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Preesetext:

Miklós Erdély (1928–86), Architekt, Künstler, Schriftsteller, Poet, Theoretiker, Filmemacher war ein wichtiger Katalysator der inoffiziellen ungarischen Kunstszene während der 1960er, 70er und frühen 80er Jahre.

Gefeiert als „der Vater der neuen ungarischen Avantgarde“ war Erdély eine charismatische Persönlichkeit, immer provokativ und irritierend, besonders gegenüber Autoritäten.

Von 1975 bis zu seinem Tod leitete er drei konzeptionelle und methodische Kunststudiengänge: Kreative Übungen (1975-76 gemeinsam mit Dóra Maurer und György Galátani), Fantasie-bildende Übungen (FAFEJ) und interdisziplinäres Denken (Indigo). Als experimentelle Lehrstudios oder Workshops konzipiert, nahmen sie Bezug auf avantgardistische künstlerische Prozesse, neue Theorien der Kreativität und pädagogische Methoden die von östlich philosophischen Traditionen beeinflusst waren. Sein Ziel war es mit seinen kunstpädagogischen Aktivitäten „ein Milieu zu schaffen das auch der Mühe wert ist überhaupt zu arbeiten“. Er betrachtete seine Studenten als die geeignetsten Kritiker seiner Arbeit. Die Indigo Gruppe entwickelte sich aus dem dritten Kurs, den Erdély ab 1978 an geleitet hat. Laut Erdély bezieht sich der Name interdisziplinäres Denken auf den Fakt, dass sie „die vielversprechende Idee an den Grenzen zweier Kulturen – der Wissenschaft und der Kunst – zu arbeiten, nicht aufgaben“. Ihr Interesse lag auf den Funktionen und Möglichkeiten der Kunst und diese wurden auch untrennbar vom kreativen Denken in der Gesellschaft als auch des Lebens verstanden.

Die Indigo Gruppe organisierte zwischen 1978 und 1986 mehrere thematische Ausstellungen und Gruppenaktionen, die sich entweder auf ein künstlerisches Medium (Kohle und Kohlezeichnung, Sand und seine Formen der Bewegung, Malerei, Avantgarde oder Experimenteller Film, Wasserfarben, Papierarbeiten, den einjährigen Zeichenkurs am Museum der schönen Künste, 1982-1983), ein abstraktes Konzept (Gewicht, Vertrauen/Loyalität, des Künstlers Exit, die poetische Avantgarde), oder auf andere persönliche Erfahrungen und Aktivitäten konzentrierten (Meine schönste Sommererinnerung, Biografie, Tischaktionen).

Neben den sozialpolitischen Manifestationen sind auch der Indigo Friedensaufruf, Die Gründungsurkunde der freiwilligen gesetzgebenden Körperschaft (1982) und die Pax Aktion (1983) wichtige Stationen der Gruppe.

In der Anfangszeit betrachteten sie ihre Präsentationen als gemeinsames Arbeiten, ab 1980 waren es jedoch in erster Linie Arbeiten einzelner Künstler die bei Gruppenausstellungen gezeigt wurden. Unter diesen war im März 1984 die Ausstellung Das Persönliche und das Heilige, die von den Gedanken von Simone Weill’s Essay La Personne et le Sacré inspiriert war. Simone Weill war eine jüdische Schriftstellerin, die die Welt ganzheitlich sah und sich gegen die Unterteilung des Wissens in unterschiedliche Studienzweige aussprach. Laut Weill betrachten die Menschen Kunst und Religion als verschiedene Territorien, da sie außerstande sind an eine zusammenhängende Weltordnung zu glauben. Sie glaubte an eine Zugänglichkeit zu einem höheren, mystischen Wissen, das durch Einheit und Universalität charakterisiert ist. „In der Wissenschaft ist die Wahrheit heilig. In der Kunst ist die Schönheit heilig. Schönheit und Kunst sind immer unpersönlich.

Mitglieder der Indigo Gruppe produzierten fotografische Arbeiten, die sich mit dem Thema der Ausstellung Das Persönliche und das Heilige auseinandersetzten, ein großer Teil davon wurde in der Erdély Stiftung erhalten und wird nun in der Ausstellung in der Georg Kargl BOX gezeigt. Die Ausstellungsmethode der fotografischen Arbeiten folgt der ursprünglichen Installation, die von der Gruppe 1984 festgelegt wurde: jedes Foto wurde einheitlich unter einem 70 x 100 cm Glas präsentiert und die Künstler platzierten ihre „persönlichen“ Fußmatten unter den einzelnen Werken. Erzsébet Amburs zeigte mit Everything is Upside-Down Fotografien, die sie auf dem Kopf stehend geschossen hat. Balint Bori nimmt Bezug auf die Heiligkeit des Nichts mit drei aneinander geklebten Fotografieteilen, ein schwarzes, ein graues und eine weißes Teil. Das Foto von András Böröcz portraitiert den Spiegel und die Objekte auf dem Regal davor; neben dem Spiegel ist auf einer Fliese ein tanzendes Pärchen aufgemalt: er und seine damalige Liebste. Már ia Czakó stellte ein Familienenfoto aus, das eine Aufnahme von ihrem Mann, András Böröcz und ihrem Sohn, neben einer Zeichnung der Figuren, auf denen sie die Konturen der Fotografie mit roter Farbe nachgezeichnet hat. Dániel Erdélys Foto auf dem eine Plastikschüssel voller Essen und ein Stück Brot zu sehen sind, nimmt Bezug auf die Heiligkeit des Essens und des Alltagslebens. Unter der Arbeit zeigt er durch die symmetrische Anordnung zweier Brotscheiben, die an zwei Schuhsohlen erinnern, die Notwendigkeit des täglichen Brots für das Leben als einen „Eintritt“ ins alltägliche Leben. Miklós Erdély nimmt Bezug auf Simone Weill’s Text Das Persönliche und das Heilige, das sich mit dem sakralen als dem unpersönlichen im Menschen bestehende beschäftigt: „Es gibt etwas, das tief im Herzen der Menschen von frühester Kindheit, von der Wiege bis zum Sarg lebt.“ Seit 1977 begann Erdély in vielen seiner Arbeiten Indigo-Papier zu verwenden. Das primäre Motiv von Zoltan Lábas 16-teiliger Fotoserien war der auf eine Wand projizierte Schatten. Tivadar Nemesis vierteilige Fotoserie zeigt den Künstler selbst bei einer Performance, die eine Art schamanistischer Zeremonie sein könnte. Auf László Révész gefundenem Foto sind Objekte zu sehen, die in der Wohnung von Révész Großmutter zu finden waren. Zwei Scheinwerfer porträtiert János Sugárs in seiner Fotografie als einander zugewandte menschlichen Figuren, János Szirtes zeigt die Arbeit mit dem Titel Unser Heim ist die Erde.

Neben der Arbeiten der Indigo Gruppe ist eine kleine Auswahl von Fotografien von Miklós Erdély, die vor 1984 entstanden sind, zu sehen. Erdély, der Skulpturen, grafische Arbeiten, Malereien, Objekte, Collagen, Environments, konzeptuelle Arbeiten, Aktionen, Filme und Videos machte, benutzte seit den späten 1960er Jahren Fotografien und Fotogramme als autonome Werkzeuge des Ausdrucks und kreative Elemente individueller Arbeiten. Erdély selbst fotografierte nicht, sondern fand seine Fotos oder hatte jemanden (häufig einen seiner eigenen Söhne) der fotografierte. Mit Hilfe von Fotos oder Foto-Aktionen illustrierte er seine kunsttheoretisch-philosophisch-poetischen Texte und gebrauchte Fotos für seine konzeptionellen Untersuchungen, um das Phänomen des Bildes, Funktion und Darstellung zu beobachten. Gleichzeitig platzierte er in vielen seiner Fotografien ein oder zwei Elemente der Fototechnik, zum Beispiel Licht, in den Mittelpunkt, wie im Falle der ausgestellten Arbeiten Evening Action (1969) oder Selbst-Erleuchtung (Licht isst Mensch) (1969). Dieser „Fehler“ der Überbeleuchtung wurde in der letzten Arbeit zum Ansatz eines Metaphern-Kreierenden Prozesses.

Seine 1972er Metaphern Studien sind genauso poetisch aufgeladen, während seine Keine Fotografien!, die in der Ausstellung anlässlich der Konferenz Kultur und Semiotik 1974 gezeigt wurden, die Frage nach der Interpretation von Symbolen aufwerfen: sie betreffen „pragmatisches Missverstehen von Regeln im semiotischen Sinne“ um die Worte von László Beke zu gebrauchen. Die konzeptionellen Ursprünge seiner Heiligen Linie von 1980 führen auf ein Gespräch mit Gábor Bódy über Film als Material zurück. „Ich argumentierte mit Bódy in einer Kneipe darüber was für ein obszönes Material Film ist ... ich erklärte wie viel mehr Wert das konkrete Treffen von Grafit und Papier ist, was für ein verklärter Moment es ist, wenn man den Grafitstift auf einem reinen weißen Blatt ansetzt oder was überhaupt.

Nachher versuchte ich über Wege nachzudenken es noch ätherischer zu gestalten. Das war als ich mir das heilige Linie-Ding ausdachte: ich tat ein Stück Blei auf einen Stift, band ein Stück Faden an das Ende und zeichnete die Linie. Und tatsächlich – dies ist ein absoluter Moment von Spurenhinterlassen, solch ein edler Kompromiss von Eingreifen und dem unabhängigen Verhalten von Material, dass vielleicht nur in der Welt Gottes etwas derartiges existiert. Materie irgendwie als Apparatur das tun lassen, was es tun will, es dennoch zu kontrollieren. Manchmal habe ich das Gefühl, dass man mit einer derartigen Methode keine unattraktive Linie zeichnen kann.“

Seine fotografische Arbeit mit dem Titel Entspannung oder Arbeit ist die visuelle Aufzeichnung einer Idee, welche nach Aussage einer der Söhne von Erdély auf ein biblisches Zitat zurückgeführt werden kann: „Und er sagte zu ihnen der Sabbath wurde für den Menschen gemacht, nicht der Mensch für den Sabbath“ (Markus 2, 27)

Die erste Präsentation der fotografischen Arbeiten von Miklós Erdély und der Indigo Gruppe fand in der Galerie Kisterem in Budapest von Mai bis Juni 2008 statt. Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit der Miklós Erdély Stiftung realisiert, zur gleichen Zeit war die Ausstellung Fluxus Ost- Fluxus Netzwerke in Zentralosteuropa im Ludwig Museum Budapest zu sehen, eine Ausstellung die von der Sammlung zeitgenössische Kunst der Ersten Bank im ICA – Dunaújváros organisiert wurde. Unter dem Titel Konzept, Konzeption, Extrakte wurde von Dóra Maurer (Open Structures Association) eine weitere Ausstellung zu Erdélys Werk im Vasarely Museum organisiert.

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Miklos Erdely und die Indigo Gruppe
Fotoarbeiten aus den 70er und 80er Jahren
Georg Kargl BOX