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Im Laufe der Zeit nahm der Mensch die Rolle des homo technicus an, der weder seinen Körper noch seinen Planeten als Grenze betrachtet. Fasziniert und ehrfürchtig zugleich schreitet er forschend voran, um Lebensräume und -visionen zu verwirklichen. Die Frage nach den Wechselwirkungen von Technik und Mensch ist dabei nicht weit. Welche Interdependenzen weisen Wissenschaft und Gesellschaft – einst und jetzt – auf, wie sind sie miteinander verknüpft?

Möglichkeit Mensch ist interdisziplinär angelegt und bildet den Auftakt für eine Reihe großer gesellschaftspolitischer Themenausstellungen im Zeppelin Museum. Es verwebt Kunst, Technik und ferner ein Film-Diskursprogramm in Kooperation mit der Zeppelin Universität Friedrichshafen. Die technikhistorische Ausstellung thematisiert die Höhenforschung mit dem Ballon vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Die Erforschung und Erschließung eines unbekannten Raumes mit Hilfe technischer Mittel bildet den Kern der Beschäftigung mit Hochballonfahrten. Am konkreten Beispiel des Luftraumes werden die Interaktion zwischen dem Menschen und seinen Lebensräumen sowie die Wechselwirkung zwischen den Möglichkeiten des Menschen zur Eroberung der Höhe und den Anforderungen seiner Umwelt hinterfragt. Im Streben in die Höhe kulminieren unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen, Motivationen, Erkenntnisse und Interessen daher wählt die Ausstellung einen multiperspektivischen Ansatz. Roter Faden ist die Konstruktion technischer Lösungen für künstliche Räume, die dem Menschen das Überleben in lebensfeindlichen Höhenzonen ermöglichen. Im Zentrum steht dabei die Nutzung des Gasballons für Höhenfahrten. Für den Vorstoß in die Höhe wird mit dem Ballon immer wieder auf dieses seit 1783 bekannte technische Hilfsmittel zurückgegriffen, das für die veränderten Anforderungen stetig verbessert wurde. Die Nutzung des Aufstiegsprinzips „Leichter als Luft“ macht das Zeppelin Museum zum idealen Ort für diese Schau. Zum anderen thematisiert die Kunstausstellung den „Digital Native“, der seinen Körper als Möglichkeitsraum entdeckt. Vom DNA-Spray bis zur stilisierten Beinprothese, einem Jesus-Casting oder Trash-Kultur im Netz – das Transformationspotential des Menschen wird parallel zur Technik in neue Höhen getrieben. Fokussiert-verschleiert und distanziert-emotional geschieht die Betrachtung der Kunst auf die Technik, wie sie sich selbst und ihre Schöpfer revolutioniert. Das Möglichkeitswesen Mensch wird „transhuman“, mecha-ethisch; es erschließt Gentechnologie und Künstliche Intelligenz. Unter die Haut geschobener Schmuck, perforierte Wangen und Ohrmuscheln schaffen neue Körperformen und neue Körperemotionen/-erfahrungen. Implantierte Chips und Sensoren ergänzen die Sinnesorgane, machen elektrische Kraftfelder oder unsichtbares Licht unmittelbar spürbar. Geschlecht und Sexualität werden im LGBT (Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexual)- Diskurs als wechselbar, selbstbestimmt und spektral beziehungsweise skalierbar betrachtet. Menschliche DNA, in Pflanzen integriert, repliziert sich dort selbständig - ein humanoides Gewächs entsteht. Prothesen, ursprünglich gedacht um Behinderungen auszugleichen, verwandeln sich in Exoskelette: was in den Marvel Comics als Iron Man-Anzug begann, ist tangibel geworden. Wir nehmen eine neue Auffassung von Körperlichkeit an. Wir interagieren mit Maschinen, werden selbst zu einer. Body-, Performance- und Bio-Art fügen sich in der Kunstausstellung zu einem Kaleidoskop an Blickwinkeln zusammen. Unterteilt werden die beteiligten Künstler in vier Kategorien: Ausweitung des Handlungsraums in Digitale Sphären, Neuerfindung des Ich, Manipulation der Gene und Maschine Mensch.

Die Abteilung Bildung und Vermittlung entwickelt in Zusammenarbeit mit der Zeppelin Universität ein interdisziplinäres Begleitprogramm an beiden Standorten. Die Universität vertritt als Institution zwischen Wirtschaft, Kultur und Politik in Möglichkeit Mensch den akademischen Standpunkt. Eine Filmreihe beleuchtet das Genre der Science Fiction im gesellschaftlichen Kontext. Internationale Referenten schärfen – ohne den multidisziplinären Anspruch zu vernachlässigen – den theologischen, soziologischen, philosophischen und kulturwissenschaftlichen Blick auf den Grenzgänger Mensch.

Teilnehmende Künstler: Ryan Trecartin, Revital Cohen & Tuur Van Balen, Christian Jankowski, AES+F Group, Marnix de Nijs, Jon Rafman, Eva Kotatkova, Mariechen Danz, Saso Sedlacek, Viktoria Modesta, Art Orienté Objet, Heather Dewey-Hagborg, Eduardo Kac, Tim Berresheim und Hiroshi Ishiguro.