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Die hier vorgestellten Aquarelle und Papiermache-Plastiken Michael Kalmbachs von 2006/07 erweitern behutsam das Form- und Figurenvokabular, das er in den letzten Jahren entwickelt hat. Es geht um Variationen der Begegnung von Ungeformtem und Geformtem, zugleich inhaltlich und gestalterisch. Neu ist vor allem, dass neben das Transitorische ein Moment des Fragilen und Prekären tritt. Figuren wirken schwach, gefährdet, brüchig, hohl. Der Humor Kalmbachs ist melancholischer geworden. Dafür einige Beispiele: Auf dem Aquarell, das der Ausstellung den Titel gibt, schneit es kleine Kinderhäupter. Ein Junge verfolgt fasziniert das Geschehen und versucht, einen der niederschwebenden Köpfe mit der Hand aufzufangen. Die Szene durchsetzen angedickte Schwaden in Braun und Rosa, die noch an Wolken erinnern und schon an Körperteile. Die stilisierte Schrift oben, von der die Köpfe zu fallen scheinen, unterstützt und ironisiert zugleich das Sinnbildliche der Darstellung. Die zentrale Figur in dem Skulptur-Ensemble „Prinz Charming“ ist ein plumper, fragmentarischer Geselle, der gleich einem Planeten kleine unförmige Klumpen und Menschenfiguren in Umlaufbahnen gezwungen hat. Auch seine Gestalt selbst lässt sich als Produkt der Gravitation deuten; Geschlechtsteil, phallusförmige Nase und Stielaugen könnten durch Anziehungskräfte des Kopf- und Körperbrockens an ihren Orten gelandet sein. Eine Zufallsgeburt. Der Riese des Aquarells „-wesen“ hält eine der ihn umgebenden kleineren Figuren in seiner Hand. Und doch wirkt er weniger bedrohlich als hilflos in seinem dünnen, gelängten Körper, umgeben von Wolken, die seine Sicht und seine Fortbewegung hemmen. Inneren Halt gibt ihm einzig das Mädchen in gesteiftem Rock, das zart in seiner Brust erscheint. Auch durch seine Augen sehen kleinere Gestalten. Ein trojanisches Monstrum. Der Titel der Skulptur „Alberto“ spielt auf den berühmten Bildhauerkollegen Giacometti an. Tatsächlich mag man sich an dessen dünne schreitende Figuren erinnern bei den Proportionen dieses Jungen mit einem Puppenkreisel. Doch ist er fern von der ungreifbaren Anonymität jener abgeflachten und dürren Gestalten des Schweizers. Kalmbachs Existentialismus geht es auch hier um die Nähe von Belebtem und Unbelebtem unter dem Aspekt der Fragilität. Das Aquarell, das die Einladungskarte schmückt, „Mama im Krieg“, verortet die Melancholie Kalmbachs in der deutschen Romantik, wenngleich mit komplexer Brechung. Der Blick der Figur ins Bild, über ferne Berggipfel hin, ruft Gemälde Caspar David Friedrichs in Erinnerung. Indem Kalmbach für die Gestalt des Mädchens ein Kinderbild seiner Mutter als Vorlage herangezogen hat, kreuzt er die kunstgeschichtliche Anspielung mit der jüngeren deutschen Geschichte und setzt sie zugleich in eine persönliche Beziehung. Damit erreicht er eine ungemütliche Mischung von Ironie und Schwermut, der man sich als Betrachter nicht entziehen kann.

Thomas Röske

Die Eröffnung findet am 2. März 2007 von 18.00 - 22.00 Uhr in unseren NEUEN RÄUMEN in der Aachener Strasse 5 statt.

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Michael Kalmbach
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