen für sie öffnen, hinaus. Und dann wieder in uns hinein, aber mit mehr Licht.

Text: Alexander Koch