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Eröffnung: 5. September 2008, 19 Uhr

Die Galerie Volker Diehl zeigt eine Gruppenausstellung russischer zeitgenössischer Künstler, die in Moskau leben und arbeiten. Anlass und Hintergrund dieser Ausstellung ist das langjährige Engagement Volker Diehls in Russland, das im April des Jahres in der Eröffnung eigener Galerieräume DIEHL + GALLERY ONE in Moskau mündete. Nun wird ein Querschnitt der international relevanten zeitgenössische Kunst Russlands in der Berliner Stammgalerie gezeigt.

Insgesamt dreizehn Positionen – darunter auch zwei Künstlergruppen, AES+F und Blue Noses – verbinden sich zu einem Spektrum der aktuellen russischen Kunstpraxis, die in vielfältiger Weise durch den dortigen Konzeptualismus der 1980er und 1990er Jahre beeinflusst wurde. In direkter Linie zählen dazu vor allem Anatoly Osmolovsky (1969), Träger des Kandinsky-Preises 2007, Olga Chernysheva (1962), Anatoly Shuravlev (1963) und Vadim Zakharov (1959). Osmolovsky wird drei Wand-Objekte aus Holz und Bronze zeigen, die aus der Brot-Serie entwickelt wurden, welche im großen Umfang bei der letzten documenta zu sehen war. Von Olga Chernysheva werden Fotografien Moskauer Alltagswelten zu sehen sein, die zwischen unmittelbarer Drastik und einer intensiven Farbästhetik pendeln. Der seit vielen Jahren teilweise in Berlin lebende Anatoly Shuravlev – nebenberuflich künstlerischer Direktor der jungen Moskauer Galerie GMG – ist repräsentiert mit einem Druck, der sich aus der Ferne lediglich als schwarze Fläche darbietet und erst in der Nahsicht seine Geheimnisse offenbart. Von Vadim Zakharovs sind drei Werke aus seiner Serie „Russisches Porzellan“ ausgestellt, die mit dem Thema Geist/Bildung vs. Kitsch arbeiten. Zakharov sucht auf Flohmärkten nach Porzellanfiguren aus der Sowjetzeit und stellt sie auf Ausgaben philosophischer Klassiker oder Nachschlagewerke, die in derselben Zeit erschienen sind. Eine hintersinnige Befragung der sowjetischen Lebenswelt hinter offizieller Politik und Propaganda.

Vielfach setzen sich die zeitgenössischen russischen Künstler mit der untergründigen Gewalt und den militärischen Traditionen ihrer Gesellschaft auseinander, wie etwa die erschreckende Hochglanzästhetik kämpfender Jugendlicher von AES+F (Tatiana Arzamasova 1955, Lev Evzovich 1958, Evgeny Svyatsk 1957, Vladimir Fridkes 1956), die fiktionalen Kriegsbildern von Konstantin Batynkov (1959) oder die mit Orden überhäuften Mäntel von Dmitry Tsvetkov (1961). Der in Moskau arbeitende tschetschenische Künstler Alexey Kallima (1969) heroisiert die Widerstandskämpfer seiner Heimat in comicartigen, surrealen Szenarien, die von Posen aus der Modewelt und dem Logo eines Sportartikelherstellers aus Herzogenaurach geprägt sind. Sehr viel realistischer greift der junge Sergei Chaika (1978) das Thema von Leid und Zerstörung in seiner Serie „Eternal Flame“ auf, aus der das eindringliche, auf christlicher Ikonographie fußende Bild einer Grablegung zu sehen ist. Das sowjetische Erbe des heutigen Russlands wird von den großformatigen Goldgrundbildern Alexey Beliayev- Guintovts (*1965) in seiner hypertrophen Pracht und Monumentalität beschwört.

Ein anderer wesentlicher Zug der russischen Gegenwartskunst, der Niederschlag in der Ausstellung findet, ist der zum Teil drastische Humor sowie die Anverwandlung an bestehende künstlerische Codes. Insbesondere Konstantin Latyshev (1966) mit seinen an westlicher Werbegrafik geschulten Siebdrucken ist dazu zu zählen. Ebenso Vladislav Mamyshev-Monroe (1969), der für seine Rollenspiele in den unterschiedlichsten Verkleidungen, z.B. als Papst oder Charly Chaplin, bekannt wurde und mit einem Selbstporträt als Marilyn Monroe in der Ausstellung vertreten ist. Schließlich die berüchtigte Künstlergruppe Blue Noses (gegründet 1999, Viacheslav Mizin 1962, Alexander Shaburov 1965), deren Werke vom russischen Staat zensiert wurden und die ein russisches „Heiligtum“ gänzlich respektlos verarbeiten in der Serie „Kitchen Suprematism“: Brot- und Wurstscheiben auf einem Küchentisch formen die ikonenhaft verbreiteten Bilder Kasimir Malevitchs

. „MOCKBA! CONTEMPORARY ART FROM RUSSIA“ findet zwei Wochen später ein nicht geplantes Echo in einer Ausstellung, die am 19. September im Palazzo Italia, Unter den Linden 10, eröffnet und die mit Unterstützung der Deutschen Bank Stiftung und dem führenden Kunstmagazin Russlands, ArtChronika, die Short-List des Kandinsky Preises 2007 zeigen wird, unter Anderem Anatoly Osmolovsky und Vladislav Mamyshev-Monroe.