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Nedko Solakovs weit gespanntes, ausuferndes und formal kaum zu bändigendes Werk ist inhaltlich ein einziger großer Angriff auf das Verlangen nach Perfektion, Endgültigkeit und Eindeutigkeit. Ausgehend von einem Studium der Wandmalerei an der Kunstakademie in Sofia hat der 1957 geborene Bulgare in den letzten 25 Jahren ein ebenso humorvolles, wie verspieltes, ebenso bissiges wie melancholisches Oeuvre entwickelt, das die Gültigkeit jedweden Repräsentationssystems grundsätzlich in Frage stellt. Seit seinen Ausstellungen im Ujazdowski Castle in Warschau (2000), im New Yorker PS1 (2001), im Rooseum, Malmö und der Reina Sofia, Madrid (2003) und spätestens seit seinen Beteiligungen an der Biennale Venedig (2007) und der Documenta 12 (2007) gehört Solakov zu den zentralen Positionen innerhalb der aktuellen europäischen Kunst. Das Kunstmuseum Bonn widmet diesem wichtigen Werk nun die erste große, institutionelle Überblicksausstellung in Deutschland, die künstlerische Beispiele seit Ende der 80er Jahre bis 2007 umfasst und mit neu für die Schau entstandenen Stücken kombiniert.

In kaum einer Arbeit kommt dabei die grundlegende Skepsis des Künstlers gegenüber unserer Sehnsucht nach Klarheit und Übersichtlichkeit so deutlich zum Ausdruck wie in „A Life (Black & White“ (1998- ), bei dem ein Maler einen Ausstellungsraum weiß streicht, während ein zweiter Maler den weißen Anstrich schwarz übermalt, der wiederum von dem ersten Maler weiß überstrichen wird, bis der Raum am Ende in einem unbestimmbaren Grauton erscheint. Solakovs Anspruch zielt, quer durch die vielfältigen Ausformungen seines Werks, auf eine Enzyklopädie des Absurden, Abseitigen, auf eine Geschichte der Abweichungen, Differenzen, Peinlichkeiten und gescheiterten Utopien. Dabei erweist sich der Zusammenbruch des kommunistischen Systems Ende der 80er Jahre als prägende Erfahrung und gleichzeitig als Auftakt für die Suche nach einer neuen, eigenen Sprache (Encyclopaedia Utopia, 1989/90), mit der die Komplexität und Fragilität der Wirklichkeit adäquat eingefangen werden könnte. „Top Secret“ (1989/90), die Veröffentlichung von Aufzeichnungen, welche Solakovs Spitzeltätigkeit für den bulgarischen Geheimdienst belegen sollten (und naturgemäß bis heute nicht bewiesen wurden, weil der bulgarische Geheimdienst diese künstlerische Selbstanzeige weder bestätigen noch dementieren ließ) macht das gleichzeitig provokative und jegliche Sicherheit unterlaufende Verfahren des Künstlers auf schlagende Weise deutlich.

Seine Zeichnungen, Texte, Videos, Fotografien, Performances, Installationen, Skulpturen und Wandarbeiten kratzen am Lack scheinbarer kollektiver Wahrheiten, hinterfragen die Bedingungen des Kunstsystems und Kunstmarktes (A (not so) White Cube, 2001, Leftovers, 2005), reflektieren anhand öffentlich gemachter eigener Ängste das Scheitern als Metapher menschlicher Existenz (Fear, 2002/3), und entdecken in den politischen Weltläuften die Paradoxie als herrschende Struktur „Discussion (Property)“, 2007). Solakovs Fähigkeit, all diese unterschiedlichen Themenfelder in Form von Geschichten zu erzählen, die eine präzise Balance zwischen poetisch-rhapsodischer Lust an der Narration und kontinuierlichen ironischen Brüchen halten, macht dieses Werk nicht nur völlig unverwechselbar, sondern auch in hohem Maße unterhaltsam und humorvoll.

Zu der Ausstellung, die im Anschluss in das Kunstmuseum St. Gallen und die Mathildenhöhe Darmstadt wandert, erscheinen eine umfangreiche Publikation und eine Edition.

Kurator: Prof. Dr. Stephan Berg