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Bislang haben vor allem die Filme von Josef Dabernig, wie „WARS“, „Wisla“ und „Rosa coeli“, internationale Aufmerksamkeit erhalten. Zum ersten Mal werden nun in dieser Einzelausstellung unterschiedliche mediale Ausdrucksweisen – Film, Fotografie, Text, Skulptur und Bau – zusammen geführt und ihre inhaltlich-konzeptuelle Verbindung in den Vordergrund gerückt. Die Ausstellung ist von Dabernig darüber hinaus für das neue Gebäude der Galerie entwickelt worden.

Seit den späten achtziger Jahren basieren Dabernigs Skulpturen auf nachvollziehbaren Ordnungssystemen, wobei ihr Ausgangspunkt innerhalb des jeweils verwendeten Materials selbst liegen kann, wie etwa in der Breite der l- und u-förmigen Profile und/oder in den Dimensionen des Ausstellungsraumes. Formale Abweichungen sind entweder in die Arbeiten selbst gebaut oder sie entstehen in Konfrontation mit ihrem jeweiligen architektonischen Umfeld. Dies gilt auch für das von ihm entworfene Motiv des Einladungsfolders: Ein strenger Raster überzieht die Nach-Wende-Architektur des Leipziger Marriott-Hotels, in dessen Verglasung sich die moderne Architektur der Brühlscheiben spiegelt, so als ob diese nun unter neuen, rationalen Prämissen alsbald überarbeitet bzw. verkleidet würde. Die Diskrepanzen, die sich zwischen dem Hotelgebäude und Dabernigs gezeichnetem Alu-Raster auftun, markieren darüber hinaus in Architektur materialisierte ideologische Konflikte, etwa dem zwischen Moderne und Postmoderne.

Auch seine anderen Arbeiten kreisen um Funktionalismus, Rationalisierung, perfekte Organisationsschemata und deren Abweichungen, Fehler und Störungen. In seinen Filmen setzt Dabernig bei gesellschaftlichen Funktionsabläufen und Konventionen an, die ihren ursächlichen Grund verloren haben und eine Eigendynamik entwickeln. In den Textarbeiten, handgeschriebenen Auszügen aus Büchern mit normierender Funktion wie etwa „Schönheit und Verdauung oder die Verjüngung des Menschen nur durch sachgemäße Wartung des Darmes“ nach F. X. Mayr (1920) widmet er sich subjektiven Einstellungen, persönlichen Interessen und Bewertungen der unterschiedlichen Autoren und den Abweichungen in der Ordnung der Handschrift selbst.

Aber auch wenn die nach strengen Regeln angeordneten Alu-Raster, die strikt komponierten Filme oder die akribisch abgeschriebenen Bücher Rationalismus und Funktionalität assoziieren lassen, emanzipieren sich diese vom funktionellen Anspruch, indem Rationalität subjektiven Ausgangsparametern unterworfen wird, Abweichungen von gegebenen Strukturen eingebaut sind, Objekte nicht mehr ihre übliche Funktion haben und Menschen zwanghaft anmutende Handlungen ausführen, die sich von einem ursprünglichen Zweck verabschiedet haben. Dabernigs Arbeiten stehen in einem mimetischen Verhältnis zu Rationalität und Funktionalismus alter und neuer Prägung; bei aller Ähnlichkeit erlauben sie jedoch genau jene kritische Distanz, die notwendig ist, Rationalität und Funktionalismus in ihren jeweiligen ideologischen Konfigurationen zu reflektieren.

Die Ausstellung wird im Anschluss an Leipzig im Bunkier Sztuki in Krakow und in der Galerie im Taxispalais in Innsbruck gezeigt. Im Verlag Walther König erscheint ein umfangreiches zweisprachiges Werkbuch mit Texten von Josef Dabernig, Silvia Eiblmayr, Christian Kravagna, Matthias Michalka, Barbara Steiner und Igor Zabel.

Pressetext

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Norm und Abweichung. Josef Dabernig
Kuratiert von Barbara Steiner

weitere Stationen:
Kunstbunker Krakau
Galerie im Taxispalais, Innsbruck

Die Ausstellung findet im Rahmen des Projektes "HeimatModerne" statt, einer gemeinsamen Initiative verschiedener Leipziger Institutionen und Gruppen, gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes. Zum Trägerverein Experimentale e.V. haben sich zusammengeschlossen: Forum zeitgenössischer Musik Leipzig e.V.; Galerie für Zeitgenössische Kunst, Leipzig; Büro für urbane Projekte; General Panel; raum4