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In einer schnelllebigen, von Migration geprägten Zeit, in der „überlieferte Ordnungen“ der Religion und des Brauchtums sich auflösen, ist jeder einzelne täglich gefordert, sich seiner selbst, seiner Identität und Religion zu versichern. Das Reisen hat bei dem Versuch, sich in der globalisierten Welt zu orientieren, heute nicht selten auch die Funktion einer Initiation. Der Reisende löst sich für eine Zeitlang aus der eigenen Kultur, geht in die Fremde, um als um viele Erfahrungen bereicherte Person zurückzukehren.

Das Reisen ist auch eine wichtige Grundkonstante im Werk des 1979 in Hamburg geborenen Ole Aselmann. 2005 brach der Absolvent der Berliner Kunsthochschule Weißensee als `moderner Pilgerer´ mit einem Schaf zu einer Wanderung von Oberbayern über die Alpen auf. Die Erfahrungen dieser Reise, ihr verfrühter Abbruch und die Rückkehr zur Herde hat Ole Aselmann in dem Video Aufbrechen mit Emma dokumentiert. Auf seinen ersten Reisen „arbeitete“ sich Ole Aselmann wie er sagt, „durch die Kultur des Abendlandes“ und inszenierte seine Reflektionen darüber 2008 in der Rauminstallation Messias Wirtshaus in Form einer Hybrid-Kathedral Architektur.

Geleitet von der Frage, ob es eine Alternative zum zielgerichteten, auf Verbesserung ausgerichteten, vorwärtsdrängenden westlichen Individualismus gibt, entschließt sich Ole Aselmann dann 2009 zu Fuß in mehreren Etappen von Berlin nach Beijing (Peking) zu wandern, um sich auf diese Weise die östliche Kultur zu erschließen. Geistesverwandt ist dieser Ansatz mit Joseph Beuys und dessen Eurasia-Metapher, die die Symbiose zwischen dem westlichen und dem asiatischen Kulturkreis als Vision für ein neues Menschenbild beschreibt. Die Installationen des von Christoph Schlingensief für die Akademie Schloss Solitude ausgewählten Stipendiaten Aselmann, dokumentieren die Reiseerlebnisse des Künstlers an den jeweiligen Ausstellungsorten für den Kunstkontext.

Die Ausstellung in der Factory auf Kunstmeile Krems ist eine vorläufige Retrospektive seiner bisherigen Reisestationen. Die Reiseerlebnisse werden auch in Krems mittels Video, Skulptur und Klängen zu einem intermedialen raumgreifenden Bühnendisplay verschachtelt. Der Betrachter betritt eine persönlich assoziative Metaphernwelt: Ein Spannungsfeld, das gleichermaßen von individuellen als auch von globalen Prozessen geprägt ist; in dem sich psychologische Wahrnehmungen des Erzählenden mit gesellschaftskulturellen Perspektiven zu einer hybriden visuellen Kunstsprache verflechten. Symbole und Zeichen der abendländischen Kultur werden auf diese Weise mit Bildwitz und Humor in einer synkretistischen Mythenbricolage zu einer individuellen Mythologie aufbereitet: „Im Zentrum der Erzählung steht die „Muttersau“, die wie die „Venus von Willendorf“ die Fruchtbarkeit des Weiblichen repräsentiert, der „Wurstkönig“ als letzter Repräsentant des Abendlandes und der „Black Metal Taliban“ als Stellvertreter einer subversiven europäischen Jugendkultur“, so Ole Aselmann, „Die Erfahrungen meiner letzten Reiseetappe in Richtung Asien werden vor allem als Performances im Rahmen des Donaufestivals einfließen.“ Während es das Anliegen von Joseph Beuys war − entsprechend des (selbst gestellten) Utopieauftrages der Moderne − Sinnzusammenhänge aufrechtzuerhalten, steht Ole Aselmann vielmehr in der Nachfolge eines Martin Kippenberger. Aselmann beschränkt sich darauf, die Logik des Sinns und Un-Sinns der gegebenen Wirklichkeit zu untersuchen und auf diese Weise in der postmodernen Unübersichtlichkeit Zeugnis zu gebe von der eigenen existenziellen Wahrnehmung. (Nicole Fritz)