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Eröffnung im Rahmen gemeinsamer Kölner Galerieeröffnungen am 22. April 2009 von 18 bis 22 Uhr

Mit selbstgebastelten Kameras fotografierte Miroslav Tichy (1926 in Netcice, Mähren) jahrelang die Frauen seiner tschechischen Heimatstadt, versteckte sich vor Ihnen und der Polizei, die ihn längst als systemkritischen Sonderling im Visier hatte, und schoss aus dem Verborgenen seine Fotografien. Es entstanden unzählige Porträts, Ganzkörperfotos und Detailaufnahmen wohlgeformter Frauenbeine. Geduldig wartete Tichy, bis die unwissenden Modelle in Badeanstalten, auf der Straße oder auf dem Fernsehbildschirm klassisch anmutende Posen einnahmen. Die Objektive seiner Kameras aus Papprohren und Dosen und die heimische Entwicklungsprozedur verleihen den Fotos eine Unschärfe, ja fast ein Sfumato, das altmeisterlich erscheint. Die Fotografien, allesamt Unikate wirken wie Objekte, da sie häufig unter Betonung von Details übermalt oder wie der Künstler sagt "ausgebessert" wurden. Sie tragen Spuren ihrer Aufbewahrung in der einfachen Unterkunft Tichys und erzählen die Geschichte seiner schlecht beheizten, gelegentlich von Ratten heimgesuchten Behausung. Selbstgebastelte Passepartouts unterstreichen ihre malerische Qualität genauso wie die Fingerabdrücke des Künstlers, der Abdruck einer Fliege aus dem Entwicklerbad und die Kratzer aus dem Fertigungsprozess.

Die Kewenig Galerie stellt Tichy zum ersten Mal nach ihrer erfolgreichen Schau auf Mallorca auch in Köln in einer großen Einzelpräsentation aus und manifestiert damit die enge Zusammenarbeit mit der Foundation Tichy Ocean und Roman Buxbaum, der Tichys Werk entdeckte und über Jahrzehnte sammelte. Harald Szeemann zeigte Tichys Werk zum ersten Mal auf der Biennale de Sevilla 2004. In der Folge fand sich in zahlreichen internationalen Museen ein spontan begeistertes Publikum für die Fotos des tschechischen Eigenbrödlers, der fernab des Kunstbetriebs und abgeschnitten von professionellen Materialien Werke schuf, die Kuratoren zu Recht mit Gerhard Richters verwischtem Fotorealismus, mit Sigmar Polkes Fotomontagen und Christian Boltanskis fotografischen Archiven vergleichen. Nach drei Jahren (1946 - 48) an der Prager Kunstakademie malte und zeichnete Tichy zunächst, bevor er sich als Autodidakt der Fotografie zuwandte. Sein intuitiver Konzeptualismus fügt sich bestens ein in das Kunstprogramm von Kewenig, zu dessen festem Bestand er in der Folge zählen wird.

Die Ausstellung zeigt Fotografien und Zeichnungen. Frauen sind das zentrale Motiv von Tichys künstlerischem Schaffen und die geradezu manische Intensität der künstlerischen Herangehensweise an dieses Leitmotiv verrät, dass der Künstler und Einsiedler die Beziehung zum anderen Geschlecht auf die abbildende Ebene beschränkte und lebendigen Begegnungen vorzog. Frauen nähert sich Tichy malerisch und fotografisch mit Respekt. Nie wirken seine Ablichtungen von sommerlichen Schönheiten indiskret oder sexistisch, sondern verstrahlen eine Huldigung des weiblichen Geschlechts, die einer religiösen Verehrung gleicht. Die Ausstellung wird ergänzt durch die Präsentation von Tichys selbstgebauten Kameras und Objektiven. Im Gewölbekeller der Galerie ausgestrahlte Dokumentationsfilme zum Künstler führen anschaulich ins Werk ein und präsentieren einen wunderbar kauzigen Typen, der die Herzen des Kunstbetriebs im Sturm erobert.

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Miroslav Tichy