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Die kollaborativ entwickelte Ausstellung zeigt Produktionen von Natascha Sadr Haghighian, Judith Hopf/Deborah Schamoni und Ines Schaber, die sich auf unterschiedliche Aspekte des Gespenstischen beziehen. Dabei geht es weniger darum, Gespenster sichtbar zu machen, sondern um die Umstände des Verschwindens und Unsichtbarseins - also um Verhältnisse, die Gespenster hervorbringen, um den Entzug des Wirklichkeitsstatus und um die Bedingungen von Veränderung. Denn das Gespenstische destabilisiert die geordneten Verhältnisse zwischen Wirklichem und Unwirklichem, Anwesendem und Abwesendem. No Matter How Bright the Light, the Crossing Occurs at Night ist auch eine Ausstellung über Gespenster der Kunst: über das Phantasma des Alles-Repräsentieren-Könnens, über Medialität als Beschwörung und Bannung, animierte Körper, subjektive Prothesen und die ?unmögliche" Notwendigkeit eines Realismus des Gespensts, eines Realismus der Abwesenheit.

Ines Schaber spekuliert über eine latente Aktivität von Fotografien und deren Fähigkeit durch Raum und Zeit zu reisen. Anhand von Arbeiterfotografien in Pennsylvania (USA) verfolgt sie Bilder aus einer Serie für das National Child Labor Committee in den 1910er Jahren von Lewis Hine, einem Pionier der sozialdokumentarischen Fotografie. Die Bilder werden zum Ausgangspunkt einer Reise in die heute kaum wieder zu erkennende Minenlandschaft. Eben dort, gelagert in einer ehemaligen Kalksteinmine, besteht heute eines der größten kommerziellen Bildarchive, Bill Gates' Firma Corbis, das über 70 Millionen Bilder online zum Verkauf anbietet, darunter auch Bilder aus Hine's Serie. Die Überschneidung der beiden Momente stellt Fragen an die Fotografie als Agentin von Etwas, das fähig ist zu reisen, sich zu vervielfältigen, an verschiedenen Orten zu erscheinen und mit seiner Umgebung zu sprechen.

Judith Hopf arbeitet mit den Gespenstern der bürgerlichen Gesellschaft. Wie schreibt sich der Versuch der Kontrolle, der Abwehr pathologischer Ängste und daraus folgend die Ideologie vollständiger Transparenz in das Vorstellungsvermögen und die Körper ein? In ihrer Installation und ihrem neuem Video, das sie mit der Filmemacherin Deborah Schamoni gemeinsam entwickelt und realisiert hat, behandelt sie die Repräsentation von Gespenstern in institutionellen Räumen. Dabei wird weniger die Frage nach der An-oder Abwesenheit des Gespenstischen untersucht, als nach einem brauchbaren Ritual oder Formenkodex gesucht, der es möglich macht, den Gespenstern als Repräsentanten des Verdrängten die Orte zuzuweisen, in denen sie weiterhin sichtbar bleiben können.

Natascha Sadr Haghighian hat mit Stefan Pente in verschiedenen Kollaborationen gesellschaftliche Konstruktion von Ein- und Ausschlüssen untersucht. Wie wird entschieden, wann jemandem der Mitgliedsstatus einer ?zivilisierten Gemeinschaft" zuerkannt wird? Wann wird jemand mit seiner Stimme, seinem Bild, seinem Anliegen als anwesend und adressierbar wahrgenommen? Wodurch verliert man diesen Status und wann wird er aberkannt? Im Betrachten verschiedener gesellschaftlicher Dynamiken und Repräsentationsvorschläge wird deutlich, dass die Konstruktion des Status ?Mensch" und die damit verbundenen Rechte selbst Ausschluss produzieren. Wer besitzt diesen Status und warum fallen andere aus ihm heraus? Wenn man kein Mensch ist, was ist man dann? In Gesprächen und installativen Arbeiten werden Mechanismen der An- und Abwesenheit hinterfragt.

Zur Ausstellung erscheint ein 220-seitiger Reader beim Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, mit Beiträgen und Dialogen von und mit Ines Schaber, Natascha Sadr Haghighian, Stefan Pente, Judith Hopf sowie Avery F. Gordon, Anselm Franke, Nicolas Siepen, Sladja Blazan, Thomas Keenan und Michael Taussig.

Kuratiert von Anselm Franke.

Die Ausstellung wurde ermöglicht durch die freundliche Unterstützung des Hauptstadtkulturfonds, Berlin.

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