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Zwi­schen 1977 und 1997 hat Mar­tin Kip­pen­ber­ger 178 Plakate geschaffen, wofür längst nicht nur die Ankündigung sei­ner eige­nen Aus­stel­lun­gen Anlass war. Viel­mehr scheint er kaum eine Gele­gen­heit aus­ge­las­sen zu haben, um mit einer spon­ta­nen Idee das Druck­atelier auf­zu­su­chen: Kon­zerte, Par­ties, Lesun­gen oder ganz ein­fach ein Geburts­tag waren dem für seine aus­ge­prägte Gesel­ligkeit bekann­ten Künstler Grund genug, sich die­ses Mediums zu bedie­nen. Auch befreundete Künstler – von Albert Oeh­len bis Jeff Koons – hat er ein­ge­spannt, um sein sport­li­ches Ziel, „Picasso über­treffen“, zu errei­chen.

Unsere Aus­stel­lung ermög­licht ein Wieder­se­hen mit den 121 Plaka­ten der fünf legendä­ren, zwi­schen 1986 und 1994 in Kleinst­auf­lage erschie­ne­nen Map­pen. Im umfang­rei­chen und äußerst viel­sei­ti­gen Gesamt­werk, das Mar­tin Kip­pen­ber­ger bei sei­nem frühen Tod 1997 hin­ter­ließ, neh­men die Plakate nicht nur quan­ti­ta­tiv eine besondere Rolle ein. Das notori­sche enfant terri­ble sah in ihnen die Mög­lichkeit, seine über­borden­den Ein­fälle, Pro­voka­tio­nen, Respektlo­sigkei­ten und Lie­be­s­bezeugun­gen auch außer­halb der elitä­ren Museums- und Gale­riewelt zu ver­brei­ten. Denn „Museum ist Altertumsquatsch“, ließ er einmal ver­lau­ten, und zusam­men mit sei­nen Künstlerbü­chern, sei­nen Aktio­nen vor (mehr oder min­der) großem Publikum und Vor­lesun­gen erlaub­ten ihm die Plakate, sein Publikum ohne die Ver­mitt­lung durch Insti­tu­tio­nen anzu­spre­chen.

Im Plakat, dem Medium der Selbstan­preisung schlechthin, fusio­nierte auf das Wunderbarste „Kip­pen­ber­ger der Selbstdar­stel­ler“ mit „Kip­pen­ber­ger dem Bür­gerschreck“: Keine Absur­dität, keine Pei­nlichkeit, kein Tabub­ruch wird dem Betrach­ter erspart. Wie in sei­nen Gemälden und Skulp­turen ver­letzte er bewusst und gen­uss­voll sämt­li­che Regeln, stieß sein Publikum mit Banalitä­ten und Plump­hei­ten vor den Kopf – um es mit sei­nem umwer­fenden Sprach­witz gleich wieder für sich einzu­neh­men. Seine legendä­ren Kalauer („Ich geh’ jetzt in den Birken­wald, denn meine Pil­len wirken bald“), Aus­stel­lungs­ti­tel („Gib mir das Sommerloch“) und Werk­ti­tel („Ich kann beim bes­ten Wil­len kein Hakenkreuz ent­de­cken“) zeu­gen von sorg­lo­sem Humor, aber auch von spöt­tisch-ernsthaf­ter Hin­terfragung.

Für den geniali­schen Auto­didak­ten Kip­pen­ber­ger war Kunst egalitär und somit auch poli­tisch und durch­aus ernst. Diese Ernsthaf­tigkeit erkennt man auf den zwei­ten Blick auch in sei­nem Umgang mit dem Medium Plakat. Er kennt sich in den Regeln der Gat­tung aus und wendet sie pro­fes­sionell an. Mit den Erwar­tun­gen, die der Betrach­ter in die­ses Medium setzt, spielt er virtuos. Manch­mal bedient er sich einer durch­aus plaka­tiven Gestal­tung, setzt mit attrak­tiven Bild­mo­tiven und klas­si­scher Typo­graphie auf Fern­wirkung. Dann wieder setzt er auf ein klein­tei­liges Lay­out, das an eine Anzeige erin­nert und ein Näher­tre­ten erfordert. Fast allen Plaka­ten ist gemein­sam, dass flotte Sprü­che und fre­che Anspie­lun­gen zum Lesen und ein­ge­henden Betrach­ten animie­ren.

Das große wiederkeh­rende Motiv von Kip­pen­ber­gers Plaka­ten ist der Künstler selbst. Von Schnapp­schüs­sen bis zu sorgfäl­tig insze­nier­ten Por­traits zei­gen die Bil­der ihn mal als fre­chen Flitzer, mal als bierbäu­chi­gen Urlauber. Mit Selbst­iro­nie und Spott über die bür­ger­li­che Vor­stel­lung von Würde und Selbstrespekt gelingt es Kip­pen­ber­ger, trotz aller polternden Pei­nlichkei­ten mit spürba­rem Selbst­bewusst­sein und großer Sen­sibilität sein Publikum für sich einzu­neh­men.

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Martin Kippenberger
Mut zum Druck