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Martina Grlic & Stjepan Šandrk. Distinct Realities
05.03.2019 - 12.04.2019

Martina Grlić
Martina Grlić agiert als Malerin und Ethnographin, die Fragmente vergangener Zeiten aufnimmt und transformiert, die in der virtuellen Gesellschaft immer mehr verschwinden.

In der Ausstellung „Distinct Realities“ geht sie von Familienfotos aus, die aus ihrer Kindheit im sozialistischen Jugoslawien stammen. Erinnerungen sind nicht real, sondern es sind Bruchstücke, die bleiben und die der Mensch nach eigenem Gutdünken und mit Hilfe von Erfahrungen und der Phantasie versucht, lückenlos auszufüllen. Daher sind auch die von ihr gezeigten Bilder verschwommen und verwischt, abstrahiert, auf die Silhouette reduziert und lassen nur Vermutungen zu, wie das ursprüngliche Foto und Vorbild als Zeitdokument ausgesehen hat. Sie untersucht das Phänomen Erinnerung, auch vor der Folie der Ästhetisierung und Romantisierung – sei sie politischer oder privater Natur.

Martina Grlić gehört zu einem neuen Strom der kroatischen Malerei, der sich auf das Figurative in der Kunst und auf das narrative Potenzial des Gemäldes konzentriert. Ihr Werk ist eine kritische Reflexion der Veränderungen, die in den postsozialistischen Gesellschaften stattgefunden haben und immer noch stattfinden. In ihrer Methode untersucht sie das Erbe des politischen, wirtschaftlichen und sozialen Systems der sozialistischen Ära, indem sie es durch den Gender-Aspekt, Muster der Erinnerungspolitik und das Lesen des Bildes dekonstruiert.

Stjepan Šandrk
Das zentrale Sujet von Stjepan Šandrk ist vor allem das Selfie, aber auch das Porträt vor der Kulisse von Werken bekannter internationaler Maler und der Alten Meister, die in der Kombination mit der Selbstdarstellung des Betrachters als Label dienen. Das Kunstwerk tritt damit in die Funktion des Accessoires, des Statussymbols, mit dem sich der sich Fotografierende schmückt. Dabei geht es nicht mehr um die Kunstbetrachtung, oder das Werk, sondern um die Selbstdarstellung. Instagram, Facebook & Co haben zu der Entwicklung beigetragen, dass sich ein Großteil der Menschen selbstfotografiert, selbstkuratiert und die Szenarien der Selbstinszenierungen veröffentlicht. Jerry Saltz bezeichnet das Selfie gar als das meistverbreitete populäre Genre aller Zeiten. Das Selfie ist eine Möglichkeit der Materialisierung von Beuys Jahrtausendgedanken, dass jeder Mensch ein Künstler sei.

Šandrk greift diesen Trend auf und reflektiert ihn in Punkto Darstellbarkeit des Ichs und Narzissmus. Da jeder blinde Flecken für sich aufweist und das sehende und das gesehene Auge identisch sind, verweist er auf die Blindheit Narziss` (da er sein Spiegelbild für das Bild eines Anderen hält), sowie die Tatsache, dass die Fotografie keine Dopplung der Natur ist, sondern eine zweite Realität.

Die Bilder werfen einen sehr ironischen Blick auf das Thema Selfie und die momentane Art der Selbstdarstellung. High and Low – hohe Kunst und Spontaneität und Jugendlichkeit treffen sich auf einem Bildträger und wirken in den meisten Fällen doch wie Collagen und Ausschnitte aus unterschiedlichen Welten.