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Mona Vatamanu & Florin Tudor (1968 Constanta, RO/ 1974 Genf, CH, leben und arbeiten in Bukarest) untersuchen in ihren Arbeiten, wie politische und ökonomische Systeme Räume definieren und sich in diese einschreiben. Ihr Interesse gilt den post-sozialistischen Transformationsprozessen und Lebensumständen. Für ihre multimedialen, künstlerischen Projekte begeben sie sich oftmals auf die Suche nach geschichtlichen Spuren im Stadtraum und versuchen, diese freizulegen. Thematischer Ausgangspunkt der Ludwigsburger Schau ist die „absolute Stadt“ mit ihren spezifischen Strukturen und ihren entsprechenden Typologie. So verweist der Ausstellungstitel, in Deutsch etwa „Auflösen (aber auch Überblenden) absoluter Strukturen“, einerseits auf das barocke Ludwigsburg als Planstadt nach den Vorstellungen des absolutistischen Stadtgründers und Landesherren Herzog Eberhard Ludwig, andererseits auf das „sozialistische“ Bukarest nach den megalomanen Plänen des absoluten Alleinherrschers Ceausescu. Um neben dem sog. Palast des Volkes zahlreiche Wohnblöcke für seine Parteigenossen entlang breiter Straßenfluchten (Alleen/Boulevards) im Stile absolutistischer Städte und besonders nach Pariser/Versailler Vorbild errichten zu können, ließ der kommunistische Diktator 85% der Altstadtsubstanz zerstören und 40.000 - 70.000 Menschen in Plattenbauten umsiedeln, was er als „strukturieren“ bezeichnete.

Bukarest wie Ludwigsburg sollen auch hinsichtlich ihrer gegenwärtigen städtebaulichen Situation befragt werden. So haben post-sozialistische Transformationsprozesse nach 1989 sicherlich in der rumänischen Metropole unmittelbar, in der (west-) deutschen Kleinstadt aber zumindest eben mittelbar stattgefunden und wiederum spezielle urbane bzw. nutzungstechnische Ergebnisse gezeitigt, die als Indikatoren für aktuelle gesellschaftspolitische wie soziokulturelle Situationen und Zustände gelten können. Wie an vielen Orten in Westeuropa sind auch in Ludwigsburg seit 1989 und verstärkt noch seit der EU-Osterweiterung 2004 Gastarbeiter aus osteuropäischen Ländern, darunter auch aus Rumänien, tätig. Nicht immer zu den besten Konditionen und gerade deshalb von den jeweils einheimischen „Kollegen“ als unschlagbare Konkurrenz ungern gelitten, sind sie häufig im Baugewerbe beschäftigt. So ist es ausdrückliches Anliegen der Künstler Vatamanu & Tudor, mit der Wahl ihrer Materialien für die erstmals in Ludwigsburg präsentierte Arbeit den von ihren Landsleuten im Ausland verwendeten Arbeits-Materialien zu entsprechen. Aus Betonstaub und Fliesen/Kacheln soll ein Objekt entstehen, das zum einen auf das derzeitige, schnelle und stadtplanerisch erneut rücksichtslose Bauen ausländischer Investoren (zumeist Banken) in Bukarest verweist. Zum anderen wird formal das rechteckige, stadtstrukturale Raster Ludwigsburgs aufgriffen, vor allem aber den hiesigen wie anderswo tätigen rumänischen Gast-Bauarbeitern ein Denkmal gesetzt. Nicht zuletzt wirft die Ausstellung von Vatamanu/Tudor über das künstlerisch thematisierte, soziale Gefüge der beiden Städte die aktuelle Frage nach den nicht nur urbanen Ausprägungen bzw. „Varianten“ von Sozialismus und Kapitalismus, Neo-Liberalismus und sozialer Marktwirtschaft auf. Auch das Erinnern an sich wie das Erinnerungswürdige, womit Geschichte konstruiert und relativiert wird, werden verhandelt.

Silke Opitz, Kuratorin

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Mona Vatamanu & Florin Tudor
DISSOLVING ABSOLUTE STRUCTURES
Kuratorin: Silke Opitz