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Oskar Kokoschka. Eine Retrospektive
14.12.2018 - 10.03.2019

Oskar Kokoschka, der Expressionist, Migrant und Weltbürger, ist 30 Jahre nach seiner letzten grossen Retrospektive in Zürich wieder da! Highlights unter den rund 250 Exponaten sind das monumentale Triptychon «Die Prometheus Saga» sowie das «Wandbild für Alma Mahler», welche noch nie in der Schweiz zu sehen waren.

Oskar Kokoschka (1886–1980) gehört mit Francis Picabia und Pablo Picasso zu jener Malergeneration, die an der gegenständlichen Malerei festhielt, als die Abstraktion nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Dominanz etablierte. Dass heute die gegenstandslose Malerei und die Figuration ohne ideologische Grabenkämpfe nebeneinander praktiziert werden können, ist auch ihr Verdienst. Künstler der Gegenwart berufen sich insbesondere auf Kokoschka. Seine expressionistische Malweise nehmen Nancy Spero, Georg Baselitz, Herbert Brandl und Denis Savary ex- oder implizit zur Inspirationsquelle. Sie schätzen die gestische Artikulation seines Pinselstrichs, loben den weltoffenen Charakter des Wieners oder teilen die pazifistische Haltung, die Kokoschkas Werk, sein Leben und Vermächtnis prägen. Nach seiner letzten grossen Einzelpräsentation 1986 macht das Kunsthaus nun neue Besuchergenerationen mit dem Werk bekannt, dessen Schöpfer 1980 am Genfersee verstarb und von dessen Nachlass sich bedeutende Bestände in Vevey und Zürich befinden.

Migrant, Europäer, Liebender
Die Retrospektive spürt den Motiven und der Motivation des Malers nach, der in nicht weniger als fünf Ländern zuhause war. Aus allen Lebensphasen versammelt Kuratorin Cathérine Hug rund 100 Gemälde und ebenso viele Arbeiten auf Papier, Fotografien und Briefe. Diese Zeitzeugen belegen, dass Kokoschka die Diffamierung seiner Kunst als «entartete» während des Nationalsozialismus einigermassen aufrecht überstand: Auftragsarbeiten berühmter Persönlichkeiten aus Literatur, Architektur und Politik sicherten sein Überleben. Und manche Arbeit entstand schlicht aus Liebe. Für Alma Mahler schuf er ein vier Meter langes Wandbild, welches über Jahrzehnte das Kaminzimmer ihres Hauses in Breitenstein am Semmering dekorierte. Es zeigt das Liebespaar in der Zerreissprobe ihrer leidenschaftlichen Beziehung. Die damaligen Eigentümer des Hauses (1987–1995) hatten das unter Farb- und Tapetenschichten verborgene Wandbild 1989 im Rahmen von Renovierungsarbeiten wiederentdeckt und dessen behutsame Freilegung und Herauslösung von der Wand durch Restauratoren konservatorisch ermöglicht. Das sich heute in Privatbesitz befindende «Al secco»-Bild ist erst ein Mal öffentlich ausgestellt worden und jetzt in Zürich zu sehen.
Im Exil wurde Kokoschka zum unbeugsamen Kämpfer für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte; ein Humanist, der in seinen Werken Landschaften und Kindern ebenso einen Platz einräumt wie mythologischen Gestalten und Metaphern, die gegen Kriegsgräuel und für die Kraft der Liebe und die Schönheit der Natur stehen. Es ist diese eigenständige, künstlerische Sprache des politischen Protests, die Kokoschka unverwechselbar macht.

Triptychen erstmals ausserhalb Englands vereint
Zwei grossformatige, je rund acht Meter breite und über zwei Meter hohe dreiteilige Gemälde – «Die Prometheus Saga» (1950, The Courtauld Gallery, London) und «Thermopylae» (1954, Universität Hamburg) stellen den Höhepunkt von Kokoschkas reifem Werk dar. Und von dieser Retrospektive. Erst einmal, 1962 in der Tate, waren beide Wandbilder gemeinsam zu sehen. Sie entstanden in einer Transitionsphase: nach einem Jahrzehnt im Londoner Kriegsexil übersiedelte der Künstler 1953 nach Villeneuve in die Schweiz, wo er bis zu seinem Tod 1980 leben sollte. Das imposante «Prometheus»-Triptychon – ursprünglich eine Innendekoration für einen adligen Auftraggeber in London – war seit 1952, als es an die Biennale von Venedig reisen durfte, nie ausserhalb der Britischen Inseln ausgestellt. Die Darstellung des Prometheus, Urheber der menschlichen Zivilisation, ist wie das «Thermopylae»-Triptychon ein Appell an die Menschen, sich als Brüder und Schwestern in Frieden und Freiheit zu vereinen. Neben der inhaltlichen Dimension kann an diesen Exemplaren auch der Schaffensprozess abgelesen werden, mit dem sich Kokoschka von anderen Zeitgenossen unterschied. Pinselstriche und Farbverläufe lassen den Betrachter die Bewegung des Künstlers, einen für die figurative Malerei unüblichen performativen Produktionsprozess, erkennen. Der an der Figuration festhaltende Expressionist, der eine «Schule des Sehens» gründete, die bis heute in Salzburg fortbesteht, galt damals vielen als antimodern – tatsächlich kämpfte er für einen demokratischen Zugang zu Bildung und für eine offene Gesellschaft.

Diskursprogramm
So vielfältig wie Kokoschkas Leben – seine Auslandsaufenthalte, Theaterstücke, Freundschaften mit Literaten und Dadaisten oder mit Wilhelm Wartmann, dem ersten Direktor des Kunsthaus Zürich, so umfassend ist das ausstellungsbegleitende Programm. Alle Veranstaltungen entdecken

Publikation
Begleitend erscheint im Kehrer Verlag, Heidelberg, eine Publikation (320 Seiten, 500 Abbildungen), die am Kunsthaus-Shop und im Buchhandel erhältlich ist: «Oskar Kokoschka. Expressionist, Migrant, Europäer» mit neuen wissenschaftlichen und analytischen Beiträgen von Régine Bonnefoit, Iris Bruderer-Oswald, Martina Ciardelli, Birgit Dalbajewa, Heike Eipeldauer, Katharina Erling, Cathérine Hug, Aglaja Kempf, Alexandra Matzner, Raimund Meyer, Bernadette Reinhold, Heinz Spielmann und Patrick Werkner.