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Ausgangspunkt der Ausstellung der beiden dänischen Künstlerinnen Nina Beier und Marie Lund ist eine Kurzgeschichte des Kunstkritikers Francesco Pedraglio, die durch ihre Ausstellung in De Vleeshal in Middelburg inspiriert wurde. Diese Geschichte beschreibt zwei Künstler beim Herstellen neuer Werke. Für die Ausstellung im Mudam schaffen Nina Beier und Marie Lund eine neue Serie von Arbeiten, die sich ihrerseits an den Beschreibungen der Skulpturen in Pedraglios Text orientieren. Die von Nina Beier und Marie Lund für Mudam konzipierte Ausstellung findet ihren Ausgangspunkt in einer von Francesco Pedraglio verfassten Novelle. Der Kunstkritiker reagierte damit auf die Bitte der beiden Künstlerinnen, einen persönlichen Text über ihre letzte Ausstellung zu schreiben, die im Herbst 2009 im Kunstzentrum De Vleeshal, im niederländischen Middelburg, stattgefunden hatte. Beide Ausstellungen, wie auch die sie verbindende Erzählung tragen einen gemeinsamen Titel The Object Lessons. Dennoch sind sie nicht das Ergebnis einer exakt durchdachten Vorbereitung, sondern bilden eher eine wie Echos aufeinander folgende Reihe: eine Ausstellung löst einen Text aus, der wiederum eine weitere Ausstellung nach sich zieht. Dieses Vorgehen ist typisch für die zentrale Bedeutung, welche der Prozess der Interpretation in den Werken von Nina Beier und Marie Lund einnimmt, deren Verwirklichung und Aktivierung regelmäßig das Eingreifen dritter Personen erfordert. Es entspricht auch der Zusammenarbeit der beiden Künstlerinnen, spezielle Ausstellungsformate zu finden, die es ihnen erlauben, individuelle und gemeinsame Kunstwerke zu kombinieren. Genau wie im Text Francesco Pedraglios, der die Begegnung zweier Bildhauer beschreibt, die beide von der Vergänglichkeit der Materialien, und sei dies der Stein, fasziniert sind, betonen die Werke in der Ausstellung die sich im Kunstwerk kreuzenden unterschiedlichen Zeitebenen, von der ersten Überlegung über seine Ausstellung und seine Betrachtung bis hin zu seiner möglichen Zerstörung. So erscheint die Reihe The Very White Marbles (2010), von Marie Lund, als eine Serie von zehn gefundenen Skulpturen, deren Oberflächen systematisch nachgearbeitet wurden, um ihre Ursprungsformen bis zu einer gewissen Abstraktheit zu verändern und ihre Materialität bloß zu legen. Ein ähnlicher Prozess des Auslöschens findet in Nina Beiers Reihe Closing Argument (2010) statt, die sich aus Plakaten, die das Plakat zum Thema haben, zusammen setzt und deren sandgestrahlte Glasrahmen jegliche Informationen nur mehr verschwommen und abstrakt erscheinen lassen. In diesen Werken gibt es Unklarheiten über ihre materielle Existenz, ihren Ausgangspunkt und über mögliche Zielpunkte, was die ihnen innewohnenden unterschiedlichen Zeitebenen offen legt. Andere Arbeiten werden für jede neue Ausstellung aktiviert oder auch während der Ausstellungsdauer kontinuierlich realisiert, wie die Wandmalerei On the Uses and Disadvantages of WET PAINT (2010), von Nina Beier, für welche eine bemalte Wandfläche täglich mit einer anderen, im Museum genutzten Farbe, übermalt wird. Es sind diese verschiedenen Veränderungs- und Aktivierungsvorgänge, die im Werk von Nina Beier und Marie Lund das Wesen des Kunstwerkes einer Neubewertung unterziehen lassen. Ihre Werke entziehen sich herkömmlichen Betrachtungen über Form und Inhalt, um die Dinge in ihrer Möglichkeit darzustellen: ohne einen konkreten Sinn zu bieten, verdichten sich in ihnen unterschiedliche Zeitebenen, aber auch vielfältige Deutungen und Erzählungen. Die eindrucksvollste Illustration für dieses Vorgehen findet sich in der Arbeit History Makes a Young Man Old (2008/2010) der beiden Künstlerinnen, die aus einer Kristallkugel besteht, die vom Ort ihres Kaufs bis zum Ort ihrer Ausstellung bzw. bis zum Ort der Sammlung, deren Teil sie wurde, gerollt wurde. Wenngleich die Kugel auch durch dieses Verfahren die Klarheit ihrer Oberfläche eingebüsst hat, so lassen sich in ihr jetzt ihre eigene und eine Vielzahl möglicher Geschichten schauen. Es ist genau dieses erzählerische Potential der Dinge, woran uns der in der Ausstellung von den Museumsangestellten immer wieder laut vorgetragene Text von Francesco Pedraglio erinnert, indem er den Echos zwischen den Kunstwerken und der Erzählung einen weiteren Nachhall hinzufügt.